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Dankesrede von Christa Weidner nach Erhalt des Bonhoff-Preises 2016

Hier das Redemanuskript von Christa Weidner. Sie hat die Rede anlässlich der Preisverleihnung frei gehalten, so dass sich ggf. Abweichungen ergeben haben. Die Zwischenüberschriften sind Teil ihrer Rede. (Zum Hauptartikel mit Interview.)

„Mama, ich bin stolz auf Dich, wenn Du die Vorträge zu Scheinselbstständigkeit hältst“, – sagte meine Tochter, während sie ganz relaxed auf ihrem Lieblings-Sofa in unserem Wohnzimmer liegt, zusammen mit Picasso, unserem Hund. „Mama, es ist wichtig, dass Du darüber redest.“

Da wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Nach:

  • 2016-06-06 22.28.541.133 Tagen Zorn. Zorn, der sich entzündet hat einer Situation, die ich ungerecht empfand und die ich nicht verändern konnte
  • 27.192 Stunden Enttäuschung. Zerstörter Hoffnung.
  • 1.631.520 Minuten gefühlte Willkür. Empfundene Ungerechtigkeit, mit dem
    Christas Spickzettel für den "Zahlenteil" ihres Vortrags

    Wunsch, Gerechtigkeit herzustellen.

  • 98.251.200 Sekunden Angst, alles zu verlieren, was wir uns aufgebaut hatten, mein Mann und ich. Durch ein Gesetz, das geschaffen wurde, um Menschen vor Ausbeuterei zu schützen. Damit hatte man mal etwas Gutes im Sinn gehabt.
  • 163 Wochen Verzweiflung. Aufgegebene Hoffnung, voller Angst, Ratlosigkeit. Und dabei hatte ich alles einfach nur richtig gemacht.
  • 3 Jahre, 1 Monat und 8 Tage lang habe ich nicht verstanden, was die DRV von mir wollte. Sah mich mit Argumenten konfrontiert, die nichts mit meiner Arbeits- und Lebensweise zu tun hatten.

"Erst, als dieser Alptraum zu Ende ist, kann ich wieder für unseren Lebensunterhalt sorgen."

Und finde mich – nun als selbstständige IT-Beraterin - wieder zwischen all’ den Argumenten der Deutschen Rentenversicherung. Meine Kunden wollen, dass ich genau so für sie arbeite. Was ist das für eine verkehrte Welt?

Jetzt beginne ich zu verstehen, welchen Kampf die Deutsche Rentenversicherung kämpft. Mit ungeeigneten Mitteln, gegen die falschen Gegner. Schwächt die, die sie schützen will.

Was soll ich tun? Mundhalten? Mitmachen? Gegen meine Kunden rebellieren? Gefahr laufen, meine Aufträge zu verlieren?

Es wird klar: dass ich mich intensiver mit diesen Widersprüchen beschäftigen möchte und es reift der Plan, mein zweites Buch zu schreiben.

Mehr als ein Jahr lang, denke ich diesen Gedanken. Suche nach Möglichkeiten, damit meine Worte nicht durchtränkt sind mit Zorn, Enttäuschung, Ungerechtigkeit, Verzweiflung und meiner Angst. Fange an zu verstehen und zu akzeptieren. Damit verliere ich diese Gefühle, die meinen Blick verschleiern.

"In mir reifen Klarheit, Verstehen und Mut."

Ich schreibe das Buch Freelance IT. Es erscheint in dem Moment, in dem das Thema Scheinselbstständigkeit anfängt, die Gemüter zu erhitzen.

Nun bringe ich auch den Mut auf, als Betroffene mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.

Christa freut sich zusammen mit ihrem Mann. Mit seiner Unterstützung hat sie die Prozesse gegen die DRV "überstanden" und er hat sie auch auf ihren Vortragsreisen für den VGSD begleitet

Ich habe die Hoffnung, dass mir nichts passiert. Schließlich bin auch ich potenziell gefährdet, dieses Mal in der Rolle der Auftragnehmerin.

Ich verspüre Klarheit darüber, was die Deutsche Rentenversicherung von uns Selbstständigen erwartet.

Ich denke in Lösungen, die uns aus diesem Dilemma befreien.

Ich sehe die Chancen, die sich vor uns versteckt haben.

Ich setze meine Energie für etwas ein, für Rechtssicherheit und nicht gegen etwas. Gewinne an Kraft und Stärke.

"Und heute stehe ich hier vor Ihnen. Zum ersten Mal, seit vielen Jahren wieder, als eine Gewinnerin."

Dankbar, stolz und voller Demut.

Stellvertretend für diejenigen, die sich entschieden haben, ihren Gesunden Menschenverstand zu behalten, die mutig sind, dafür einzustehen und auf Willkür, Ungerechtigkeiten und deren Folgen aufmerksam zu machen.

Diejenigen, die sich gegen Gesetze, Verordnungen und Paragraphen wehren, die rechtschaffenen Mitgliedern unserer Gesellschaft schaden und Leid zufügen.

Zum Kollateralschaden zu gehören, fühlt sich nicht gut an. Ausgeliefertsein. Nicht aufgrund des eigenen Versagens oder selbst verschuldeter Fehler hinzufallen, macht das Aufstehen so viel schwerer.

Wir haben die Wahl. Die Wahl, Opfer zu sein. Oder aufzustehen und für Lösungen plädieren, die Sinn machen. Mit den Worten meiner Tochter: „Ich bin kein Opfer.“

Ich hatte viel Glück, es geschafft zu haben. Es war – es ist – verdammt harte Arbeit. Und ich danke all denen, die mir dabei geholfen haben, mich unterstützt haben und an mich glauben.

D-A-N-K-E

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