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Was hat es eigentlich mit „Bürgerversicherung“ und „Gesundheitsprämie“ auf sich?

Bei der Diskussion über Altersvorsorge und Rente werden Begriffe verwendet, die man häufig hört, von denen man aber oft nicht weiß, was sie genau bedeuten. Da wir im Rahmen unserer Arbeitsgruppe „Rentenpflicht“ zu einer sachlichen und gut informierten Diskussion beitragen wollen, haben wir uns vorgenommen, einige dieser Begriffe und Konzepte für Euch unter die Lupe zu nehmen. Heute: Das Konzept der „Bürgerversicherung“ und der „Gesundheitsprämie“.

Bürgerversicherung

Begriff - Bürgerversicherung oder auch Volksversicherung

Wer ist dafür? – SPD, Grüne und Linke

Konzept –

  • Abschaffung der privaten Krankenversicherung.
  • Alle Bürger mit allen Einkommensarten (also auch Kapitalerträgen und Mieteinnahmen) zahlen bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die gesetzliche Krankenversicherung ein.

Variante „Erwerbstätigenversicherung“ – Anwendung des Prinzips auch auf die gesetzliche Rentenversicherung, das heißt alle zahlen bis zur Beitragsbemessungsgrenze ein, wobei nicht zwingend alle Einnahmearten berücksichtigt werden. Dies entspricht weitgehend den aktuellen Forderungen von Gewerkschaften und SPD nach einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige. Zumindest in der Theorie sollen bei dieser Variante auch Beamte einbezogen werden und die berufsständischen Versorgungswerke, in denen viele freie Berufe abgesichert sind, abgeschafft werden.


Jetzt mitzeichnen: Mit unserer Petition setzen wir uns für faire Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein. Es ist nicht einzusehen, dass Selbstständige deutlich mehr zahlen als Arbeitgeber und -nehmer zusammen. Eine Gesetzesverschärfung zum 1.1.18 macht eine Reform noch dringlicher.


Gesundheitsprämie

Begriff – Gesundheitsprämie, Kopfpauschale, Kopfprämie, Bürgerprämie

Wer ist dafür – CDU, CSU – Die Gesundheitsprämie ist parteipolitisch gesehen also das Gegenmodell der Bürgerversicherung i.e.S., andererseits haben die Modelle auch viele Gemeinsamkeiten

Konzept -

  • Bei der Gesundheitsprämie zahlen alle Bürger grundsätzlich den gleichen Betrag. Aus Steuermitteln werden die Beiträge von Geringverdienern subventioniert, die von Kindern ganz übernommen.
  • Selbstständige, Beamte und alle mit Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze bleiben von der Beitragspflicht ausgenommen, finanzieren über ihre Steuern aber den Solidarausgleich mit.
  • Das duale System mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen bleibt also erhalten.

Pro und contra

Fehlender Wettbewerb zwischen Versicherern – Insbesondere Ärzte kritisieren, dass bei einer Bürgerversicherung i.e.S. eine Art Planwirtschaft ohne Wettbewerb entstehen würde, zulasten von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung.

Belastung der Mittelschicht – Bisher privat versicherte Angehörige der Mittelschicht  müssten wohl deutlich höhere Beiträge schultern und würden zugleich weniger Leistungen erhalten.

Arbeitsplätze – Auch die privaten Krankenversicherungen sind natürlich gegen eine Bürgerversicherung, die ihre Weiterexistenz in Frage stellen würden. Gewerkschaften befürchten den Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen in diesem Bereich und zudem Einschränkungen beim Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, die nur Gutverdiener durch private Zusatzversicherungen ausgleichen können.

Lohnnebenkosten – Die Arbeitgeber fürchten höhere Beitragsbemessungsgrenzen und damit höhere Lohnnebenkosten, die ihre Kostenstruktur und damit Wettbewerbsfähigkeit belasten würden.

Kosteneinsparungen - Ärzte fürchten ganz konkret Umsatzeinbußen von gut 40.000 Euro pro niedergelassenem Arzt, zugleich fallen Arbeitsplätze bei privaten Krankenversicherungen weg. Dem stehen möglicherweise Kosteneinsparungen in erheblicher Höhe gegenüber.

Finanzierung - Durch die zwangsweise Einbeziehung von Besserverdienenden mit dem maximalen Beitragssatz nimmt die gesetzliche Versicherung mehr Geld ein.

Gerechtigkeit - Die relativ willkürlich gesetzte Versicherungspflichtgrenze ermöglicht es, sich der solidarischen Finanzierung der Gesundheitskosten zu entziehen. Das empfinden viele (vor allem mit Verdienst knapp darunter) nachvollziehbarerweise als ungerecht.

Folgeprobleme für bisher privat Versicherte - Die Versicherungsbeiträge für die verbleibenden privat Versicherten würden wahrscheinlich sehr stark steigen, da keine neuen jungen Versicherten nachkommen.

Habt ihre weitere Argumente pro und contra Bürgerversicherung? – Bitte ergänzt sie unten als Kommentar!

Auswirkungen auf Selbstständige

Mit der Beschreibung der Auswirkungen auf Selbststädige im Folgenden wollen wir keine Wertung vornehmen.

Im Rahmen einer Bürgerversicherung würden wahrscheinlich die Mindestbeiträge zur Krankenversicherung deutlich abgesenkt. Insofern befürworten viele gesetzlich versicherte Selbstständige mit niedrigem Einkommen oder in Teilzeit die Bürgerversicherung i.e.S.

Gesetzlich versicherte Selbstständige zahlen - im Gegensatz zu Angestellten - schon jetzt Krankenversicherungsbeiträge auf alle Einkommensarten und würden sich wahrscheinlich über eine Gleichbehandlung freuen.

Für bisher privat versicherte Selbstständige mit mittlerem und höherem Einkommen bedeutet die Einführung einer solchen Bürgerversicherung dagegen eine finanzielle Mehrbelastung bei wahrscheinlich gleichzeitiger Einschränkung des Leistungskatalogs (s.o.).

Für privat versicherte Selbstständige mit relativ hohen Beiträgen könnte die Einführung einer Bürgerversicherung die Chance bedeuten, wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren. Allerdings hängt es hier von den Details der Ausgestaltung ab, ob sie wirklich profitieren.

Fazit

Das Konzept der Bürgerversicherung erinnert ein wenig an das des bedingungslosen Grundeinkommens: Die Verfechter glauben mit seiner Einführung eine Vielzahl von Problemen lösen zu können. Zugleich ist eine so umfassende Reform angesichts bestehender und zu erwartender Mehrheitsverhältnisse aber unwahrscheinlich.

Zu erwarten sind viel eher Teilschritte, die auf eine Bürgerversicherung hinführen, aber auch den Raum für andere Optionen (wie etwa die Gesundheitsprämie) offen lassen. Aus unserer Sicht ist es deshalb sinnvoll, sich die ganz konkreten Pläne der Parteien und deren Auswirkungen auf uns Selbstständige anzuschauen, statt eine Diskussion über Konzepte zu führen, die wahrscheinlich nie in Reinform eingeführt werden.

Wir sind gespannt auf Eure Meinung dazu.

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