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Befragt Joel Dullroy über die EU-Freelancer-Kampagne

Joel Dullroy (31) ist VGSD-Mitglied der ersten Stunde. Der gebürtige Australier hat die Berliner Regionalgruppe aufgebaut und sich um die internationale Vernetzung des VGSD verdient gemacht. Mit großem persönlichem Einsatz pflegt er den Kontakt zu ähnlichen Verbänden in Europa, die die Interessen kleiner Unternehmen vertreten und im gemeinsamen Dachverband EFIP ("European Forum of Independent Professionals") organisiert sind.

Joel Dullroy beantwortet Fragen über die EU-Freelancer-Kampagne

Das ist wichtig, denn die meisten neuen Gesetze haben ihren Ursprung in Brüssel. Finanziert insbesondere durch den finanziell gut ausgestatteten britischen Mitgliedsverband verfügt der EFIP sogar über einen eigenen Lobbyisten in Brüssel, der  z.B. die Übergabe unserer Forderungen an die EU-Vertreter unterstützt.

Damit die Anliegen von Selbstständigen auf EU-Ebene Beachtung finden, ist es notwendig, auch auf dieser Ebene die Kampagnenfähigkeit zu demonstrieren, also die Fähigkeit, viele Unterschriften für ein wichtiges Anliegen mobilisieren zu können. Die erste (durchaus anspruchsvolle) Übung hierzu ist die EU-Freelancer-Kampagne für die wir bis Juli/August mindestens 10.000 Mitzeichner gewinnen wollen, darunter möglichst viele aus Deutschland. (Hier kannst Du mitzeichnen.)

VGSD: Für die Freelancer-Kampagne habt Ihr ein Manifest aufgestellt mit fünf Forderungen an EU-Kommission und -Parlament. Welche Forderungen sind das und wie kam es zu genau diesen Punkten?

Joel Dullroy: Die fünf Forderungen des Manifests sind: Erkennt uns Freelancer an - als Gruppe mit eigenen Anliegen und Problemen. Gebt uns gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Aufträgen und Förderungen. Zählt uns in Euren Statistiken - und werft uns nicht in einen großen Topf mit dem Namen "Mittelstand". Gebt uns eine Stimme, indem Ihr unsere Vertreter als Sprecher für unsere Anliegen akzeptiert. Behandelt uns fair - zum Beispiel indem ihr erledigte Aufträge zeitnah bezahlt.

Das waren die konkretesten und im Rahmen der EU am besten umsetzbaren Ziele, die wir identifizieren konnten. Andere Anliegen etwa im Bereich Kranken- und Rentenversicherung sind eher Themen der nationalen Gesetzgebung. Der Einfluß der EU ist begrenzt, aber sie kann trotzdem eine Menge tun, um die Bedingungen von Selbstständigen zu verbessern.

VGSD: Wie kann man die Petition über das Mitzeichnen hinaus unterstützen? Wie lange ist noch Zeit?

Joel: Wir haben eine Website aufgesetzt, um Unterschriften zu sammeln. Bitte zeichnet mit, wenn Ihr es noch nicht getan habt und empfehlt den Link weiter an andere Freelancer: www.freelancers-europe.org. Auch wenn die EU-Parlamentswahlen jetzt abgeschlossen sind, können wir ein starkes Signal an die neuen Parlamentarier senden, indem wir Ihnen nach der konstituierenden Sitzung des Paralements Anfang Juli unsere Forderungen und Unterschriften übergeben. Das wollen wir im Juli oder August tun. Bis dahin haben wir noch Zeit.

VGSD: Wie viele Mitzeichner habt Ihr bisher? Woran hakt es noch?

Joel: Fast 3.000 Selbstständige haben das Manifest bisher unterzeichnet, darunter gut 500 aus Deutschland. Das ist großartig, aber wir haben noch einige Arbeit vor uns. Wir haben ein begrenztes Budget, knappe Ressourcen und wenig Zeit, weil wir alle auch an unseren eigenen Projekten arbeiten müssen. Neben der Unterstützung der Mitgliedsverbände wollen wir auch die der Coworking-Spaces in Europa gewinnen, weil sie helfen können, unsere Botschaft unter ihren Mitgliedern zu verbreiten, die zumeist Freelancer sind.

VGSD: In Berlin gibt es ein ganzes Team von VGSD-Mitgliedern, die bei der Kampagne mitarbeiten. Wer ist das und wie sind Eure weiteren Pläne?

Joel: Ja, wir haben ein großartiges Team von VGSD-Mitgliedern in Berlin, die diese Kampagne realisiert haben. Wir haben eine Strategie entwickelt, eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt, eine Website gebaut und bewerben sie jetzt. Ich bin wirklich beeindruckt, was Freelancer gemeinsam erreichen können!

In unserem Team sind Philip Hentschell vom Welance Coworking Space, der Grafikdesigner Paulo Melo, der Kampagnen-Stratege Rahul Schwenk, die Texterin Bianca Gabbey und viele andere engagierte Selbstständige. Unser Ziel ist, freelancer-europe.org zu einem zentralen Informations- und Koodinationsportal zu machen, das über Freelancer-Aktionen in ganz Europa informiert und deutsche Besucher wiederum auf den VGSD aufmerksam macht.

VGSD: Per Crowdfunding habt Ihr bzw. der Dachverband EFIP gut 5.000 Euro an Spenden für die Kampagne gesammelt. Wie habt Ihr das Geld eingesetzt?

Joel: Wir haben davon bisher nur einen Bruchteil ausgegeben. Alle waren bereit, ohne Bezahlung für die Kampagne zu arbeiten, so haben wir eine Menge Geld gespart. Wir glauben an das gemeinsame Ziel, deshalb haben wir unsere Arbeitszeit eingebracht.

Aktuell haben wir rund 1.000 Euro für den Aufbau der Website, für Onlinewerbung und administrative Kosten ausgegeben. Den Rest wollen wir in die Weiterentwicklung der Website und künftige Aktionen investieren, die uns in Bezug auf unsere Anliegen voran bringen.

VGSD: Du hast von Anfang an den VGSD und davor schon die Petition gegen die Rentenversicherungspflicht leidenschaftlich unterstützt. Vor kurzem hast Du sogar ein Buch über die Notwendigkeit einer Freelancer-Bewegung geschrieben (kostenloser Download). Was treibt Dich an?

Joel: Ich bin besorgt um das Wohl der Selbstständigen. Wir sind ein großer und zunehmender Teil der Erwerbstätigen, aber uns bleiben viele Vorteile und Vergünstigungen Angestellter vorenthalten. Das gibt uns Freiheit, aber hat auch negative Konsequenzen. Ich möchte verhindern, dass die Nachteile der Selbstständigkeit irgendwann die Vorteile überwiegen. Mich treibt letztlich der Glaube daran, dass es möglich ist, gemeinsam eine bessere, gerechtere Gesellschaft zu erreichen.

VGSD: Angesichts der vielen internationalen Aktivitäten hast Du in letzter Zeit nur wenige Regionaltreffen in Berlin veranstaltet? Wie geht es da weiter?

Joel: Durch all diese Aktivitäten hatte ich keine Zeit mehr, regelmäßig VGSD-Events zu organisieren. Außerdem ist mein Deutsch nicht gut genug, um mit allen unserer deutschen Mitglieder effektiv zu kommunizieren. Wenn irgendjemand aus Berlin und Umgebung mithelfen möchte, Events zu organisieren und unsere Regionalgruppe weiter auszubauen, so meldet Euch bitte bei mir oder bei Max Hilgarth. Wir brauchen Eure Unterstützung!

VGSD: Vielen Dank für das Interview. Wir stehen alle hinter Deinem Engagement und hoffen, dass wir von deutscher Seite einen deutlichen Beitrag leisten können, damit die Anliegen der Freelancer und kleinen Selbstständigen bei der EU mehr Gewicht bekommen.

Die Fragen stellte Andreas Lutz für den VGSD.

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