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BMWi-Eckpunktepapier „Neue Gründerzeit“ Kleine Gründer kommen nicht vor

Eigentlich wollte Wirtschaftsminister Gabriel sein Eckpunktepapier gestern auf Schloss Meseberg vorstellen, aufgrund der Flüchtlingskrise musste man aber auf den Ausflug nach Brandenburg verzichten und veröffentlichte Details zu der schon vor längerem angekündigten „Neuen Gründerzeit“ im Anschluss an eine reguläre Sitzung des Bundeskabinetts.

Das Papier beginnt mit diesen Sätzen: „Deutschland braucht eine neue Gründerzeit. Wir brauchen junge innovative Unternehmen, damit Deutschland seine ökonomischen Chancen im Zuge der Digitalisierung nutzen kann.“ Im weiteren Verlauf heißt es dann: „Zur Verbesserung der Gründungsdynamik in Deutschland bedarf es einer neuen Kultur der Selbstständigkeit und des Unternehmertums. Hierfür müssen bereits früh die Weichen gestellt werden. Jungen Menschen muss stärker als bislang ermöglicht werden, sich mit unternehmerischem Denken und Handeln auseinanderzusetzen sowie Kreativität und Unternehmergeist zu entwickeln. Daher unterstützt die Bundesregierung den Ausbau der Gründerausbildung und den Schritt in die Selbstständigkeit durch gezielte Maßnahmen. (...) Auch ist es erforderlich, das Leitbild des Unternehmertums weiter zu stärken. Hierzu bedarf es einer Änderung der gesellschaftlichen Werte und Normen, die sich nur sehr langsam im Zeitablauf vollziehen können.“

Zuschüsse für Wagniskapitalgeber werden ausgebaut

Angesichts solcher Worte vielleicht überraschend: Im Kern geht es in dem Papier um eine Verbesserung der Bedingungen für Wagniskapitalgeber. Das von Gabriels Vorgänger Philipp Rösler kurz vor seiner Abwahl eingeführte [„Rösler schenkt“] INVEST-Zuschussprogramm wird nächstes Jahr massiv ausgebaut: Geldgeber von Startups erhalten künftig auf Investitionen von bis zu 500.000 Euro (bisher: 250.000 Euro) einen Zuschuss von 20 Prozent, also ein Geschenkt von bis zu 100.000 Euro pro Beteiligung. Auch Steuern auf Veräußerungsgewinne werden offenbar erstattet. Ein lohnendes Geschäft, vor allem, wenn die Beteiligung nur auf dem Papier mit einem hohen Risiko verbunden ist.

Schon bei Einführung des Programms vor zwei Jahren haben wir uns gefragt, warum Subventionen bei Gründungen aus der Arbeitslosigkeit und kleinen Unternehmen etwas Schlechtes sind, bei privaten Investoren aber notwendig.

Es wurden aber noch viele weitere Maßnahmen beschlossen, hier nur einige Beispiele: Noch in diesem Jahr wird ein 500 Millionen Euro starker ERP/EIP-Wachstumsfonds auf den Markt gehen. Fest eingeplant ist auch die Aufstockung des ERP/EIF-Venture-Capital-Dachfonds auf 1,7 Milliarden Euro, die KfW ist mit einem Budget von 400 Millionen Euro als Ankerinvestor für Fonds in den Markt zurückgekehrt.

Gründungsförderungen weiter gekürzt

Wir freuen uns für die Startup-Investoren, würden uns aber angesichts dieser Zahlen wünschen, dass das Wirtschaftsministerium nicht zeitgleich zum Jahresende die BAFA-Schulungsförderung einstellt, die 2014 weniger als 3,5 Millionen Euro kostete und mit der 3.778 Seminare mit 34.470 teilnehmenden Gründern und Selbstständigen finanziert wurden (Statistik). Am Geld kann es doch nicht liegen, oder?

Während die KfW als Ankerinvestor bei neuen Fonds ins Risiko gehen darf, muss sie das seit 2006 bewährte „Gründercoaching Deutschland“ beenden. Zehntausende Kleingründer wurden im Rahmen dieses Programms in die Selbstständigkeit begleitet.

Der in Auslauf befindliche „Mikrokreditfonds Deutschland“ wurde wie viele andere Programme auch mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) aufgebaut. Der Abbau von Gründungsförderung wird mit gelegentlich mit Kürzungen des ESF begründet. Hier würde man sich wünschen, dass das Ministerium ebenso hart verhandelt, wie wenn es um Ausnahmeregelungen für Startup-Investoren geht: „Die Bundesregierung wird vor Inkrafttreten einer möglichen gesetzlichen Regelung sicherstellen, dass die Ausnahmen für innovative Unternehmen aus Sicht der Europäischen Kommission europarechtlich zulässig sind.“

Kleine Gründer werden nicht erwähnt

Obwohl in dem Eckpunktepapier jede auch nur entfernt mit Gründungsgeschehen verbundene Maßnahme vom Initiativkreis „Unternehmergeist in die Schulen“ bis hin zum „Meister-BAföG“ aufgelistet wird, fehlt in dem Papier jeder Hinweis auf die ganz normalen Gründer, die „kleinen“ Selbstständigen und Freiberufler, die doch den Großteil des Gründungsgeschehens in Deutschland ausmachen.

Damit wir nicht falsch verstanden werden: Bessere Wachstums-Bedingungen für Startups in Deutschland sind wichtig und die Entwicklung des Wagniskapitalmarkts spielt dabei eine große Rolle. Er macht in Deutschland nur 0,02 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. In den USA sind es zehn mal, in Israel sogar 20 mal so viel. Entsprechend folgt auf das Silicon Valley im Ranking der weltweit führenden Hightech-Cluster Tel Aviv auf dem 2. Platz– und erst an 15. Stelle Berlin.

Das Problem ist, dass die einseitige Bevorzugung von Startups wirtschaftlich und sozial unausgewogen ist und das Ausrufen einer „Neuen Gründerzeit“ vor dem Hintergrund des Kahlschlags bei der Gründungsförderung in den letzten Jahren wie eine Verhöhnung wirken muss.

Herr Gabriel, wer außerhalb eines Startups oder einer Universität gründet, ist kein Gründer dritter Klasse. Zur Erinnerung: Steve Jobs, Bill Gates und viele andere im Silicon Valley waren Studienabbrecher. Eine neue Gründerzeit erreichen wir auch nicht dadurch, dass man Gründungswilligen bei der Beantragung des Gründungszuschusses die Selbstständigkeit ausredet und sie von einer wichtigen Lebensentscheidung abbringt, nur um Geld zu sparen und sie als Fachkräfte in eine Anstellung zu vermitteln. Bitte denken Sie um und setzen Sie ein Programm auf, das den Namen „Neue Gründerzeit“ auch wirklich verdient.

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