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Petition zum Thema Scheinselbstständigkeit an Staatssekretärin Fahimi übergeben

Am 4. Mai 2016 haben Hendrik Schäfer und ich (Andreas Lutz) von der VGSD-Arbeitsgruppe Scheinselbstständigkeit die Petition „Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber“ an BMAS-Staatssekretärin Yasmin Fahimi übergeben. (Mehr über Yasmin Fahimi am Ende diesen Beitrags.)

Andreas Lutz mit Petition im Arbeitsministerium

21.833 Mitzeichner hatten die Petition zu diesem Zeitpunkt unterzeichnet (inzwischen sind es mehr als 22.000, eine Mitzeichnung ist weiter möglich).

Übergeben haben wir einen Ausdruck des Petitionstextes mit unseren Forderungen, unser Positionspapier sowie einen 475 Seiten umfassender Ausdruck mit den Namen der Mitzeicher. 8.300 (38%) davon wollten anonym bleiben, so dass wir hier nur Vorname und Postleitzahl angaben. Wir achteten dabei darauf, dass keine Rückschlüsse auf die Person dieser Mitzeichner möglich ist.

Yasmin Fahimi nahm also einen dicken Stoß Ausdrucke entgegen, der die große Zahl der Mitzeichner physisch greifbar machen sollte. (Die Übergabe wurde von einem Fotografen des Ministeriums aufgenommen, die Staatssekretärin hat sich jedoch gegen eine Veröffentlichung des Fotos entschieden.)

Intensives Gespräch mit Staatssekretärin Fahimi

Yasmin Fahimi, Staatssekretärin im BMAS)

Anschließend hatten Hendrik und ich Gelegenheit, Frau Fahimi das Anliegen der Petition zu erläutern und unsere Forderungen zu begründen. Uns war es wichtig, der Staatssekretärin zu verdeutlichen, dass Regelungen und Verwaltungspraktiken, die eigentlich dem Schutz von Soloselbstständigen dienen sollen, uns stattdessen massiv schaden, weil Auftraggeber keine ausreichende Rechtssicherheit mehr haben.

Bezüglich des geplanten Werkvertragsgesetzes brachten wir unsere Erleichterung zum Ausdruck, dass es nicht in der zunächst geplanten Form (mit Negativkriterien-Katalog und Vermutungsregelung) ins Kabinett kommt. Wir sagten aber auch deutlich, dass das Problem der Rechtsunsicherheit unabhängig von diesen Gesetzesänderungen fortbesteht und eine Änderung der Verwaltungspraxis der Deutschen Rentenversicherung nötig ist.

Frau Fahimi fragte uns nach Alternativen zu dem zunächst geplanten Kriterienkatalog, so dass wir Gelegenheit hatten, auf die in unserer Arbeitsgruppe und im Rahmen einer UserVoice-Abstimmung erarbeiteten Positivkriterien einzugehen.

Missbrauch bekämpfen ja, aber zielgenau

Die Staatssekretärin verwies auf den bestehenden Missbrauch im Bereich der fleischverarbeitenden Industrie, den es vorrangig zu bekämpfen gälte. Wir antworteten dass wir genau wie sie für eine entschlossene Bekämpfung solchen Missbrauchs sind, dass diese aber zielgenau erfolgen müsse und nicht die Existenz anderer, bisher fair bezahlter Selbstständiger gefährden dürfe.

Frau Fahimi wies auf die große Zahl der von Missbrauch Betroffener hin. Wir fragten nach Studien und genaueren Zahlen, sagten aber auch, dass wir unabhängig von der genauen Zahl eine entschlossene Bekämpfung von Missbrauch befürworten würden.

Wir zitierten dann aus unserer, gemeinsam mit Deskmag erstellten Studie (mit mehr als 3.500 Teilnehmern) aus der hervorging, dass 54% der Befragten aufgrund der Rechtsunsicherheit in der Vergangenheit bereits erhebliche Nachteile hatten und 21% Aufträge aufgrund der Rechtsunsicherheit nicht erhalten hatten.

Auf den Einwand der Staatssekretärin, wir hätten „nur unsere eigenen Leute“ befragt, konnten wir darauf verweisen, dass wir die Studie gemeinsam mit der Coworking-Website Deskmag beworben haben und dabei zudem von einer ganzen Reihe von Branchenverbänden unterstützt wurden – anders wäre eine so große Teilnehmerzahl nicht möglich gewesen.

Fallbeispiele von Betroffenen

Hendrik Schäfer macht sich vor dem Gespräch Notizen. Zusammen mit Andy Bosch und Andreas Lutz ist Hendrik Sprecher der VGSD-Arbeitsgruppe Scheinselbstständigkeit

Anhand von Fallbeispielen konnten wir anschaulich machen, was hinter den Zahlen der Studien steht. Wir hatten den Eindruck, dass diese Beispiele bei der Staatssekretärin und ihrer Referentin Betroffenheit auslösten. Auch Hendrik berichtete aus eigener Erfahrung über die Konsequenzen der Rechtsunsicherheit in der IT-Branche.

Das Gespräch endete mit dem Konsens darüber, dass es Missbrauch gibt, aber auch erhebliche Kollateralschäden bei der Bekämpfung des Missbrauchs. Die Staatssekretärin sagte uns unaufgefordert zu, den in der Petition beschriebenen Sachverhalt prüfen zu lassen und uns über die Ergebnisse zu informieren. Sie bat jedoch um Verständnis dafür, dass sie keine konkreten Zusagen machen könne.

Die Petition hat sich schon jetzt gelohnt

Wir freuen uns, dass wir die Petition auf Ebene der Staatssekretärin, also nur eine Hierarchiestufe unterhalb der Ministerin übergeben durften und sich Frau Fahimi Zeit für ein ausführliches Gespräch mit uns genommen hat. Nachdem wir das von ihr mitgetragene Werkvertragsgesetz massiv bekämpft hatten, war dies für uns nicht selbstverständlich.

Natürlich würden wir uns wünschen, dass die Prüfung des Anliegens unserer Petition zu konkreten politischen Maßnahmen führt und wir werden hier auch immer wieder nachhaken und nicht locker lassen.

Unabhängig davon hat die Petition schon jetzt sehr viel bewirkt: Sie hat uns zu einer intensiven Vernetzung mit betroffenen Selbstständigen und mit anderen Verbänden geführt, zu wirkungsvollen gemeinsamen Aktionen und dazu, dass der VGSD als Interessenvertreter der „kleinen Selbstständigen“ anerkannt und akzeptiert wird.

Das zeigte sich auch darin, dass ich (Andreas Lutz) am selben Tag zu einem Workshop des BMAS zum Thema „Soziale Sicherung“ bzw. „Altersvorsorgepflicht für Selbstständige“ eingeladen war (Bericht folgt). Bei diesem Workshop kam ich mit zahlreichen Ministerialbeamten ins Gespräch und wurde mehrfach gefragt, ob es mit der Übergabe der Petition geklappt habe. Ich hatte den Eindruck, dass unsere Petition in mehreren Abteilungen des Ministeriums Gesprächsstoff war und sich dort Mitarbeiter mit dem Thema befasst haben.

Fazit: Die Übergabe der Petition ist ein wichtiger Meilenstein für uns. Wir dürfen aber nicht müde werden, die Politiker auf das weiterhin bestehende Problem der Rechtsunsicherheit aufmerksam zu machen. Eine Chance dafür bietet ganz aktuell die Briefaktion „Expertenarbeit stärken“: Jetzt mitmachen!

Über Yasmin Fahimi

Yasmin Fahimi ist 1967 in Hannover geboren. Viele kennen sie als SPD-Generalsekretärin. Diese Aufgabe trat sie als Nachfolgerin von Andrea Nahles an. Seit 1.1.2016 ist sie beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Fahimi ist Tochter einer deutschen Sozialpädagogin und eines iranischen Chemikers, der jedoch noch vor ihrer Geburt bei einem Autounfall starb. Die Diplom-Chemikerin wurde nach dem Studium wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Arbeit und Umwelt der Indudstriegewerkschaft BCE (Bergbau, Chemie, Energie). Dort machte sie eine Ausbildung zur Gewerkschaftssekretärin und wurde Abteilungsleiterin für „Grundsatz und Organisationsentwicklung“. Lebensgefährte von Fahimi ist der IG BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis. (Quelle: Wikipedia)

Die IG BCE gilt in ihren Positionen als relativ pragmatische und „gemäßigte“ Spartengewerkschaft.

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