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„Das Statusfeststellungsverfahren in der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ - ein Vortrag von Bundessozialrichter Andreas Heinz

Der 12. Senat des BSG ist u.a. zuständig für das Thema Scheinselbständigkeit. Der Senat wurde seit 2016 neu besetzt und hat dabei eine Schwerpunktverschiebung erlebt. Wichtigstes Anliegen des Senats ist es, Rechtssicherheit herzustellen. Im Gegensatz zu früher steht der Senat auf dem Standpunkt, dass die DRV die Richtigkeit ihrer Feststellung nachweisen muss. Der Senat sieht mit Besorgnis die hohe Quote der Ablehnungen von DRV-Bescheiden aus Statusfeststellungsverfahren durch die Sozialgerichtsbarkeit (36 Prozent im Jahr 2017). Andreas Heinz gehört dem Senat seit 2016 an.

Das Bundessozialgericht in Kassel

Heinz erläutert zunächst eine Reihe von Verfahrensänderungen beim Statusfeststellungsverfahren. Anschließend wirft er einen prüfenden Blick auf den neuen § 611 a BGB, der mit den Arbeitsmarktgesetzen vom 1.4.2017 eingeführt wurde. Aus Sicht des BSG stellt er keine Änderung der bisherigen Rechtsprechung dar. Dann wird es interessant: Andreas Heinz erläutert BSG-Urteile der jüngeren Zeit, in denen es um die Frage „Selbständig oder abhängig Beschäftigt?“ geht.

Aktuelle Entscheidungen zur Scheinselbständigkeit

Bundessozialrichter Andreas Heinz und Anke Voss (Präsidentin des Bundesverbands der Rentenberater e.V.)

Der Bundesrichter beginnt mit dem Fall eines Chorsängers (Urteil vom 14.3.2018), der kurzfristig für einen erkrankten Sänger einsprang und zwei Vorstellungen übernahm.Der Bescheid der DRV auf abhängige Beschäftigung wurde vom BSG aufgehoben. Der Abgrenzungskatalog der DRV für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunkt- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen sei nur eine Hilfe zur Beurteilung, aber nicht bindend. Die Notwendigkeit des Zusammenwirkens im Ensemble genüge nicht, um auf abhängige Beschäftigung zu entscheiden. Die künstlerisch-gestaltenden Fähigkeiten seien zu berücksichtigen. Bei dieser Berufsgruppe läge die zeitliche, örtliche und künstlerische Eingebundenheit in der Natur der Sache. Sie allein sei kein Argument für weisungsgebundenes Arbeiten. Diese Entscheidung stieß bei den Vertretern der DRV auf großes Unverständnis.

Weiter ging es mit einem Musikschullehrer (Urteil vom 14.3.2018) einer kommunalen Musikschule, in der angestellte Lehrer und Honorarkräfte unterrichten. Ein Gitarrenlehrer, der 12 Stunden pro Woche unterrichtete, ist selbständig, auch wenn er den Lehrplan beachten muss. Ausschlaggebend ist hier, dass beide Formen der Beschäftigung möglich und erlaubt sind und man sich vertraglich eindeutig auf die Honorarkraftlösung vereinbart hatte. Hier gilt der Wille der Beteiligten.

Im nächsten Fall ging es um die ehrenamtliche Tätigkeit eines Kreishandwerksmeisters (Urteil vom 16.8.2018). Hier entschied das BSG, dass das Ehrenamt grundsätzlich beitragsfrei sei. Andreas Heinz erwähnte, dass es hier eine geänderte Auffassung des BSG zu früheren Urteilen gäbe. Früher hätte der BSG die ehrenamtliche Tätigkeit und die Verwaltungstätig getrennt betrachtet und die Verwaltungstätigkeit als abhängige Beschäftigung gesehen (zudem es noch eine jährliche Aufwandsentschädigung von 6800 Euro gab). Nun wird anerkannt, dass die Verwaltungstätigkeit zwingend zum Ehrenamt des Kreishandwerksmeisters dazugehöre und nicht von einer dritten Person ausgeführt werden könne.

Der Fall des Erziehungsbeistand (Urteil vom 31.3.2017) ist bekannt geworden, weil das BSG hier die Honorarhöhe als wichtiges (aber nicht alleiniges) Kriterium eingeführt hat. Der Erziehungsbeistand erhielt für seine Tätigkeit ein deutlich höheres Honorar als vergleichbare Beschäftigte und hat damit die Möglichkeit zur Eigenvorsorge. Die DRV sah hier eine weisungsgebundene Tätigkeit, da der Erziehungsbeistand einen Notfallplan zu beachten hatte. Nach Auffassung des BSG müssen Weisungen von „die vertraglichen Pflichten konkretisierenden Regelungen“ unterscheiden werden.

Das BSG mußte sich erneut mit der Sozialversicherungspflicht von GmbH-und UG-Geschäftsführer (Urteile vom 14.3.2018) befassen. Das Dauerbrennerthema wurde vom BSG noch einmal klargestellt. Demnach zähle ausschließlich der Gesellschaftervertrag. Nur wer als Gesellschafter 50 % oder mehr der Anteile am Stammkapital hält, oder eine echte Sperrminorität habe, ist nicht sozialversicherungspflichtig.

Ausblick

Schließlich gab Andreas Heinz uns einen Ausblick auf die kommenden Fälle im 12. Senat des BSG:

Im Jacob-Grimm-Saal verkündet das Bundessozialgericht seine Urteile
  • Abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit bei Honorar-/Konsiliarärzten. Diese Entscheidung steht in den nächsten Wochen an. Noch werden Fälle gesammelt. Die Problemstellung sei vielschichtig, da hier auch die Rolle der Vermittlungsagenturen und ihrer starken Marktdurchdringung berücksichtigt werden müsse.
  • Abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit bei Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen?
  • Zu den Anforderungen an eine „unverschuldete“ Unkenntnis des Beitragsschuldners (Aufraggebers) von seiner Zahlungspflicht im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV (Säumniszuschläge).

Meine Frage, ob demnächst auch Entscheidungen bezüglich der IT-Branche anstünden, wurde von Heinz verneint. Dem Senat ist die "Unruhe" in der Branche bekannt. Im Frühjahr hätte auch ein entsprechender Fall zur Verhandlung angestanden. Dieser mußte jedoch an das sächische Landessozialgericht zurücküberwiesen werden, da es an ausreichenden Revisonsgründen fehlte. Heinz meinte aber, dass die Sachlage bei den Honorarärzten sehr ähnlich sei und wir das kommende Urteil aufmerksam lesen sollten.

Ich möchte mich ganz herzlich bei Anke Voss, der Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater e.V., dafür bedanken, dass sie uns zu diesem wichtigen Vortrag eingeladen hat.

Text: Joachim Groth, IT-Projektgenossenschaft

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