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Jetzt Mitschnitt verfügbar Kontroverse Diskussion zu IHK-Reform bei Fachgespräch der Grünen

(Update vom 22.02.21) Der Mitschnitt des YouTube-Livestreams des Grünen-Fachgesprächs zur geplanten IHK-Reform ist jetzt verfügbar. 

Hier unser Bericht:

In der Haut von Axel Rickert, Referatsleiter Kammerrecht des IHK-Dachverbands DIHK hätten wir nicht stecken wollen: Bei dem Fachgespräch der Grünen am Dienstag zum Thema "Mit der aktuellen Gesetzesnovelle das Kammersystem zukunftsfähig machen!" brachten die Kammerkritiker Annett Nack-Warenycia und Kai Boeddinghaus eine Vielzahl von Argumenten vor, nicht zuletzt hatten Mitglieder des von Boeddinghaus geleiteten Bundesverbands für freie Kammern e.V. (bffk) immer wieder erfolgreich gegen Rechtsverletzungen von Industrie- und Handelskammern sowie den DIHK geklagt, unter anderem hatten sie mehrere IHKs gezwungen, aus dem DIHK auszutreten, weil dieser wiederholt seine Kompetenzen überschritten und sich nicht repräsentativ im Gesamtinteresse der Wirtschaft geäußert hatte.

Fachgespräch der Grünen zur IHK-Reform: Screenshot des Livestreams

Hier der Mitschnitt des Livestreams. Leider startete die Übertragung und damit auch der Mitschnitt aufgrund eines technischen Fehlers mit etwa 15 Minuten Verzögerung.

"Kammerreformer tauchen in der Gesetzesänderung gar nicht auf"

Ministerialrat Joachim Garrecht (BMWi) musste sich vorhalten lassen, dass das Bundeswirtschaftsministerium nun kurz vor der Bundestagswahl eine DIHK-Reform durchsetzen möchte, die den DIHK rettet, indem sie ihn in eine "Bundeskammer", eine Organisation öffentlichen Rechts umwandelt, mit einer Pflichtmitgliedschaft für die einzelnen IHKs. Damit würden verkrustete Strukturen bewahrt ohne die Baustellen anzugehen, über die nun seit Jahren diskutiert wurde wie der nicht ausreichende Minderheitenschutz in den Selbstverwaltungsorganen, die Sicherstellung von mehr Transparenz (z.B. Veröffentlichungspflicht von Entscheidungen) und das Machtgefälle zwischen Haupt- und Ehrenamt.

Nack-Warenycia, die in der Handelskammer Hamburg von 2017-2020 Ausschuss- und Kommissionsvorsitzende war und für die Kammer im zuständigen Ausschuss eine neue Satzung erarbeitet hatte, verlangte in einem emotionalen Statement mehr Respekt des Hauptamts vor den ehrenamtlich tätigen Mitgliedsunternehmen. Ihr Satzungsentwurf sei – wie Boeddinghaus dann erklärte – von den Hauptamtlern bis zum Ende ihrer Amtszeit in eine Schublade gelegt worden. Danach hatte sich diese Reform erledigt.

Boeddinghaus sinngemäß: Wir als Kammerreformer tauchen in der Gesetzesänderung gar nicht auf. Wogegen wir erfolgreich Prozesse geführt haben, wird jetzt geflickt zugunsten des Status quo!

Gibt es keinen Qualitätsstandard für Interessenvertretung bzw. Selbstverwaltung?

Auf seine Forderung nach einem  "Qualitätsstandard Interessenvertretung" reagierte DIHK-Mann Rickert mit der Aussage, dass es einen solchen sehr wohl gebe und dieser von den Industrie- und Handelskammern beachtet würde. Boeddinghaus dazu sinngemäß: Den hat mir noch keiner vorlegen können. Schicken Sie mir den bitte!

Ein Hauptkritikpunkt der Kammergegner: Die Existenzberechtigung der Kammern beruhe maßgeblich darauf, dass sie eine Selbstverwaltungsorganisation seine und das Gesamtinteresse der Wirtschaft abbildeten. Die Wahlbeteiligung bei IHK-Wahlen läge aber nur bei neun bis zwölf Prozent. Die Kammern müssten deshalb ihre Mitglieder für die Kammern begeistern, unter anderem durch wirksame Beteiligungsmöglichkeiten. Es sei eine innere Legitimation nötig, die jeden Tag neu erarbeitet werden müsste. Damit vertrage sich nicht, wenn Mitwirkungs- und Minderheitsrechte in der Selbstverwaltung nicht ausreichend schriftlich fixiert seien, sondern Gegenstand von Willkür und Gnade.

Viele inhaltlich mit IHK-Arbeit zufrieden, aber Wunsch nach mehr Transparenz

Die Grünen als Veranstalter bezogen die Teilnehmer in die Veranstaltung mit ein. Auf die Frage nach der Zufriedenheit mit der (inhaltlichen) Arbeit der Kammern sagte eine deutliche Mehrheit 58 Prozent, dass sie diese eher positiv sehen würden, 17 Prozent sahen sie negativ.

Auf die zweite Frage, was eine gute IHK ausmache, gab es sehr viele Antworten, die in einer Wortwolke visualisiert wurde. Ausgerechnet der meistgenannte Begriff "Interessenvertretung" ist durchaus strittig. Denn die Interessenvertretung muss im Gesamtinteresse der Wirtschaft erfolgen, was ja wiederum eine wirksame Einbindung der Mitglieder, auch auf digitalem Weg bedeutet, womit aber manche Kammern sich noch schwertun.

Außerdem haben die Kammern oft gar nicht das Recht, Interessen zu vertreten, denn das ist die Kernaufgabe von Berufsverbänden und im Bereich der Lohn- und Sozialpolitik auch von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

Wie stehen die Grünen zur IHK-Reform?

Nachdem sich die Grünen und MdB Claudia Müller aus dem Streit betont herausgehalten hatte, wurde die von uns gestellte Frage "Was ist die Position der Grünen zu der IHK-Reform?" von den anderen Teilnehmern "hochgevotet". Müller nahm dazu am Ende der Videokonferenz Stellung: Den Grünen ginge es um Demokratie und Transparenz in den Kammern. Ihr Positionspapier "Kammern der Zukunft - Für ein modernes und transparentes Kammerwesen" von 2011 zu diesem Thema sei zwar schon zehn Jahre alt, aber immer noch gültig. Wichtig sei den Grünen u.a. eine stärkere Repräsentation der Anliegen von Kleinstunternehmen in den Kammern.

Zum aktuellen Gesetz sei die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, es solle dazu auch noch eine Anhörung geben. Sie würden das Thema auch in der nächsten Legislaturperiode weiter begleiten, nicht nur in Bezug auf IHKs, sondern auch bei anderen Kammern seien Minderheitsrechte, Diversität und mehr Möglichkeiten, sich aktiv einzubringen, ein wichtiges Anliegen. Die Mitglieder sollten erkenne, dass es sich um Einrichtungen handelt, die jedem nützten.

IHK-Dachverband DIHK soll durch Umwandlung gerettet werden – interessantes Fachgespräch der Grünen

 

(Beitrag vom 22.02.21) MdB Claudia Müller (Grüne) organisiert am Dienstag, den 9. März von 16-17 Uhr ein interessantes Fachgespräch in Form einer Videokonferenz unter dem Titel: "Mit der aktuellen Gesetzesnovelle das Kammersystem zukunftsfähig machen!"

Der VGSD ist dieses Mal nicht beteiligt, trotzdem dürfte die Videokonferenz viele  Mitglieder und Selbstständige interessieren.

Der Hintergrund: Im Oktober 2020 entschied das Bundesverwaltungsgericht nach 13-jährigem Rechtsstreit, dass IHKs aus ihrem Dachverband, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) e.V. austreten müssen, wenn Mitgliedunternehmen dies einklagen. Denn der DIHK e.V. hatte seine Kompetenzen wiederholt überschritten und sich nicht repräsentativ geäußert. Der Bestand des Dachverbands in seiner heutigen Form ist damit infrage gestellt.

Bundesregierung plant Umwandlung in "Bundeskammer"

Aktuell plant die Bundesregierung deshalb, den DIHK e.V. in eine "Bundeskammer" umzuwandeln. Laut Gesetzentwurf sollen dessen Kompetenzen nicht erweitert werden, jedoch befürchten viele Verbände genau dies.

Das ist der Anlass für das Fachgespräch, bei dem es darum gehen soll, "wie Kammern transparenter und demokratischer werden können und welche gesetzlichen Maßnahmen dafür erforderlich sind".

Die Teilnehmer: Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern ist Deutschlands bekanntester Kammerkritiker. Ein Mitglied seines Verbands hat durch seine Klage die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeigeführt.  Annett Nack-Warenycia hat sich in Hamburg als Kammerrebellin einen Namen gemacht. Axel Rickert vom DIHK vertritt die Gegenseite. Spannend wird sein, wie Ministerialrat Joachim Garrecht vom Bundeswirtschaftsministerium sich zwischen diesen Fronten positioniert.

Die Teilnahme ist kostenlos.

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