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Altersvorsorgepflicht für Selbstständige Hubertus Heil kündigt Gesetz für Ende dieses Jahres an / VGSD für Tagesschau befragt

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat heute in der Rheinischen Post angekündigt, dass er gegen Ende dieses Jahres einen „Gesetzesentwurf zur Einbeziehung der Selbstständigen in das System der Alterssicherung“ vorlegen werde und dabei Andeutungen zu seinen Plänen gemacht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil

SPIEGEL online hat dies in einem Bericht aufgegriffen und heute Abend wird auch die Tagesschau darüber berichten: Sie hat dazu Minister Heil, Peter Weiß (CDU), Johannes Vogel (FDP) und Andreas Lutz vom VGSD interviewt. Das ARD-Team war dazu heute Nachmittag im neu renovierten VGSD-Büro in München.

Heil unterstellt drei Millionen nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen, sie würden allesamt nicht für ihr Alter vorsorgen

Hubertus Heil hat der Rheinischen Post gegenüber gesagt: „Wir haben drei Millionen Selbstständige in Deutschland, die im Alter nicht abgesichert sind.“ – Schon diese Aussage ist ein Ärgernis für uns, denn er unterstellt damit, dass die drei Millionen Selbstständigen, die bisher nicht Pflichtmitglied in der Deutschen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk sind, überhaupt nicht für ihr Alter vorsorgen. Dabei haben Studie wie die des DIW oder von Allensbach gezeigt, dass die meisten dieser Selbstständigen sehr wohl für ihr Alter vorsorgen – nur eben privat, so wie dies seit vielen Jahrzehnten üblich war.

SPIEGEL online übernimmt die den Tatsachen widersprechende Behauptung des Ministers ohne eine Sekunde nachzudenken und titelt: „Heil will Selbstständige zu Altersvorsorge verpflichten - Rund drei Millionen Selbstständige haben keine Vorsorge fürs Alter“.

Nicht nur Soloselbstständige sollen Versicherungspflicht unterliegen

Zum anderen macht die Zahl von drei Millionen deutlich, dass er die Rentenversicherungspflicht keineswegs nur für Soloselbstständige einführen mächte, sondern auch für Selbstständige mit Arbeitnehmern. Aktuell gibt es ca. 4,3 Millionen Selbstständige in Deutschland, davon 2,3 Millionen Solo-Selbstständige. Offenbar kalkuliert das Ministerium mit 1,3 Millionen, die schon jetzt Pflichtmitglieder bei Rentenversicherung, Versorgungswerk etc. sind.

Offenbar soll nur Rüruprente als Opt-out zugelassen werden

Auch auf die zulässigen Anlageformen lassen seine Äußerungen Rückschlüsse zu: „Die Selbstständigen müssen Mitglied in einem Versorgungswerk sein, wie beispielsweise Ärzte und Anwälte, durch die Rürup-Rente abgesichert sein oder eben in die gesetzliche Rentenversicherung eintreten.“ – Aus diesem Satz könnte man schließen, dass Versorgungswerke sich auch für andere Selbstständige öffnen würden. So dürfte er aber nicht gemeint sein.

Vielmehr sollen den nicht-kammerpflichtigen Selbstständigen offenbar nur die Deutsche Rentenversicherung oder die Rüruprente als Auswahlmöglichkeit zur Verfügung stehen. Die Beliebtheit von Riester- und Rüruprente hält sich aber in Grenzen und gerade für Selbstständige mit niedrigem Einkommen, die nicht von den mit ihr verbundenen Steuervorteilen profitieren, könnte sie ein schlechtes Geschäft sein.

Die Beiträge der Selbstständigen wird zur Finanzierung der geplanten Grundrente benötigt

Auf die Frage nach der Finanzierung der Altersvorsorge für die Selbstständige, räumt Heil recht freimütig ein, dass es ihm nicht nur um die Absicherung der Selbstständigen geht, sondern vor allem ihr Geld: „Bei den Selbstständigen geht es nicht nur um Absicherung. Durch diese Gruppe kommen auch neue Beitragszahler in das System der Alterssicherung.“

Damit dürfte auch die Frage beantwortet sein, wer die von ihm vor kurzem angekündigte fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr teure Grundrente finanziert, mit der niedrige Renten (z.B. aus Teilzeittätigkeiten oder aufgrund niedrigerer Einkommen in den neuen Bundesländern) aufgewertet werden sollen. Die Grundrente war weithin als Rentenpolitik „mit der Gießkanne“ kritisiert worden.

Heil erweckt den Eindruck, die Selbstständigen würden von der Grundrente profitieren, das ist aber nicht richtig

Heil: „Auch für Selbstständige muss gelten, dass man nach einem Leben harter Arbeit abgesichert ist. Deshalb ist es auch für Selbstständige wichtig, dass wir vorher die Grundrente einführen.“ – Die Selbstständigen sollen also mit ihren Beitragszahlungen die Grundrente finanzieren. Allerdings profitieren die heute Selbstständigen nicht von ihr, denn sie haben in der Regel zu lang privat vorgesorgt, um die für die Grundrente nötigen 35 Jahre in der Grundrente zusammen zu bekommen.

Minister Heil versucht hier den den Eindruck zu erwecken, die Selbstständigen würden von der Regelung profitieren, für die sie zahlen. Das ist eine zweite irreführende Behauptung, die wir ihm nicht durchgehen lassen dürfen.

SPON zitiert auch die Präsidentin des Sozialverband VdK Deutschland, Verena Bentele. Auch sie räumt recht offenherzig ein, worum es bei der Einbeziehung der Selbstständigen wirklich geht; Sie halte „eine solche Verpflichtung für unverzichtbar, um das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu stabilisieren“.

VGSD-Vorstand Andreas Lutz von Tagesschau befragt

Den Tagesschau-Beitrag kannst du dir weiter oben auf dieser Seite anschauen

Für die Tagesschau am heutigen Abend hat das ARD Hauptstadtstudio wie eingangs erwähnt heute Nachmittag um 15 Uhr ein Team ins VGSD-Büro nach München geschickt. Und tatsächlich hat Andreas es  mit einem Statement in die 20-Uhr-Sendung geschafft, die im Schnitt von fast 10 Millionen Menschen gesehen wird.

Daneben waren auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Peter Weiß (CDU) und Johannes Vogel (FDP) zu Wort gekommen. Während Heil implizierte, dass Selbstständige nicht vorsorgten und im Alter der Allgemeinheit zur Last fallen würden, forderte Weiß Rücksicht auf schwankende Einkommen von Selbstständigen und Beitragsfreiheit in den Gründungsjahren. Vogel sagte, die Regelung werde der unternehmerischen Freiheit nicht gerecht.

Positionspapier von 24 Berufsverbänden mitgezeichnet

Bei den Dreharbeiten wurde Andreas auch zu der Forderung befragt, die Altersvorsorgepflicht (AV-Pflicht) solle nur für künftige Selbstständige gelten. Dies ist eine von vier zentralen Forderungen, die der VGSD gemeinsam mit 23 weiteren Berufsverbänden in seinem Positionspapier zur AV-Pflicht gestellt hat. Die Forderungen waren zuvor innerhalb der BAGSV (Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände) über einen längeren Zeitraum diskutiert und mit Experten, u.a. von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) besprochen worden. Wir haben für die Forderungen viel Zustimmung erhalten. Die vier von uns aufgeworfenen Fragen dürften auch die Punkte sein, um die sich die weitere Diskussion drehen wird.

Weitere Forderungen sind, dass

  • übermäßige Belastungen (von in Summe bis zu 60% des Einkommens) verhindert werden,
  • keine überzogenen Anforderungen an Opt-out-Produkte gestellt werden (was ansonsten einer Rentenversicherungspflicht durch die Hintertür gleich käme) und
  • vor der Einführung der AV-Pflicht zunächst Rechtssicherheit in Hinblick auf die Scheinselbstständigkeit herzustellen sei (weil geplant ist, dass die Finanzämter ihre Daten über Selbstständige an die Rentenversicherung meldet, die dann Prüfungen einleiten würde).

Seitens des VGSD haben wir letztes Jahr eine Vielzahl von Gesprächen mit Politikern und Verbänden geführt, um eine breite Allianz für diese Forderungen aufzubauen. Wir gehen davon aus, dass die Altersvorsorgepflicht bis zum Jahresende (neben Rechtssicherheit) aus der Perspektive von Selbstständigen das wichtigste Thema auf der politischen Agenda sein wird.

Beitrag in veränderter Form auch in Tagesthemen zu sehen

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