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Warum bist du selbstständig? - Ulrich Walz, Physiotherapeut "Rückblickend war ich gleich für die ersten 18 Jahre ausgebucht"

Ulrich Walz hatte immer zu tun - seine "mobilen physios" waren immer ausgebucht.

Ulrich Walz ist Physiotherapeut. Bei einem Rundgang im Krankenhaus mit seinem Vater, dem damaligen Verwaltungsdirektor, wurde ihm bereits im Jugendalter klar, dass er einen Beruf im medizinischen Bereich haben möchte.

Nach einer Ausbildung zum Physiotherapeuten, dem Wehrdienst und zwei Jahren Geldsparens hat Ulrich eine eigene Praxis aufgemacht. Diese schloss er nach 20 Jahren und hat 2003 die "mobilen physios" gegründet: Ein Netzwerk von Physiotherapeuten und -therapeutinnen, die bei Krankheitsfällen und Urlaub in Praxen einspringen. Heute erzählt Ulrich seine Geschichte im Rahmen unserer "Warum"-Aktion für Selbstständige.

Mein Name ist Ulrich Walz und meine Geschichte zur Selbstständigkeit beginnt früh: Genauer gesagt zu dem Zeitpunkt, als sich die Frage stellte "Gymi, mittlere Reife, und dann?“

"Die Physiotherapie hat mich am meisten beeindruckt"

Mein Vater leitete ein Krankenhaus und bot mir an, einmal durch alle Abteilungen mit mir zu gehen. Zu dieser Zeit war ich 17 Jahre alt und stand kurz vor der mittleren Reife. So habe ich von der Verwaltung über den Krankenpfleger bis zum Orthopädieschuhmacher alle Bereiche kennengelernt. Bereits damals filterte ich nach: "Da kann ich mich selbstständig machen, da nicht." Warum genau das so war, kann ich nicht sagen. Aber es war tief in mir drin - und es war gut so. Am meisten beeindruckt hat mich bei diesem Rundgang die Physiotherapie und - Zack! - war ich dank guter Beziehungen nach den großen Ferien auf der Therapeutenschule.

Danach ging es zum Bund - und nach der Grundausbildung ins Bundeswehrkrankenhaus Wildbad im Schwarzwald, wo ich als Therapeut arbeiten konnte: ohne Schießen, ohne Nachtmärsche oder Robben im Matsch. Nachdem auch dies  geschafft war, musste ich weitere zwei Jahre überbrücken, bis ich mich mit eigener Praxis 1980 selbstständig machen konnte. Also zwei Jahre sparen und dann mit 23 Jahren als Ehepaar mit meiner damaligen Frau eine eigene Praxis eröffnen. Die lief von Anfang an für ziemlich genau 20 Jahre lang prima - bis nach der Scheidung.

Zwei Jahre Luft geholt im Angestelltenverhältnis

Danach habe ich zwei Jahre "Luft geholt“ als angestellter Therapeut. Es war allerdings einfach nur furchtbar und völlig ungewohnt, nach fremder Pfeife zu tanzen. Mir wurde klar, dass es Zeit wird, sich etwas gänzlich Neues einfallen zu lassen. Etwas mit viel Flexibilität, eigener Freiheit und ohne große Investitionen.

Mit dem Konzept war ich knapp ein Jahr beschäftigt und brachte im Herbst 2003 die "mobilen physios“ zur Welt. Geplant war, in einem mehrstufigen Prozess ein Netzwerk freiberuflicher Therapeutinnen und Therapeuten zu etablieren, die zwar jeder für sich, aber doch zusammen ein flexibles Geflecht für niedergelassene Therapeuten und Therapeutinnen bilden, bei dem sich Praxen "in Not“ freiberufliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu buchen konnten. Bedarf dafür gab es durch Mitarbeitermangel, Krankheit, Urlaub und Fortbildungen genug.

Mehrwert für die Physiotherapeuten und die Zielgruppe durch das Netzwerk

Bei der Zielgruppe, also Physiotherapiepraxen, Reha-Einrichtungen und Krankenhäusern ist das Konzept der "mobilen physios" von Anfang an sehr gut angekommen. Greift es doch genau da, wo Probleme in der Kontinuität der Behandlung auftreten: Bei Urlaub, Fortbildung, Krankheit, Schwangerschaft oder temporärem personellem Engpass. Ein Beispiel dazu: Ein junger Kollege, ein Jahr mit eigener Praxis, erkrankte an einem Hirntumor. Wir haben die Praxis ein ganzes Jahr mit zwei Therapeuten und seiner Mutter an der Rezeption am Leben erhalten, und hätte er es geschafft, wäre er in eine funktionierende Praxis zurückgekehrt. Leider ist er verstorben.

Das zweite Kriterium des Konzeptes war, den Therapeutinnen und Therapeuten - statt Praxis - eine andere Form der Selbstständigkeit zu bieten, ohne finanziellen Aufwand und mit maximalem Support auf dem Weg in die Selbstständigkeit und darüber hinaus. Speziell beim Thema Deutsche Rentenversicherung war das Netzwerk 2015 besonders zu schützen. Gerade hier war es elementar, dass viele gleichzeitig an einem Strang ziehen und untereinander kommunizieren konnten. Zudem profitierte das Netzwerk bei der Auftragsgewinnung enorm, denn die Anfragen von potentiellen Auftraggebern nach Therapeuten und Therapeutinnen kamen sowohl zentral als auch dezentral und sorgten bei uns allen immer für volle Auftragsbücher. Als Einzelkämpfer hat man es naturgemäß deutlich schwieriger. Zudem wurde das Konzept immer wieder überprüft und an den Markt angepasst, ohne an seiner Einfachheit und Attraktivität für den Auftraggeber zu verlieren.

Heute führt meine Tochter die "mobilen physios" weiter

Begonnen wurden "mobile physios“ als Selbstversuch mit einem Vorlauf von einem Vierteljahr, in dem ich viel Zeit in Werbung und Aufklärung steckte und – rückblickend gesehen - ab dem ersten Tag für die nächsten 18 Jahre ausgebucht war. Ab dem vierten Monat kamen dann stets neue Therapeuten und Therapeutinnen ins Netzwerk dazu, sodass ich 2015 meiner Tochter die mobilen physios mit 21 Therapeuten und Therapeutinnen übergeben konnte, um selbst etwas kürzer treten zu können.

Heute arbeite ich immer noch freiberuflich im Team der „mobilen physios“, aber nur über die "trübe Zeit". Die andere Jahreshälfte verbringe ich am Mittelmeer.

Dies ist also meine Geschichte der Selbstständigkeit und bereut …. habe ich keine Minute.

Euer

Uli Walz

Anmerkung:

Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.

Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.

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