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Lesetipp Mutterschutz für Selbstständige Bundesregierung muss jetzt aktiv werden

Das passiert selten: Alle Parteien des Bundestags sind sich einig – zugunsten von Selbstständigen. Doch ein konkretes Konzept für die Umsetzung des Mutterschutzes für Selbstständige fehlt noch.

Die Parteien sind sich über die Notwendigkeit eines Mutterschutzes für Selbständige einig, aber es gibt noch viel Klärungsbedarf.

Die Fraktionen des Bundestags haben am 15. Juni einstimmig beschlossen, die Petition „Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere vom 06.05.2022“ zur Berücksichtigung an die Bundesregierung zu geben. Innerhalb der nächsten sechs Wochen muss die Bundesregierung nun mitteilen, welche Maßnahmen sie im Hinblick auf den Mutterschutz für selbstständige Frauen ergreifen will. Trotz Einigkeit in der Sache war die Bundestagsdebatte hitzig: Die Regierung kritisiert den Antrag der Unionsfraktion, da er nur wenige Lösungsvorschläge enthalte.

Um was es geht

Die Petition von Tischlermeisterin und VGSD-Mitglied Johanna Röh gehört zu den erfolgreichsten Bundestagspetitionen überhaupt. Der VGSD hat die Petition im letzten Jahr unterstützt. Das Anliegen: endlich Gleichberechtigung zwischen Angestellten und selbstständigen Frauen in Sachen Mutterschutz schaffen. Denn bisher haben Gründerinnen nur sehr eingeschränkt Anspruch auf Mutterschutz. Während der Schutzfristen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt erhalten sie lediglich ein Mutterschutzgeld in Höhe des Krankengeldes. Und auch nur dann, wenn sie rechtzeitig vor der Schwangerschaft einen Krankengeldtarif (in der gesetzlichen Krankenkasse, GKV) oder eine Krankentagegeldversicherung (in der privaten Krankenkasse, PKV) abgeschlossen haben. Überhaupt keine finanzielle Absicherung des Lebensunterhalts haben selbstständige Frauen, wenn sie während der Schwangerschaft aufgrund gesundheitlicher Risiken für Mutter oder Kind nicht arbeiten können. Bei Angestellten greift dann das sogenannte Beschäftigungsverbot, bei Selbstständigen nicht.

Ebenfalls nicht abgesichert bei einem schwangerschaftsbedingten Arbeitsausfall sind bei Selbstständigen die betrieblichen Fixkosten. Dies kann schnell in die Insolvenz führen. Die Folge: Selbstständige Frauen müssen sich aufgrund der fehlenden Absicherung oftmals zwischen Kind und Beruf entscheiden. Oder aufgrund der finanziellen Zwänge während der Schwangerschaft arbeiten, obwohl sie damit unter Umständen ihre eigene Gesundheit und die des ungeborenen Kindes riskieren.

Unfaire Bedingungen, unklare Lösungen

Der Antrag der Union verlangt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Selbstständige. Die Forderung: Die Bundesregierung soll "kurzfristig" einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die Lebensrealität selbstständiger Frauen geeignet abbildet. Dazu gehört die Anpassung des Umfangs des Mutterschaftsgeldes der GKV sowie die Erweiterung der Krankentagegeldversicherung in der PKV. Zur Absicherung des Insolvenzrisikos bei einer schwangerschaftsbedingten Arbeitsunfähigkeit käme nach dem Vorschlag der Union eventuell eine Ausweitung der Inhaberausfallversicherung infrage. Diese schließt bislang Schwangerschaften ausdrücklich aus. Denkbar wäre nach den Vorstellungen der Union auch, das in der Landwirtschaft bereits bestehende System der Betriebshelferinnen auf andere Bereiche auszudehnen.

Beim Elterngeld sollen Selbstständige zukünftig wählen können, ob zur Berechnung der Höhe der Leistung das Einkommen der letzten zwölf Monate vor der Geburt oder der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum herangezogen wird. Der Gesetzesentwurf soll zudem eine Verbesserung der Absetzbarkeit beruflich veranlasster Kinderbetreuungskosten vorsehen.

Die Union schlägt obendrauf die Einrichtung einer Anlaufstelle für Selbständige und Gründerinnen vor, die vor dem Schritt in die Selbständigkeit gezielt über Möglichkeiten und Rechte informiert. Außerdem fordert die Union eine verpflichtende Aufklärung für Gründerinnen und Selbstständige zum Thema Mutterschutz.

Antrag unzureichend ausgearbeitet

Die Zustimmung im Bundestag mag groß ausfallen, doch die Regierungsparteien kritisieren den Antrag der Union in Hinsicht auf seine Ausarbeitung. Zu wenig konkrete Vorschläge seien erarbeitet worden, die FDP betitelt den Entwurf sogar als "lieblos". Der bisherige Antrag würde der Komplexität der Problemstellung überhaupt nicht gerecht werden, ein Vorschlag zur Finanzierung fehle komplett, so Gyde Jensen von der FDP. Und diese sei gar nicht so einfach zu bewerkstelligen, weil angesichts des Defizits in der GKV keine weiteren versicherungsfremden Leistungen möglich seien.

Keine zusätzlichen Belastungen für Selbstständige

Der VGSD hat das politische Anliegen unseres Mitgliedes Johanna Röh von Anfang an aktiv unterstützt und begrüßt, dass sich nun auch alle Fraktionen diesem wichtigen Thema widmen. Zentral aus unserer Sicht ist, dass zusätzliche Mutterschutzleistungen nicht insgesamt zu einer noch höheren Kostenbelastung für Selbststände führen. Denn schon jetzt müssen Selbstständige aufgrund der im Vergleich zu Angestellten deutlich höheren Steuer- und Abgabenbelastung erheblich mehr arbeiten, um das gleiche Nettoeinkommen zu erzielen wie Angestellte im gleichen Beruf. Daher ist es erforderlich, zunächst bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Hierzu haben wir den zuständigen Fachministerien konkrete Vorschläge gemacht. Die im Koalitionsvertrag bereits beschlossene Senkung der Mindestbeiträge in der GKV wird dafür aber nicht ausreichen.

Vorsichtiger Optimismus

Nach außen hin überschlagen sich die Fraktionen nur so vor Unterstützung für das Anliegen. Jede Bundestagspartei befürwortet, den Mutterschutz für Selbstständige gesetzlich zu verankern. Doch es sind die Parteien der Großen Koalition, CDU/CSU und SPD, die die EU-Mutterschutzrichtlinie 2017 unzureichend umgesetzt haben. Auch jetzt gibt es bisher nur warme Worte und noch keine Aussage zur Finanzierung. Wir hoffen, dass die Regierung zeitnah ein tragfähiges Konzept erarbeitet, um selbstständige Mütter besser zu schützen – ohne (Solo-)Selbstständige noch stärker zu belasten.

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