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Vorgänge beim Goethe-Institut belegen Bedarf für klare Positivkriterien

Von Wolf Szameit

Bundespräsident (damals Außenminister) Steinmeier mit Generalsekretär Ebert und Präsident Lehmann vom Goethe Institut /

Nach Presseberichten hat das Goethe-Institut seit Jahren mehrere Hundert Sprachlehrer als Honorarkräfte beschäftigt – die meisten verlieren jetzt über Nacht ihre Aufträge. Der Grund: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) stuft viele von ihnen als Scheinselbstständige ein. Das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland schließt aufgrund der Rechtsunsicherheit offenbar seit der vergangenen Woche keine neuen Honorarverträge ab. Laut Institut sind bundesweit 400 Honorarkräfte betroffen.

Für viele der freien Mitarbeiter hat die aktuelle Entwicklung vermutlich existenzbedrohende Folgen. Sie haben laut Spiegel Online "teilweise über Jahre hinweg Vollzeit für die Goethe-Institute" gearbeitet, "mit zig Honorarverträgen hintereinander, die jeweils auf zwei bis maximal acht Wochen begrenzt waren". Nun verlieren sie mit einem Schlag ihr Einkommen – eine Tragödie für die Betroffenen. Zwar vergibt das Goethe-Institut derzeit befristete Anstellungsverträge, um den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten - allerdings hat nur ein kleiner Teil der Betroffenen einen solchen Job erhalten. In einer Pressemitteilung spricht das Institut von 45 Stellen, die geschaffen werden.

"Aktuelle Regelungen nicht praktikabel"

Laut FAZ läuft die Prüfung der Honorarverträge durch die DRV schon seit dem Jahr 2014. Dabei sei in einer großen Zahl von Fällen Scheinselbstständigkeit festgestellt worden.

Aus der Sicht des VGSD zeigt der Fall einmal mehr, dass die aktuellen Regelungen zum Thema Scheinselbstständigkeit schlicht nicht praktikabel sind. Sogar eine staatsnahe Organisation wie das Goethe-Institut ist mit der korrekten Auslegung überfordert. Die Situation beim Goethe-Institut konnte nur entstehen, weil Rechtsunsicherheit herrscht und klare Positivkriterien für Selbstständigkeit fehlen. Wir brauchen dringend Kriterien, die auch Laien verstehen und anwenden können! Durch klare Kriterien wäre für jede Honorarkraft schnell erkennbar, ob sie tatsächlich als selbstständig gelten kann.

Das Goethe-Institut zahlt laut Spiegel Online im Branchenvergleich mit 37 Euro pro Unterrichtseinheit noch vergleichsweise gut, an Volkshochschulen seien maximal 29 Euro zu erzielen. Zwar dauern Unterreichtseinheiten nur 45 Minuten, doch hinzu kommen für den Lehrer ja auch Vor- und Nachbereitungszeiten, Korrekturen etc.

Am Monatsende bleibt da oft netto nicht viel übrig. Dazu trägt auch bei, dass selbstständige Lehrer  im Regelfall rentenversicherungspflichtig sind, wenn sie mehr als 450 Euro im Monat verdienen und keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Das heißt: Von den niedrigen Honoraren sind neben Steuern auch Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und -nehmberbeiträge) in Höhe von derzeit 18,7 Prozent zu zahlen. Hinzu kommt die Krankenversicherung. Die gesetzliche Krankenversicherung belastet Selbstständige mit niedrigem Einkommen durch überhöhte Mindestbeiträge. Bei realistischer Kalkulation aller Betriebsausgaben, Sozialabgaben und Steuern dürfte sich in vielen Fällen ergeben, dass abhängig Beschäftigte mit Mindestlohn finanziell besser dastehen als hochqualifizierte selbstständige Sprachlehrer.

Erneut großer Schaden durch Rechtsunsicherheit

Im Fall des Goethe-Instituts gehen die Folgen der Rechtsunsicherheit derzeit voll zu Lasten der Honorarkräfte. Doch auch andere verlieren: Das Goethe-Institut ist im Inland derzeit nicht voll arbeitsfähig. Deutschkurse fallen aus – ausgerechnet zu einer Zeit, in der Hunderttausende von Flüchtlingen und Arbeitsmigranten Deutsch lernen sollen und wollen.

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