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Update Antworten auf Fragen zu Kompass-Programm Welche Weiterbildungen gefördert werden und wie du sie beantragst

Zum offiziellen Start des Kompass-Programms am 17.7.23 waren noch viele Fragen offen. Inzwischen ist sehr viel klarer, was gefördert wird und was nicht – und auch, welche Voraussetzungen man genau nachweisen muss, um in den Genuss der 90-Prozent-Förderung zu gelangen.

Das Kompass-Programm des BMAS fördert großzügig Weiterbildungen zum Erwerb von Querschnitt-Komptenzen. Was das ist und wie du von dem Programm profitierst

Nicht nur Solo-Selbstständige werden mit bis zu 4.500 Euro pro Jahr gefördert

Zunächst das Wichtigste noch mal vorab: Bis zu einem Vollzeit-Äquivalent darf man an Mitarbeitern haben, um die Kompass-Förderung noch beantragen zu dürfen. Man darf auch Gesellschafter einer Personen-, Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft sein. Sogar unständig Beschäftigte und solche mit einer befristeten Beschäftigung bis zu 14 Wochen finden Berücksichtigung. Mehr dazu unten.

Der maximale Zuschuss beträgt 4.500 Euro. Wenn eine Weiterbildung 5.000 Euro oder mehr netto kostet, musst du den restlichen Betrag übernehmen. Auch die Umsatzsteuer (sofern sie nicht vom Finanzamt erstattet wird), Fahrtkosten und Verbrauchsmaterialien sind vom Solo-Selbstständigen zu bezahlen. Der gesamte Betrag ist zudem durch sie oder ihn auszulegen.

Das BMAS hat offensichtlich Sorge, dass sein Programm zu häufig in Anspruch genommen werden könnte und schließt viele eigentlich interessante und sinnvolle Weiterbildungen von der Förderung aus. Zumindest in den ersten Monaten des Programms: Nach dessen Evaluierung "kann der Fokus ggf. angepasst und erweitert werden" heißt es in einem uns vorliegenden Hand-out für die Anlaufstellen.

Update, 05.08.2023

Soft Skills und fachliche Weiterbildung im eigenen Beruf wird zunächst nicht gefördert

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Soft-Skill-Trainings, die auf die Vermittlung persönlicher Kompetenzen zielen (z. B. Selbstmanagement, Stressresistenz) werden nicht gefördert.

Ebenfalls nicht gefördert wird der Erwerb berufsspezifischer fachlicher Kompetenzen, zum Beispiel Weiterbildungen und Umschulungen (z. B. keine Weiterbildung von Tischlerinnen zu Restauratorinnen, kein Erwerb einer neuen Programmiersprache für Programmierer und keine Marketing-Weiterbildung für Marketing-Experten).

Was bleibt dann noch?

Übrig bleiben nicht berufsspezifische Querschnittkompetenzen (z. B. in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre (BWL), Marketing, Arbeitsrecht, versicherungstechnische Fragestellungen, digitale Arbeitsplatztechnologien, EDV-Kenntnisse). Unter BWL dürften wiederum Themen wie Steuern, Buchhaltung, Kalkulation und Controlling fallen.

Ein Programmierer darf also eine Marketing-, aber keine Programmierschulung besuchen, ein Marketingexperte digitale Techniken lernen, aber keine neuen Marketingmethoden.

Die dahinterstehenden Überlegungen des BMAS

Haben Selbstständige nicht schon im Rahmen von Gründungsseminaren viele Querschnittkompetenzen erworben? Benötigen Solo-Selbstständige, die nicht planen, Arbeitgeber zu werden, Weiterbildungen zum Thema Arbeitsrecht? Wie konnten sie ohne diese Kenntnisse schon länger am Markt bestehen, denn das ist Voraussetzung für die Beantragung von Kompass (mehr dazu unten)? Das BMAS sieht es so: "Solo-Selbstständige beherrschen ihre berufsspezifischen Fähigkeiten meist sehr gut, sind aber oft insgesamt unternehmerisch unzureichend aufgestellt und haben keine ausreichenden Ressourcen, sich mit mittel- und langfristigen Themen wie Digitalisierung, Marketing (...) zu beschäftigen."

Dementsprechend sollen die geförderten Weiterbildungen der "Sicherung oder Weiterentwicklung der beruflichen Existenz und Erhöhung der Bestandsfestigkeit des Geschäftsmodells" dienen. Sie müssen zum konkreten Qualifizierungsbedarf passen, beruflich verwertbar sein, und es muss auch begründet davon auszugehen sein, dass sie auch eingesetzt werden.

Wird ein Führungsseminar gefördert?

Bei dem, was wir bisher in diesem Beitrag über zulässige Seminarinhalte geschrieben haben, haben wir uns eng an den offiziellen Beispielen des BMAS orientiert. Es gibt aber noch viele andere Arten von Weiterbildungen. Die Entscheidung hängt dann von deiner Anlaufstelle ab. Wenn sie im Zweifel ist, wird sie Pro- und Contra-Argumente abwägen und sich vor dem Ausstellen deines Qualifizierungsschecks bei der Knappschaft Bahn See (KBS) rückversichern, die die Förderungen auch im Nachhinein prüft und die Überweisung an dich freigibt. 

Wir sind deshalb auf eure Erfahrungen bei der Beantragung von Kompass gespannt. Lasst uns bitte per Kommentar unter diesem Beitrag wissen, welche Weiterbildungen in eurem Fall genehmigt (oder auch abgelehnt) wurden. Gerne unter Angabe der Anlaufstelle und mit Link zu dem Kurs, den ihr machen wollt(et). Ihr helft damit anderen Leser/innen – und vielleicht sogar den Anlaufstellen – voneinander zu lernen. Vielen Dank vorab für das Teilen eurer Erfahrungen.

Ein wenig spekulieren können wir natürlich: Wird ein Rhetorik-Seminar unter den zu Anfang geltenden Bedingungen bewilligt? Wahrscheinlich gilt Rhetorik als Soft Skill und wird nicht gefördert, vermuten wir. "Führung" könnte man auch als Soft Skill sehen und in Frage stellen, ob ein/e Solo-Selbstständige/r solches Wissen benötigt. Aber Arbeitsrecht ist ja ausdrücklich "erlaubt" und Führung ist nicht nur gegenüber den angestellten Mitarbeitern eine wichtige Qualifikation. Sinnvoll wäre es also, aber sicher dass ein solches Angebot gefördert wird, sind wir uns nicht. Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich auch mit einem Honorarverhandlungs- oder Vertriebstraining.

Wird eine KI-Weiterbildung gefördert?

Für einen Softwareentwickler wird eine KI-Schulung wahrscheinlich nicht gefördert, aber doch wohl für eine Übersetzerin? Mit KI-unterstützter Software kann man als Übersetzer die eigene Produktivität enorm steigern. Aber handelt es sich dann nicht um eine berufsspezifische fachliche Qualifizierung? Wir hoffen, ein solcher Kurs wird als Querschnittskompetenz anerkannt und gefördert, denn es geht bei einer solchen Weiterbildung ja darum, Selbstständigen die Adaption an neue Technologien zu ermöglichen. Sicher ist die Bewilligung aber auch hier nicht. Sicher nicht gefördert würde die Schulung übrigens, wenn sie von einem Hersteller zu einer speziellen Software erfolgt. Hierzu gleich mehr.

Weitere Fortbildungen ausgeschlossen

Von einer Förderung ausgeschlossen sind des Weiteren nämlich: 

  • exklusiv vom Hersteller oder in seinem Auftrag durchgeführte Schulungen, die dem Verkauf spezifischer Produkte dienen ("Produkt-/Herstellerschulungen"),
  • innerbetriebliche Qualifizierungen,
  • Einzelunterricht,
  • Kurse, die vollständig mittels Selbstlernmedien erfolgen,
  • Führerscheinkurse,
  • vorgeschriebene Weiterbildungen und Pflichtqualifizierungen,
  • Weiterbildungen, die bereits ganz oder teilweise mit öffentlichen Zuschüssen gefördert werden,
  • Weiterbildungen, die Beratung zur Konkursvermeidung oder dem Beschäftigtentransfer beinhalten,
  • Weiterbildungen, die ausschließlich Zertifizierungs- und QM-Maßnahmen zum Inhalt haben,
  • Weiterbildungen, die im Ausland stattfinden.

"Coaching [ist] nicht Gegenstand der Förderung" heißt es zudem an anderer Stelle. Am besten sollten die Worte "Beratung" und "Coaching" in der Beschreibung einer Weiterbildung gar nicht vorkommen.

So sieht der Qualifizierungsscheck aus

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Auch hinsichtlich ihrer Dauer sind die Weiterbildungen beschränkt. Sie müssen einen Umfang von mindestens 20 Zeitstunden haben. Da die Anmeldung erst nach Ausstellung eines Qualifizierungsschecks erfolgen darf, der Erstattungsantrag dann aber innerhalb von sechs Monaten gestellt werden muss, beschränkt dies zugleich die Dauer der Weiterbildungen auf maximal sechs Monate, in der Praxis wahrscheinlich meist sogar auf einen deutlich kürzeren Zeitraum, denn man wird sich in der Regel frühzeitig für einen solchen Kurs anmelden müssen.

So sieht das Objekt der Begierde aus: Es ist offenbar vorgesehen, dass ein Qualifizierungsscheck immer nur eine einzige Weiterbildung umfasst und keine Kombination von mehreren passenden Maßnahmen erlaubt.

Bei der Vorstellung von Kompass wurde kritisiert, dass sechs Monate zu kurz für viele Weiterbildungen seien, was allerdings hauptsächlich für berufsspezifische gelten dürfte. Bei Querschnittkompetenzen dürfte der Engpass eher darin bestehen, Weiterbildungen mit mehr als 20 Stunden zu einer solchen Kompetenz zu finden.

Wir sind schon gespannt, welche Weiterbildungen im Rahmen des Programms besonders häufig nachgefragt werden. 

Hohe Hürden für Anbieter: Weiterbildungen von Solo-Selbstständigen für Solo-Selbstständige de facto ausgeschlossen

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Nicht nur an den Inhalt der Weiterbildung, sondern auch an deren Anbieter werden Anforderungen gestellt, die die Auswahl erheblich einschränken und die meisten Solo-Selbstständige als Anbieter de facto ausschließen dürften. Es muss nämlich eine der drei folgenden Bedingungen nachgewiesen werden, gegebenenfalls muss die betreuende Anlaufstelle beim Anbieter einen entsprechenden Nachweis anfordern:

  1. Anbieter oder Maßnahme sind auf einer gesetzlichen Basis anerkannt worden (gemäß des Weiterbildungsgesetzes eines Landes, des Sozialgesetzbuchs, durch Akkreditierungs- und Zulassungsverordnungen der Arbeitsförderung oder das Bundesurlaubsgesetz.
  2. Der Anbieter hat sich im Rahmen eines ankerkannten Qualitätsmodells zertifizieren lassen (z. B. AZWV, AZAV BGM, BW-GS, DVWO, EFQM, GAB, +GS-Verb WB, Hess GS HH-Prüfsiegel, ISO 19796-1, ISO 29990, ISO 9001, LQW, QES-Plus, W-Kreis, ZAW-GS oder ZPU)
  3. Öffnungsklausel: "Qualifizierung des jeweiligen Weiterbildungsangebots durch qualifiziertes Lehrpersonal, detaillierte Kursplanung und Veranstaltungsevaluation. Die Qualifikation der Lehrer muss auf Anforderung z. B. durch (Arbeits-)Zeugnisse, Zertifikate, Arbeitsverträge oder Veröffentlichungen nachgewiesen werden, die Kursplanung durch Kursprogramme/-unterlagen oder Lehrpläne, die Evaluation durch Rückmeldungen zur Weiterbildung.

Die Akkreditierung als INQA-Coach ist ausdrücklich nicht ausreichend, ähnliches dürfte für BAFA-zertifizierte Berater gelten.

Auch bezüglich der Anbieter sind wir gespannt, welche von den Anlaufstellen häufig empfohlen und in Anspruch genommen werden. Gerne werden wir euch darüber berichten und freuen uns zugleich über Kommentare mit euren Erfahrungen!

Antworten auf häufige Fragen 

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Bevor wir beschreiben, was du bei einer Antragstellung alles nachweisen musst, wollen wir noch einige weitere Fragen beantworten, die bei der offiziellen Vorstellung von Kompass offen geblieben waren:

  1. Ist es möglich, mehrere Angebote eines oder mehrerer Anbieter zu kombinieren? – Es wäre sehr hilfreich, wenn man bestehende Angebote modular zusammenstellen und so auf die Qualifizierungsbedürfnisse des Soloselbstständigen maßschneidern könnte. Dabei ist man aber wohl auf Anbieter angewiesen, die die "richtige" Zusammenstellung bereits anbieten oder ermöglichen. Denn im Qualifizierungsscheck ist nur eine Maßnahme vorgesehen (siehe oben).
  2. Viele Weiterbildungen enthalten heute Einzelberatungs-Komponenten, weil ein Gespräch über die individuellen Umstände und Hindernisse entscheidend für den Transfer des Erlernten in die Praxis ist. Das ist möglicherweise kein Ausschlussgrund für eine Förderung, solange der Kurs prinzipiell auf mehrere Teilnehmer/innen angelegt ist. Wie schon erwähnt, werden Begriffe wie "Coaching" in der Kursbeschreibung wahrscheinlich zu Rückfragen führen, auch weil sie so verstanden werden könnten, dass es um den Erwerb von Soft Skills geht. 
  3. Viele Fragen gab es zur regionalen Zuständigkeit der Anlaufstellen, zumal es in manchen Bundesländern noch gar keine gibt (vergleiche Liste der Anlaufstellen) und einige auch von ihrem Profil her auf bestimmte Branchen oder Teile eines Bundeslandes beschränkt sind. Grundsätzlich gibt es dazu keine Vorgaben, und die Beratung kann komplett online erfolgen. Einige Stellen kommunizieren offensiv, dass sie gerne bundesweit beraten, andere sehen die Herausforderung, sich zunächst einmal in der eigenen Region einen ausreichend guten Überblick über die Weiterbildungslandschaft zu verschaffen. Wenn du schon eine Weiterbildung ausgesucht hast und diese "nur" prüfen und fördern lassen möchtest, wirst du sicher eine Stelle finden, die dich berät oder ansonsten an eine andere weiterempfiehlt.
  4. Gestellt und nicht beantwortet wurde die Frage nach einer Mindestzahl an Teilnehmer/innen der Kurse sowie nach einem Mindest- oder Höchstalter der Teilnehmer/innen. In diesem Fall ist keine Antwort eine gute Antwort. Natürlich kalkulieren Anbieter Kurse für eine größere Zahl von Teilnehmer/innen, beißen mangels ausreichender Anmeldungen aber oft in den sauren Apfel und führen sie auch bei geringer Beteiligung durch, damit der Kurs zustande kommt. Eine Einzelberatung wird daraus sicherlich nicht werden, weil sich das nicht rechnen würde. Was das Alter betrifft: Da manche sich schon in der Schulzeit und noch viel mehr sich zum Renteneintritt selbstständig machen (oder es bleiben), ist es sinnvoll, auf Altersgrenzen zu verzichten. Gerade bei diesen beiden Zielgruppen könnte größerer Schulungsbedarf bestehen.
  5. Was ist im Fall von Krankheit, Abbruch oder fehlender Verfügbarkeit? – Das Problem ist, dass ein Qualifizierungs-Scheck nur einmal alle zwölf Monate ausgestellt wird – und eine Stornierung im Antragssystem Z-EU-S offenbar nicht vorgesehen ist. Dabei wird es sicher häufig vorkommen, dass man auf die Förderzusage für eine Schulung wartet, sich bis dahin nicht anmeldet (was laut Programmbedingungen verboten ist) und derweil der letzte Platz an eine andere Person vergeben wird. Mindestens genauso häufig wird der geförderte und gebuchte Kurs wegen zu geringer Anmeldezahlen abgesagt werden. Diese Probleme werden schon bald auftauchen und die Anlaufstellen werden mit der zuständigen KBS sicher eine Lösung finden.
  6. Viele Fragen gab es auch zur Bezahlung der Seminare. Einzige Vorgabe ist hier, dass für den Erstattungsantrag der Kurs komplett bezahlt sein muss bzw. nur die Zahlung in nachgewiesener Höhe gefördert wird. Ob der Preis auf einen Schlag zu Anfang, am Ende der Schulung oder in Raten bezahlt wurde, ist egal. Der oder die Selbstständige muss seinen/ihren Anteil von 10 Prozent sowie die Umsatzsteuer selbst tragen und auch den geförderten Anteil bis zu zur Erstattung auslegen. Wie lange es vom Einreichen des Antrags bis zur Erstattung dauert, muss sich in der Praxis zeigen. Auch hierzu freuen wir uns über eure Kommentare. Dass die Antragstellung komplett online durchführbar ist – vorausgesetzt man verfügt über eine digitale Signatur, wie man sie mit neueren Personalausweisen erhält –, wird den Ablauf sicherlich beschleunigen. Zusätzlich zum Zahlungsnachweis ist auch ein Teilnahmezertifikat und die Rechnung in Z-EU-S hochzuladen.
  7. Kann auch ein (Teilzeit-)Mitarbeiter des "Solo-Selbstständigen" gefördert werden? – Hier ist die Antwort ein klares Nein. Das Programm soll den Selbstständigen selbst zukommen. Für die Mitarbeiter/innen gibt es unter Umständen andere Programme, auf die die Anlaufstellen verweisen werden.

Nötige Nachweise und Erklärungen: Sieben Meilen musst du gehen

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Bevor die Anlaufstellen bezüglich einer Weiterbildung beraten, sollen sie, so die Anweisung durch das BMAS, zunächst sieben Voraussetzungen prüfen und die Nachweise hierfür gemeinsam mit dem oder der Antragstellerin in das Antragssystem Z-EU-S hochladen.

Wir geben im Folgenden in tabellarischer Form eine Übersicht über die sieben Voraussetzungen und wie sie nachzuweisen sind. Alle sieben Voraussetzungen müssen sowohl zum Zeitpunkt der Scheckausgabe als auch der Antragstellung gelten.

VoraussetzungNachweis zu erbringen durch (zum Beispiel)
1. Wohnsitz in DeutschlandAngabe in Z-EU-S
2. Selbstständige Tätigkeit in DeutschlandEinkommensteuerbescheid, Gewerbeanmeldung, Registerauszug, Beitragsbescheid Krankenversicherung bzw. KSK, Gesellschaftsvertrag, Arbeitsvertrag oder Bestätigung durch Dritte (zum Beispiel Steuerbüro)
3. Haupterwerb, d. h. mindestens 51 Prozent der Einkünfte aus freiberufliche oder gewerblicher Arbeit. Relevant ist das Jahr, für das der letzte Einkommensteuerbescheid festgesetzt wurdeEinkommensteuerbescheid oder Bestätigung durch Dritte (zum Beispiel Steuerbüro)
4. Maximal ein Vollzeitäquivalent (VZÄ) an Beschäftigten (Azubis sowie wegen z. B. Mutterschaft oder Elterngeldbezug ruhende Arbeitsverhältnisse zählen nicht, Minijobber sind aber ebenso wie Teilzeitbeschäftigte zu berücksichtigen)VZÄ-Rechner in Z-EU-S ausfüllen
5. Bestandsdauer der Selbstständigkeit von mindestens zwei JahrenGewerbeanmeldung, Anmeldung beim Finanzamt (Zuteilung Steuer-ID), Registerauszug, Einkommensteuerbescheid der letzten beiden Jahre oder Beitragsbescheid Krankenversicherung bzw. KSK
6. Erklärung über De-Minimis-Beihilfen (dürfte in aller Regel kein Problem sein) Erkärung in Z-EU-S
7. Keinen Kompass-Qualifizierungsscheck innerhalb der letzten zwölf Monate erhalten (auch wenn er nicht eingelöst wurde bzw. die Obergrenze von 5.000 Euro nicht ausgeschöpft wurde)Erkärung in Z-EU-S

Außerdem ist in Z-EU-S zu erklären, dass man keine gleichartige Qualifizierungsförderung bei einer Arbeitsagentur oder einem Jobcenter beantragt hat (§16c (2) SGB II).

Welche Bedingungen Gesellschafter von Personen- und Kapitalgesellschaften sowie Genossenschaften erfüllen müssen

Neben der Ausübung einer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Einzelunternehmer/in können auch Gesellschafter von Personengesellschaften (z. B. einer GbR) Kompass-Förderung beantragen. Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH, UG) müssen mindestens 25 Prozent an der Gesellschaft halten und vertraglich mindestens 20 Wochenarbeitsstunden vereinbart haben. Bei Genossenschaften reicht die Mitgliedschaft, die Vereinbarung von mindestens 20 Wochenstunden Arbeitszeit und die Genossenschaft darf nicht mehr als zehn Beschäftigte (Vollzeit-Äquivalente) haben.

"Kurze Zeiten befristeter Beschäftigung von bis zu 14 zusammenhängenden Wochen oder eine sogenannte unständige Beschäftigung von weniger als sieben aufeinanderfolgenden Kalendertagen finden ebenfalls Berücksichtigung."

Zu den Nachweisen vergleiche Punkt 2 der Tabelle oben.

Welche Einkünfte bei der Prüfung des Haupterwerbs berücksichtigt werden

Wie in der Tabelle oben unter Punkt 3 beschrieben, müssen die selbstständigen Einkünfte mindestens 51 Prozent der Gesamteinkünfte ausmachen. Zu den selbstständigen Einkünften zählen neben solchen aus gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit z. B. Gehälter als Geschäftsführer/in, aber auch Einkünfte aus befristeter und unständiger Tätigkeit (vgl. oben).

Zu den Gesamteinkünften zählen zusätzlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (mit Ausnahme der oben aufgeführten Geschäftsführergehälter etc.), aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, aus Land- und Forstwirtschaft sowie sonstige Einkünfte.

Nicht als Einkünfte gezählt werden Stipendien und ähnliche Förderungen, Weiterbildungs-BAföG, Spenden und Einnahmen aus Crowdfunding etc.

Wir hoffen, unsere Insider-Infos zur Vorgehensweise bei der Prüfung deines Antrags erspart dir und der Anlaufstelle viel Zeit und unnötige Schleifen, so dass du schnell zu deiner geförderten Weiterbildung kommst!

Beitrag, 13.07.2023

Kompass-Programm: Weiterbildungs-Förderung für Selbstständige startet mit vielen offenen Fragen

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Bereits Mitte Mai hatten wir über "Kompass" berichtet. Mit dem großzügig ausgestatteten ESF-Plus-Programm will das Arbeitsministerium (BMAS) die Weiterbildung von Selbstständigen ohne Mitarbeiter oder maximal einem Vollzeit-Mitarbeiter fördern – mit 90 Prozent der Nettokosten bis zu 4.500 Euro. Unklar ist aber noch immer, welche Weiterbildungen von welchen Anbietern genau bezuschusst werden.

Am Mittwoch dieser Woche (12.7.23) verkündete Bundearbeitsminister Hubertus Heil vor rund 300 Online-Teilnehmer/innen den Start des "Kompass"-Programms für Montag nächster Woche (17.7.23). Kompass steht für "Kompakte Hilfe für Soloselbstständige". Die zugehörigen Förderrichtlinien waren bereits am 14.10.22 veröffentlicht worden. Als wir Mitte Mai erstmals über Kompass berichteten, erwarteten die 34 Anlaufstellen, die bei der Auswahl der Weiterbildung beraten und diese genehmigen sollen, einen Start im Juni 2023.

Zuschauer/innen haben viele Fragen zur Ausgestaltung des Programms

Eine Runde bestehend aus VGSD-Mitglied Johanna Röh (bekannt durch ihre Petition zur Reform des Mutterschutzes für Selbstständige), BFB-Hauptgeschäftsführer Peter Klotzki und Eckbert Holthuis, dem in der Europäischen Kommission  für den ESF (Europäischer Sozialfonds) in Deutschland Verantwortlichen, diskutierte mit der im BMAS für das Programm verantwortlichen Referatsleiterin Christiane Koenig, die auch durch das Programm führte.

Die zahlreichen Fragen im Chat richteten sich allerdings nur zu einem kleinen Teil an die Diskutanten, sondern bezogen sich auf das Förderprogramm, weshalb Koenig immer wieder um Geduld bitten musste. Deutlich wurde in der Diskussion, dass die Corona-Krise zentraler Auslöser für die Entwicklung des Förderprogramms war. Schon in seiner Eröffnungsrede hatte Heil davon gesprochen, dass Solo-Selbstständige flexibel auf Corona- und andere Krisen reagieren, sich entschlossen digitalisieren und ihre Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle umstellen müssten. Hierzu solle "Kompass" beitragen.

Kompass ist aus der Neustarthilfe heraus entstanden

Dass neben "Solos" auch Selbstständige mit bis zu einem Mitarbeiteräquivalent die Förderung erhalten können, liegt laut Klotzki daran, dass auch diese zu den Hauptbetroffenen der Corona-Krise gehört hätten und man mit deren Einbeziehung schon bei der Neustarthilfe gute Erfahrungen gemacht habe.

Eckbert Holthuis von der EU-Generaldirektion EMPL sieht Kompass als Pilotprojekt. In keinem anderen EU-Land gäbe es bisher eine solche Förderung, viele hätten aber einen viel höheren Anteil von Solo-Selbstständigen an den Erwerbstätigen (in Deutschland nur noch 4 Prozent, in anderen Mitgliedsstaaten bis zu 18 Prozent; zur Frage, warum es in Deutschland so wenige sind, siehe unten). Ziel des ESF sei es, "in Menschen zu investieren" und dadurch nachhaltige Beschäftigungsstrukturen aufzubauen.  Schon nach einem halben Jahr soll eine Bestandsaufnahme gezogen und die Förderbedingungen bei Bedarf weiterentwickelt werden. Ziel ist ein erfolgreiches Programm, dass 2026 in die Verlängerung geht.

Die Details des Förderprogramms

Nachdem eineinhalb Stunden über die Motivation und Rahmenbedingungen gesprochen worden war, ging es von 17 bis 18 Uhr um die von vielen ungeduldig erwarteten Details des Förderprogramms. 

Laura Benning (BMAS) präsentierte die teils schon bekannten, aber für das Verständnis des Programms wichtigen Eckpunkte:

  • Wer wird gefördert? – Gefördert werden Solo-Selbstständige, die seit mindestens zwei Jahren am Markt bestehen, maximal ein Vollzeitäquivalent an Mitarbeitenden beschäftigen und ihr Einkommen überwiegend (>= 51%) aus gewerblicher oder freiberuflicher Tätigkeit beziehen.
  • Wie beantragt man die Förderung? – Man muss sich durch eine der geplanten 34 Anlaufstellen beraten lassen (aktuell haben 28 ihren Förderbescheid erhalten und sind gelistet). Sie stellen den Qualifizierungsbedarf fest, vergeben einen "Qualifizierungsscheck", also eine Förderzusage für die vereinbarte/n Weiterbildung/en und begleiten die Geförderten bei allen administrativen Fragen, insbesondere Antragstellung und Abrechnung. Die Antragstellung erfolgt über das Z-EU-S-System, zu dem die Anlaufstellen bereits eine Schulung erhalten haben. Die Auswahl der Anlaufstelle ist theoretisch frei, man kann also auch eine in einem anderen Bundesland auswählen und sich remote beraten lassen. Andererseits gibt es auch Beratungsstellen, die nach eigener Angabe die Beratungsgenehmigung nur für ausgewählte Bundesländer haben.

Da die Liste der Kompass-Anlaufstellen des BMAS keine Kontaktdaten enthält, haben wir für euch recherchiert und die VGSD-Liste der Kompass-Ansprechpartner zusammengestellt, die die Kontaktdaten bzw. den direkten Link zu ihnen enthält.

  • Welche Weiterbildungen werden gefördert? – "Passgenaue, individuelle Qualifizierungen zur Erhöhung der Bestandsfestigkeit des Geschäftsmodells". Als Beispiel werden die Themen Digitalisierung, BWL, Marketing und Arbeitsrecht genannt. Sie müssen einen Umfang von mindestens 20 Stunden haben und innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden. Eine Förderung ist einmal innerhalb von jeweils 12 Monaten möglich. Maximal werden 4.500 Euro erstattet (90 Prozent des maximal förderfähigen Betrags von 5.000 Euro). Insbesondere die zeitliche Beschränkung auf sechs Monate wurde aus dem Teilnehmerkreis heraus kritisiert, denn viele Weiterbildungen finden in ca. monatlichen Abständen an Wochenenden statt und dauern länger als sechs Monate.
  • Das Programm startet offiziell am 17.07.23, am 31.10.25 können letztmals Qualifizierungsschecks ausgegeben werden, ein halbes Jahr später, am 30.4.26 endet das Programm – sofern es nicht verlängert wird, was das gemeinsame Ziel der Anwesenden ist.
  • Die Abwicklung übernimmt die "Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See" oder kurz "DRV-KBS". Die dort zuständige Frau Saschowa betont, man habe angesichts des komplexen Haushalts- und EU-Rechts alles Mögliche getan, um das Genehmigungsverfahren zu straffen und die verschiedenen Bestandteile Antrag, Abrechnung und Verwendungsnachweis zusammenzufassen.
  • Auf die von mehreren Teilnehmer/innen gestellte Frage, ob man fürchten müsse, dass der Kontakt zur DRV zu einer Prüfung auf Scheinselbstständigkeit oder Rentenversicherungspflicht führe, antwortete Saschwa: "Wir geben keine Daten an die Prüfer weiter." 

Gerade zum letzten Punkt gab es zahlreiche Fragen, ich greife nur einige heraus: "Werden die Daten der Selbstständigen bei Antragsstellung an die Clearingstelle weitergegeben?" – "Ist die Datentrennung sichergestellt, dass die Kontaktdaten der Solo-Selbstständigen nicht in die Abteilung 'Prüfung' weitergeleitet werden?" – "Wenn's doof läuft, gibt es zwar keine Förderung, aber die DRV schickt einem einen Nachzahlungsbescheid für die Rentenpflichtversicherung."

Das Wichtigste in 100 Sekunden: Der Kompass-Erklärfilm

Noch unklar, welche Weiterbildungen von welchen Anbietern bewilligt werden dürfen!

Bei den anschließenden Nachfragen zeigte sich, dass manche kritische Punkte noch offen sind: Werden zum Beispiel alle Weiterbildungsträger anerkannt oder nur zertifizierte?  – Antwort BMAS: "Das ist das, was wir gerade definieren. Wir wollen einen Liste zur Verfügung stellen." Eine Liste zugelassener Institutionen ist sicher hilfreich, aber auch ein ehrgeiziges Unterfangen angesichts der Vielfalt der Anbieter. Die Einschränkung könnte die Auswahl insbesondere hinsichtlich fachlicher Weiterbildungen empfindlich einschränken, womöglich auf solche, die bisher vor allem bei der Qualifizierung von arbeitslosen Gründern tätig waren. Wir hoffen und werden uns dafür einsetzen, dass das BMAS hier dem eigenen Anspruch gerecht wird, die Selbstständigen in ihrer ganzen Vielfalt anzusprechen!

Auch die Abgrenzung der zulässigen Arten von Qualifizierung blieb noch vage. Fachliche Qualifizierungen sind zulässig, in Bezug auf Soft skills habe ich keine Antwort herausgehört. Deutlich wurde, dass nicht die Umschulung in einen komplett anderen Beruf gefördert werden kann. Die Erschließung neuer Märkte und Kunden sei aber das Ziel. Klar war schon im Mai, dass keine Produktschulungen (z. B. Einführung einer speziellen Software) gefördert werden.

Solo-Selbstständige als Weiterbildungsanbieter ausgeschlossen?

Wie viele Fragen in Hinblick auf die förderfähigen Angebote und Anbieter noch offen sind, zeigt auch unsere Auswertung des Chats. Eine verbreitete Sorge dabei: Werden die Eintrittsbarrieren für Weiterbildungseinrichtunge so hoch gesetzt, dass Solo-Selbstständige selbst keine anbieten können? Und wenn das so ist: Was bedeutet das für den Praxisbezug der Weiterbildungen? Wir finden auch: Sollten Weiterbildungsangebote von Solo-Selbstständigen ausgeschlossen sein, wäre das absolut kontraproduktiv.  Hier die Stimmen der Teilnehmer/innen aus dem Chatverlauf:

  • "Interessant wäre erst mal, welche Fortbildungen denn genutzt werden können, gibt es da eine Übersicht? Auf welcher Website stehen die Fortbildungen?"
  • "Darf man Fortbildungen auf dem freien Markt buchen?" 
  • "Müssen die Fortbildungen zertifiziert sein?"
  • "Müssen die Maßnahmen AZAV- oder ISO-zertifziert sein?"
  • "Welche Fortbildungen werden gefördert, gibt es Einschränkungen bezüglich Inhalt, Format und Umfang?"
  • "Gibt es eine vorgefertige Auswahl?"
  • "Die Weiterbildungen, die AZAV zertifiziert sind, sind Vollzeit und oft viel zu lange, um den Betrieb aufrecht zu erhalten."
  • "'Zertifizierung' klingt aber ordentlich nach Bürokratie..."
  • "Vor allem werden dadurch viele attraktive Weiterbildungen durch Solo-Selbständige und kleinere Träger ausgeschlossen."
  • "Viele Solo-Selbständige sind als Bildungsanbieter im Bereich Erwachsenenbildung mit diversen Weiterbildungsangeboten tätig. Werden diese Solo-Selbständige als Bildungsträger vom KOMPASS profitieren? Welche Voraussetzungen werden an Bildungsträger gestellt, die von der Förderung profitieren dürfen?"
  • "Wirklich inhaltlich für Kleinselbständige interessante Bildungsangebote mit Zertifizierung gibt es doch kaum!"
  • "Wo sollen die Bildungsangebote für die Solo-Selbständigen herkommen, die zugelassen sind?"
  • "Sind Anbieter, die beim BAFA ein Qualitätsmanagement-Handbuch abgegeben haben, als Anbieter qualifiziert? Nach der Richtlinie 4.2b müsste es der Fall sein. Kann ich diese Frage bitte beantwortet bekommen? Genaue Kriterien für das Finden von Weiterbildungsanbietern sind sehr wichtig!"
  • "Wichtig sind aus unserer Sicht niedrige Schwellen für Bildungsanbieter, um Peer-to-peer-Learning und Wissenstransfer von Praktikern gewährleisten zu können."
  • "Ganz wichtig, ja!"
  • "Wir schlagen Ihnen vor, alle folgende Autorisierungen auch unter 4.2 für Qualifizierungsanbieter anzuerkennen, um weitere bürokratische Anerkennungsverfahren zu vermeiden: 1. BAFA Autorisierung – unabhängig davon, ob sie noch aufrechterhalten wird, da viele aus dem verwaltungslastigen Programm ausgestiegen sind. 2. INQA Coach 3. anerkannte go-digital-Berater, da Digitalisierungsstrategien, Beratung zum Digitalsierungsgrad wesentlich sind. 4. Autorisierte Beratungsunternehmen des Programms 'React with impact' für Sozialunternehmen. 5. AZAV zertifizierte Träger."

"Was soll ich den Leuten am Montag sagen?"

Bei den zahlreich anwesenden Vertreter/innen von Anlaufstellen, war deutlich die Angst herauszuhören, dass sie Qualifizierungsschecks aushändigen und im Nachhinein eine Maßnahme dann doch nicht gefördert wird. Ein Teilnehmer mit mehr als 20 Jahren ESF-Erfahrung sagte: "Was soll ich den Leuten am Montag bei Programmstart sagen? Wir brauchen Klarheit. Kann es sein, dass wir einen Scheck ausstellen, der dann später in Frage gestellt wird? Dann wäre Kompass tot. Vorher können wir das Programm nicht starten."

Eine Anlaufstelle fordert im Chat einen FAQ für die Träger, in dem zum Beispiel erklärt wird, welche Fortbildungen förderfähig sind und welche nicht. Reaktionen anderer Anlaufstellen: "Ich glaube wir brauchen so eine Trägerinformation sehr schnell. Weil es muss ja jetzt auch losgehen, damit wir unsere Ziele erreichen." – "Auf jeden Fall. Eigentlich muss das zu dem Zeitpunkt stehen, wenn das Programm startet und nicht erst nach zwei/drei Monaten." – "Ja, 100%" – "Genau, trifft es auf den Punkt." – "Wann gibt es diese Info, denn vorher brauche ich ... ja kein Gespräch führen?" – "Ich rege an, noch im Juli ein Webmeeting mit den Anlaufstellen zu machen. Im August sind 'alle' im Urlaub und wenn wir erst im September die zu klärenden Fragen zusammenstellen, sind wir erst im Oktober am Start." (Viel Zustimmung aus dem Kreis der Anlaufstellen.)

Die BMAS-Mitarbeitenden beruhigten und stellten in Aussicht, dass alle Fragen aus dem Online-Chat nachträglich im Rahmen eines FAQ beantwortet werden würden. Zur Frage der zulässigen Weiterbildungen und Anbieter werde man schnell eine Lösung finden und nicht das nächste persönliche Treffen mit den Anlaufstellen am 26.10.23 abwarten, sondern schon vorher ein Online-Treffen vereinbaren. Auch werde man sicherstellen, dass die Genehmigung von Weiterbildungsmaßnahmen durch die Anlaufstellen nicht später in Frage gestellt würden. 

Das BMAS wird agil. – Hoffentlich sind keine Selbstständigen im Projektteam ;)

Zugleich bat man um Verständnis: Es handle sich um ein Pilotprojekt. Die Förderung von Solo-Selbstständigen sei ein "ganz neuer Aspekt in unserem Haus" sagte Ministerialdirigent Wolfgang Husemann, seit 2011 ESF-Direktor. An die Zuschauer/innen gerichtet sagte er: "Ihre Beiträge sind ganz, ganz wichtig. Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Ihre Fragen werden nicht untergehen." Es sei sinnvoll, sich auch mal mit den Teilnehmenden zusammenzusetzen, auch mit den Solo-Selbstständigen. "Ich möchte gerne zusammen mit den Kolleginnen, dass das Programm ein Erfolg wird."

Das BMAS wird deutlich agiler, will aus Fehlern schnell lernen. (Hoffentlich sind keine Selbstständigen im Projektteam, denn die würden ja leicht als scheinselbstständig gelten, wenn man agil miteinander kommuniziert ... ;)) Wir freuen uns auf jeden Fall, dass das BMAS direkt mit Betroffenen sprechen möchte. Die geplante Auswertung des Online-Chats ist dafür ein guter erster Schritt.

Kein Rechtsanspruch: Reicht das Budget?

Wenn Kompass – schlimmstenfalls mit einigen Wochen Verzögerung – richtig anläuft und die Auswahl an geförderten Weiterbildungen nicht zu eng begrenzt ist, könnte es sich zu einem sehr begehrten, erfolgreichen, aber auch teuren Programm entwickeln. "Wie hoch ist das jährliche Budget für das Kompass-Programm und wie viele Solo-Selbstständige werden Sie voraussichtlich fördern?" lautete deshalb meine Frage.

Denn auf die Kompass-Förderung besteht kein Rechtsanspruch. Ist das Budget erschöpft, wären die Anlaufstellen gezwungen, ihre Beratung und das Ausstellen von Qualifizierungsschecks einzustellen, obwohl die Gehälter der Mitarbeiter der Anlaufstellen weiter zu zahlen wären. Außerdem hat das BMAS mit den Anlaufstellen bestimmte Zielvorgaben vereinbart, so dass es sicherlich eine genaue Vorstellung von dem Mengengerüst hat. Ich wies als warnendes Beispiel auf die "Corona-Beratungsförderung" des BAFA hin, das vom BMWK wenige Tage nach dem mit großem Pressecho verkündeten Star wieder einkassiert wurde, weil man lediglich 15 Millionen Euro Budget für 3.750 Förderanträge eingeplant hatte und die Nachfrage ein Vielfaches höher war.

Das Kompass-Budget mochte Christiane Koenig vom BMAS mir nicht verraten. Insgesamt stehen dem Bund für die nächsten vier Jahre 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung, damit sollen aber auch noch zahlreiche weitere Förderprogramme finanziert werden. Sie sei sich aber sicher, dass das Geld reichen werde!

Fragen im Chat zeigen Informations- beziehungsweise Entscheidungsbedarf zum Programm

Von den fast 500 Kommentaren bezogen sich viele auf die Tonqualität, z. B. war der Ton des gezeigten Kompass-Werbevideos (siehe oben) auch bei dessen Wiederholung teilweise nicht zu hören. Die BMAS-Mitarbeiter/innen und Teilnehmer/innen nahmen es mit Humor: "Ein Stummfilm" lautete ein Kommentar und "Das bestätigt den Weiterbildungsbedarf in Sachen Digitalisierung" ein anderer, der mich per Messenger erreichte.

Neben den oben bereits erwähnten Themen wurden auch folgende Fragen im Chat gestellt. Ich habe sie jeweils thematisch zusammengefasst und das gemeinsame Thema hervorgehoben:

  • "Das Entscheidende, dass Solo-Selbstständige in Vorleistung gehen müssen, haben wir gehört." – "Die Vorfinanzierung dieser Angebote überfordert viele Solo-Selbstständige." – "Gibt es eine Sicherheit [, die Vorleistung] zurückzubekommen?" – "Gibt es spezielle Möglichkeiten, bei denen Solo-Selbstständige nicht im Voraus bezahlen müssen und die Kosten für die Weiterbildung direkt vom Bildungsträgerinstitut übernommen werden?" (Es gab viele weitere Kommentare speziell zu diesem Thema.)
  • "Wie lange dauert der Abrechnungs-/ Erstattungsprozess?"
  • "An wen wenden sich Solo-Selbständige aus Niedersachen, Bremen und anderen Bundesländern, in denen keine Anlaufstelle ist?" – "Für Niedersachsen gibt es keine Anlaufstellen, kann ich das daher auch telefonisch machen?" – "Wie ist die regionale Zuständigkeit für die verschiedenen Anlaufstellen festgelegt? Gibt es dabei Begrenzungen oder hängt es vom Standort ab? Ist es derzeit möglich, eine Online-Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen?" (Es gab viele weitere Kommentare auch zu diesem Thema!)
  • "Kann auch der eine Mitarbeiter des Selbstständigen oder nur der Selbstständige selbst mit der Maßnahme gefördert werden?" – "Kann der Solo-Selbstständige auch seinen einen Vollzeitangestellten (möglicher Betriebsnachfolger) fördern lassen?" – Ein anderer Teilnehmer antwortete darauf direkt: "Das war den Förderrichtlinien zufolge ausgeschlossen."
  • "Welche Kompetenzen haben die Berater der Ansprechpartner, die wirklich individuell benötigten Kenntnisse und den Bildungsbedarf darstellen zu können?"
  • "Kompass sieht kein Einzelcoaching vor. Gibt es inhaltliche – aus der Situation der Solo-Selbstständigen her abzuleitende – Gründe? Unsere Erfahrungen sind andere und ein guter Mix aus Workshop und Einzelberatung wäre aus unserer Sicht sinnvoller." – "Warum können wir keine Einzelcoaching-Maßnahmen organisieren? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Maßnahmen in Bezug auf Ergebnisse, Effektivität und Flexibilität für Solo-Selbstständige besser geeignet sind." – "Aus meiner Förderpraxis im Jobcenter suche ich sie oft schon dringend, aber das meiste ist eher dann konkrete Beratungsdienstleistung, z.B. im Bereich Onlinemarketing, das benötigt wird... ;-)" – "Für mich ist es auch nicht zu ersehen, ob die Qualifzierungen komplett in der Gruppe stattfinden müssen (Mindestgröße?) oder auch vereinzelt Einzelgespräche möglich sind?"
  • "Sind mit '20 Stunden' 20 Unterrichtseinheiten oder Zeitstunden gemeint?" (mehrfach)
  • "Gibt es eine Mindestgröße für die Anzahl von Teilnehmer/innen in Weiterbildungsmaßnahmen?"
  • "Viele Weiterbildungen z.B. Meister, Techniker, Fachwirte dauern länger als sechs Monate. Fallen diese Qualifizierungen damit raus?"
  • "Wie weist man die 51 Prozent Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nach?" –"Ich habe mal nebenher gelesen: 'Nachweis über zweijährige Bestandsdauer am Markt (zum Beispiel durch Handelsregisterauszug)' ... Wer hat denn das geschrieben? Die wenigsten Solo-Selbstständigen werden im Handelsregister eingetragen sein."
  • "Gibt es Alters-Unter-/Obergrenzen?"
  • "Gerade verschiedene Berufsverbände haben ja schon lange auf diesen Bedarf reagiert und entsprechend kompakte Angebote für ihre Branche zugeschnitten. Ist es möglich, auch solche kompakte bestehende Angebote ggf. zu kombinieren?"
  • "Was ist im Fall von Krankheit, Abbruch etc.?"

Noch keine Liste mit Ansprechpartnern und Kontaktdaten der Anlaufstellen

Häufig wurde auch die Frage gestellt, ob das BMAS Marketingmaterialien wie etwa einen Flyer zur Verfügung stellt und zu meiner Überraschung auch, ob eine Liste der Anlaufstellen veröffentlicht wird. Tatsächlich gibt es eine solche ja bereits, auf die dann auch im Chat verwiesen wurde. Diese listet allerdings bei näherer Betrachtung keine Namen und Kontaktdaten auf, sondern nur die Namen der Organisationen, Ort, Bundesland und Website. Bis auf drei Ausnahmen war am Vorabend des Programmstarts auf diesen Webseiten noch kein Hinweis auf das Kompass-Programm oder Ansprechpartner zu finden.

Auch eine eigene Website für das Kompass-Programm scheint es bisher nicht zu geben, auch war nicht die Rede davon, dass eine solche zum Programmstart gelauncht wird. Da der Begriff "Kompass" auch für viele andere, teils öffentlich geförderte, Programme für ganz andere Zielgruppen genutzt wird, hilft auch eine Google-Suche nach "Kompass" in Kombination mit "Weiterbildung" oder "Anlaufstellen" nur beschränkt weiter.

Wir haben aus diesem Grund eine eigene VGSD-Liste der Kompass-Anlaufstellen erstellt – und da wo es noch keine Kontaktdaten der Ansprechpartner auf den entsprechenden Webseiten gibt, nach diesen gefragt.

Bei dieser Frage platzt der Chat aus allen Nähten

Auf die Frage von Eckbert Holthuis von der EU-Kommission, warum es in Deutschland eigentlich so wenige Solo-Selbstständige gebe, platzt der Chat fast aus den Fugen. Auch wenn dieses Thema sich nicht direkt auf das Kompass-Förderprogramm bezieht, hier eine Auswahl der zahlreichen und vielsagenden Antworten der Zuschauer/innen:

  • "In Deutschland werden den Solos ja jede Menge (Regulierungs-)Steine in den Weg gelegt."
  • "Über allem droht die Scheinselbstständigkeit à la Rentenversicherung Bund"
  • "Wir sind nicht 'scheiternfreundlich'."
  • "Definitiv zu bürokratisch"
  • "Deutschland ist nicht gründerfreundlich. Die SPD bzw. Hubertus Heil sind nicht bereit, Hürden aus dem Weg zu räumen, z.B. höhere Beitragslast in der GKV." (Anmerkung: In Bezug auf die GKV-Beitragslast benötigt er allerdings auch die Unterstützung seinen SPD-Ministerkollegen Professor Karl Lauterbach.)
  • "... und ganz schnell wird man in den prekären Bereich angesiedelt"
  • "Rechtsunsicherheit bei Statusfeststellungsverfahren ist eine Riesen-Blockade: Obwohl ich in der zweiten Instanz mein Statusfeststellungsverfahren gegen die DRV gewonnen habe, ist der Auftraggeber nicht mehr bereit, weiter zu beauftragen."
  • "Deutschland ist sehr bürokratisch, und dazu gibt es reglementierte Berufe und Tätigkeiten, die z.B. im Handwerk ohne Meister nicht angemeldet werden können... und für Migranten steht oft zuerst ein großer Berg, der zu erklimmen ist, besonders, wenn man keine akademische Bildung hat und im Herkunftsland keine formalen Kriterien und viele Genehmigungen brauchte..."
  • "In Deutschland herrscht in vielen Entscheiderkreisen (insbesondere Politik) die Ansicht, dass man Solo-Selbstständigkeit eigentlich nicht aus freiem Willen wählt, sondern aus der Not heraus. Und die Politik legt sich ins Zeug, um die Leute wieder 'ins normale System' zu zwingen."
  • "Ich bin seit 14 Jahren selbstständig. Hätte ich mich zu Beginn für GKV, DRV oder freiwillige Arbeitslosenversicherung entschieden, dann wäre ich innerhalb der ersten zwei Jahre mit Sicherheit in die Insolvenz geschliddert. Die Sozialversicherung in Deutschland ist für Selbstständige dysfunktional."
  • "Sollte Hubertus Heil die Rentenversicherungspflicht für Solos bei der DRV umsetzen, dann wird es für viele Menschen praktisch unmöglich in die Selbstständigkeit zu wechseln."
  • "Bei der Bundesregierung ... steht in diesem Jahr ... die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige auf dem Programm.  Wenn dabei nicht die Gesamtbelastung - insbesondere mit den Krankenkassenbeiträgen - der Selbständigen berücksichtigt werden, wie passt das zusammen?"

Hinweis in eigener Sache: Keines dieser Statements stammt von mir oder einem anderen VGSD-Vertreter. Auch hatten wir unsere Mitglieder nicht auf die BMAS-Auftaktverantaltung zum Kompass-Programm aufmerksam gemacht. Wir sehen die Hauptgründe für die negative Entwicklung der Selbstständigen-Zahlen aber ganz ähnlich, wie die anwesenden Solo-Selbstständigen sowie Vertreter von Weiterbildungseinrichtungen und Verbänden.

VGSD-Experten-Talk folgt, sobald Details feststehen

Das BMAS wird die offenen Fragen unter Hochdruck klären. Wir sind bereits im Gespräch mit den Ansprechpartner/innen dort, um einen Experten-Talk zu veranstalten, sobald dies der Fall ist. Dann könnt ihr die Antworten auf obige Frage direkt von den Programm-Verantwortlichen erfahren, um das Angebot möglichst effektiv nutzen zu können. Wir bitten euch noch um ein wenig Geduld!

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