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Lesetipp "Work4Germany-Fellowship-Programm" BMAS setzt Leiharbeiter/innen ein – nennt die Sache aber nicht beim Namen

Das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) setzt auf externe Expertise – über das "Work4Germany-Programm". Klingt gut, aber ist in Wahrheit ein schönes Wort für Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ).

Der Fellow als Zwischending zwischen Employee und Freelancer?

Unser Mitglied Marcel Misch, der sich zuvor bereits mit der Deutschen Rentenversicherung kritisch auseinandergesetzt hatte, weil sie selbst Arbeitsformen praktiziert, die sie bei anderen verfolgt, wollte für seinen Blog freelance-now genauer wissen, was es mit Work4Germany auf sich hat. Kaum stellte er jedoch mit Bezug auf eine Pressemitteilung (PM) zu dem Programm Fragen an die Presseabteilung des BMAS, entfernte diese die von ihm angesprochene PM von der BMAS-Website. (Leider konnten wir auch in Internet-Archiven kein Backup von ihr finden, um es hier zu verlinken.). Marcels Fragen zum Programm blieben dagegen weitgehen unbeantwortet: "Das BMAS erschwert anderen die agile Arbeit, betreibt sie aber selbst über ein undurchsichtiges Konstrukt und bleibt hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Transparenz weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück."

Doch von Anfang an:

Seit 2020 beteiligt sich das BMAS regelmäßig am Work4-Germany-Programm der bundeseigenen DigitalService GmbH, das "Innovationstalente aus der Privatwirtschaft" zeitlich befristet in die Bundesverwaltung bringt. Das Ziel: Ein "interdisziplinärer Wissenstransfer" und die "gemeinsame Weiterentwicklung der Arbeitskultur in der öffentlichen Verwaltung". Etwa durch Einführung agiler Methoden oder zur Digitalisierung von Gesetzgebungsprozessen – also für Tätigkeiten, die normalerweise Selbstständige ausüben.

Auf der LinkedIn-Seite des Ministeriums gibt es Posts über das Programm, aus denen Marcel den Hintergrund der "Fellows" ableiten konnte: "Die meisten sind zwischen 25 und 40 Jahre alt, ein großer Teil sind Selbstständige. Die Vermutung liegt nahe, dass viele sich auf die Arbeitnehmerüberlassung einlassen, weil in der Digitalbranche akuter Auftragsmangel herrscht – wegen der vom BMAS selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit." 

So viel verdienen die "Fellows"

Die DigitalService GmbH verspricht den Fellows Bedingungen nach "TVöD", also dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Marcel hat ermittelt, dass je nach Berufserfahrung zwischen Entgeltgruppe 12 und 14 bezahlt wird. Das sind etwa 5.400 Euro brutto – für einen selbstständigen IT-Berater ein recht überschaubares Salär.

Der DigitalService spielt mit offenen Karten: "Wir haben uns dafür entschieden, die Fellows beim DigitalService befristet anzustellen und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüber­lassungsgesetz in den jeweiligen Bundesministerien einzusetzen."

Tabu-Wort "Arbeitnehmerüberlassung"?

Marcel ist aufgefallen, dass ausgerechnet das BMAS, das doch mit gutem Vorbild vorangehen sollte, in seiner Kommunikation auf LinkedIn und in der zwischenzeitlich deaktivierten Pressemitteilung den Begriff der Arbeitnehmerüberlassung auffällig vermeidet. Liegt das daran, dass das BMAS und die sie seit 12 Jahren führende SPD Leiharbeit ansonsten regelmäßig als prekäre Beschäftigungsform anprangern? Entsprechend war Marcels erste Frage an das BMAS, warum es in seiner Kommunikation nicht die rechtlich korrekte Bezeichnung verwendet und stattdessen nur von "Fellows" spricht. Er hinterfragte des Weiteren, ob die Einstufung in die Einkommensklassen korrekt erfolgt. 

Nach neun Monaten besteht bei ANÜ ein Anspruch auf "Equal Pay" (§ 8 Abs. 4 AÜG). Werden die Fellowships beim Bund auf drei bis sechs Monate begrenzt, um dies zu umgehen? Marcel fand auch Hinweise auf wiederholte Fellowships derselben Person und warf die Frage auf, ob dann nicht Equal Pay hätte gelten müssen. 

Ein wichtiges Argument für zeitlich befristete Arbeitsverträge und auch Arbeitnehmerüberlassungen ist die Perspektive einer nachhaltigen Beschäftigung. Das ist nicht nur für die Leiharbeiter/innen wichtig, sondern auch für das Ministerium, denn um echte Innovationen umzusetzen, braucht es mehr Kontinuität und also mehr Zeit als drei bis sechs Monate. Marcel fragte auch: Welche konkreten Erfolge wurden durch die kurzfristigen Fellowships erzielt und was wurde für das Programm ausgegeben?

Alle Fragen, kompletter Mailverkehr

Alle zehn Fragen von Marcel und den vollständigen Mailverkehr mit den Antworten des BMAS findest du als VGSD-Mitglied in den beiden folgenden PDFs:

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BMAS ging auf keine von Marcels' Fragen ein

Auf Marcels zehn Fragen antwortete das BMAS in allgemeiner Form, ohne auf eine einzige seiner Fragen direkt einzugehen:

"Work4Germany ist ein Fellowship-Programm der DigitalService GmbH des Bundes, das Innovationstalente aus dem Privat- und Nonprofit-Sektor (sogenannte 'Fellows') mit Innovationstreiberinnen und Innovationstreibern der Bundesministerien für einen begrenzten Zeitraum zusammenbringt. Das Ziel von Work4Germany ist ein interdisziplinärer Wissenstransfer und die gemeinsame Weiterentwicklung der Arbeitskultur in der öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus zielt das Work4Germany-Fellowship darauf ab, Weiterentwicklung und Weiterbildung für die Beteiligten zu ermöglichen, Vernetzung zu fördern und Einblicke in unterschiedliche Ressorts sowie Unternehmen zu geben.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in den letzten Jahren mit einzelnen Projekten an den Work4Germany-Fellowships teilgenommen und von dem Fach- und Praxiswissen sowie dem 'Blick von Außen' der jeweiligen Fellows profitiert. Hierbei hatten und haben die Fellows die Rolle von Impulsgebern, Wissensträgern, Innovationstalenten und Coaches für die abteilungsübergreifende Erprobung und Einführung agiler Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen in der Ministerialverwaltung.

Bei den Einsätzen der Fellows kommt das BMAS den arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen sowie allen weiteren einschlägigen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber den eingesetzten Fellows im vollen Umfang nach. Dazu zählt auch, dass im BMAS die gesetzlichen Regelungen der Arbeitnehmerüberlassung eingehalten werden. Insbesondere werden die Fellows vom ersten Einsatztag an zu arbeitsvertraglichen Konditionen beschäftigt, die den tarifvertraglichen Regelungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes entsprechen.

Neben der Teilnahme an dem Work4Germany-Fellowship setzt das BMAS zahlreiche Projekte, Aktivitäten, Einheiten und Netzwerke (beispielsweise Agile Coaches, Flexi-Team, FlexProjektteams), die jeweils einen Beitrag zur zukunftsfähigen Gestaltung der Arbeitswelt leisten sollen, selbst um. Ein Teil der BMAS-eigenen agierenden innovativen Einheiten und Aktivitäten entstanden mit Hilfe des interdisziplinären Wissenstransfers aus dem Work4Germany-Fellowship. Gemeinsam konnte hier die Arbeitskultur im BMAS erfolgreich weiterentwickelt werden."

"Aus unserer Sicht abschließend beantwortet"

Parallel zu dieser Antwort verschwand die fragliche Pressemitteilung wie schon erwähnt von der BMAS-Website. Darauf von Marcel angesprochen, antwortete das Ministerium mit einem Einzeiler: "Mit unserer Antwort vom vergangenen Mittwoch haben wir Ihre Anfrage aus unserer Sicht abschließend beantwortet."

Verglichen mit den 414 Millionen Euro IT-Projekt-Volumen der DRV, um die es bei der DRV geht, ist die dreistellige Zahl von "Fellows", die die DigitalService GmbH in Leiharbeit geschätzt an Ministerien vermittelte, eine vergleichsweise überschaubare Angelegenheit und wir freuen uns ja grundsätzlich über jeden Impuls, den die Verwaltung aufnimmt, um agiler zu treten. Warum aber so viel Instransparenz beim Programm "Work4Germany"?

Hoffnung auf Wandel durch Bärbel Bas

Marcel setzt seine Hoffnung auf die neue Arbeitsministerin: "An der Spitze steht nun Bärbel Bas. Sie könnte die Karten auf den Tisch legen – oder das Schweigen fortführen. Gerade weil das Projekt eigentlich die Modernisierung der Verwaltung befördern soll, wäre das mutige Offenlegen von Zahlen, Regeln und Ergebnissen das konsequente Signal: Innovation und Transparenz sind keine Gegensätze – sie sind zwei Seiten derselben Medaille."

Was denkst du über das Work4Germany-Programm? Wirksamer Innovations-Schritt oder PR-Geklingel mit Trendbegriffen zur Verschleierung von Arbeitnehmerüberlassung? Wir sind gespannt auf deine Meinung!

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