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Besteht Sozialversicherungspflicht für selbstständige Lehrer, Dozenten und Trainer?

Selbstständige "Lehrer und Erzieher" sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig - und zwar völlig unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie tätig sind. Wir erläutern, welche Sozialversicherungspflichten bestehen und worauf du achten musst.

Jeder, der Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mensch zu Mensch vermittelt, gilt als Lehrer oder Erzieher;

Viele unserer Interessenten arbeiten als Trainer, Dozenten, Berater oder Coachs, die sich durch eine angebliche Rentenversicherungspflicht bedroht fühlen. Die gute Nachricht vorweg: Nicht sozialversicherungspflichtig bist du als "Lehrer oder Erzieher", wenn du ...

  • nur eine Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale laut § 3 Nr. 26 und 26a EStG bekommst,
  • geringfügig beschäftigt bist ("Minijob" bis 450 Euro pro Monat) oder
  • nur gelegentlich kurzfristige, nicht "berufsmäßige" Lehraufträge übernimmst (bis zu zwei Monaten bzw. 50 Tagen pro Jahr),
  • bereits eine (Alters)Rente oder Pension beziehst,
  • deinerseits eigene (sozialversicherungspflichtige) Mitarbeiter beschäftigst oder
  • bereits vor dem 30. September 2001 einen Antrag auf Befreiung von der Sozialversicherungspflicht gestellt hast.

Glück im Unglück: Falls du tatsächlich rentenversicherungspflichtig sein solltest, heißt das noch nicht, dass du automatisch auch alle anderen Sozialversicherungsbeiträge zahlen musst!

Wie wirkt sich die Rentenversicherungspflicht auf übrige Sozialversicherungen aus?

### Eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entsteht normalerweise nur dann, wenn Sie früher schon einmal Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse waren, zurzeit aber keinen privaten oder gesetzlichen Versicherungsschutz nachweisen können! Erst ab 2009 werden ausnahmslos alle Selbstständigen ohne Krankenversicherungsschutz Zwangsmitglieder in der GKV. Die Pflegeversicherung folgt dabei grundsätzlich der Krankenversicherung.

Eine Pflichtversicherung für Selbstständige in der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es normalerweise nicht: Die meisten Berufsgenossenschaften sind nur für abhängig beschäftigte Mitarbeiter zuständig. Freiberufler und Unternehmer können aber freiwillig Mitglied werden. Die Mitgliedschaft in der Arbeitslosenversicherung ist für Selbständige ebenfalls freiwillig.

Eine freiwillige Mitgliedschaft ist meistens auch in den übrigen Zweigen der Sozialversicherung möglich - wenn auch nur in bestimmten Fällen wirtschaftlich sinnvoll (z. B. im Alter und wegen der Mitversicherung von Familienangehörigen).

Wer sind Lehrende im Sinne des Rentenversicherungsrechts?

Zurück zu den selbstständig Lehrenden: Jeder, der Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Mensch zu Mensch vermittelt, gilt als Lehrer oder Erzieher im Sinne des Rentenversicherungsrechts. Auf die Ausbildung, ein bestimmtes (Pädagogik-)Studium oder gar ein staatliches Lehrerexamen kommt es nicht an. Der Inhalt des Unterrichts ist ebenso wenig entscheidend wie die Art des Auftraggebers. Das hat das Bundessozialgericht in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2000 unterstrichen.

Als Lehrer gelten zum Beispiel VHS-Dozenten, Handwerkskammer-Ausbilder, Fitness- und andere Sporttrainer, Tanz-, Fahr- oder Sprachlehrer. Sogar Verkaufs-, Rhetorik- oder Kommunikationstrainer von Geschäftskunden laufen Gefahr, von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als besonders "schutzbedürftig" und daher rentenversicherungspflichtig eingestuft zu werden!

Wichtig: Journalisten und Publizisten, die Ihr Know-how schriftlich oder auf andere Weise (multi)medial unter die Leute bringen, sind hingegen keine Lehrer: Für die Sozialversicherung der Kreativberufe ist die Künstlersozialkasse zuständig. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um eine Pflichtversicherung!

Sind Beratern oder Coaches rentenversicherungspflichtig?

Individuelle Beratung und Coaching gelten grundsätzlich nicht als Lehrtätigkeit: Berater und Coaches sind also nicht rentenversicherungspflichtig. Allerdings handelt es sich bei der Abgrenzung zwischen Unterricht/ Training und Beratung um eine schwierige Gratwanderung.

Wer Managerseminare, Firmenschulungen, Workshops oder Trainings anbietet, tut daher gut daran, auf seinen Angeboten und Rechnungen die Lösung von Einzelproblemen, das gezielte Beheben von Defiziten oder die Förderung individueller Stärken der Teilnehmer in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die allgemeine Qualifizierung!

Wie hoch sind die Beiträge zur Rentenversicherung?

Handelt es sich um eine Lehrtätigkeit, die nicht als Angestellter oder Beamter ausgeübt wird, müssen auf die erzielten Einkünfte zunächst einmal Steuern bezahlt werden - klar. Für viele Selbständige überraschend sind jedoch die fälligen Rentenversicherungsbeiträge.

Teuer und manchmal geradezu existenzbedrohend wird die Sache vor allem dann, wenn die Versicherungspflicht nachträglich festgestellt wird (zum Beispiel im Rahmen von Betriebsprüfungen beim Auftraggeber) - und daraufhin hohe Nachzahlungen festgesetzt werden. Besonders schmerzlich: Da Selbständige keine "Arbeitgeber" haben, müssen sie bei gleichem Einkommen in vielen Fällen doppelt so hohe Beiträge entrichten!

Die Höhe der Beiträge kann auf zweierlei Wegen ermittelt werden:

  • ### auf Basis der "monatlichen Bezugsgröße" (zurzeit 2.485 Euro in den alten Bundesländern und 2.100 Euro in den neuen): Bei einem RV-Beitragssatz von 19,9 % (Stand: 2008) ergibt sich daraus der ein stolzer "Regelbeitrag" von 494,52 Euro (West) bzw. 417,90 Euro (Ost). Glück im Beitragsunglück haben Gründer und Jungunternehmer: In den ersten drei Jahren ist nur der halbe Regelbeitrag fällig (zurzeit 247,26 Euro bzw. 208,95 Euro).
  • nach tatsächlichem Einkommen: Wer Verluste macht oder durchschnittliche monatliche Gewinne von bis zu 400 Euro erwirtschaftet, kann den Mindestbeitrag von 79,60 Euro in Anspruch nehmen. In der monatlichen Gewinnzone zwischen monatlich 401 Euro und 2.485 Euro (im Westen) und 2.100 Euro (im Osten) liegen die einkommensgerechten Beiträge unter dem Regelsatz. Einkommensgerechte Beiträge werden aber nur auf Antrag gewährt.

Als Arbeitseinkommen gilt dabei der - auf den Monat umgerechnete - Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit laut letztem Einkommensteuerbescheid. Liegt der noch nicht vor, darf das jährliche Arbeitseinkommen auch geschätzt werden.

Falls du dich für einkommensgerechte Beiträge entscheidest, musst du deinen Einkommensteuerbescheid innerhalb von zwei Monaten unaufgefordert der Rentenversicherung vorlegen. Beitragsänderungen werden dann ab dem nächsten Monat berücksichtigt. Rentenversicherungsbeiträge sind grundsätzlich am drittletzten Arbeitstag eines Monats fällig.

Wo kann ich die Regelung nachlesen?

Die drohende Beitragspflicht ist Grund genug, sich mit den Rechtsgrundlagen vertraut zu machen: Die Rentenversicherungspflicht von Selbstständigen ist im Grundsatz in § 2 SGB VI geregelt. Die meisten Abgrenzungsprobleme und bösen Überraschungen gibt es erfahrungsgemäß bei der Feststellung der Rentenversicherungspflicht von Lehrern und Erziehern. Das Sozialgesetzbuch sieht darüber hinaus aber auch eine Pflichtmitgliedschaft von selbstständig tätigen Pflegepersonen, Hebammen, Lotsen, Küstenschiffern etc. vor.

Obligatorisch rentenversichert sind außerdem die Empfänger des Existenzgründungszuschusses ("Ich-AGs") - und das völlig unabhängig davon, welche Tätigkeit sie ausüben. Wer den Gründungszuschuss bekommt, ist als solcher (!) hingegen nicht automatisch pflichtversichert in der Rentenversicherung: Bei diesem Personenkreis ist die Zwangsmitgliedschaft abhängig von ihrer konkreten Tätigkeit.

Wichtig: Im Gesetz sind nicht nur die Beitragspflicht und die sich daraus ergebenden Rentenansprüche geregelt: Laut § 190a SGB VI müssen sich versicherungspflichtige Selbstständige innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der DRV melden. Wer die Meldepflicht verletzt, muss später nicht nur mit Nachzahlungen rechnen, sondern sogar mit einer Geldbuße von bis zu 2.500 Euro rechnen.

Unsere Empfehlungen

### Die wichtigsten Tipps:

  • Kläre, ob du als Selbstständiger im Sinne des Rentenrechts giltst. Nutze dafür nicht nur die Informationsbroschüre der DRV (PDF, 872 KB), sondern frag auch bei deinem Berufs- oder Branchenverband nach.
  • Einen guten Überblick über die Bestimmungen der Sozialversicherung für selbständige Dozenten (und vergleichbare Selbstständige) gibt darüber hinaus der gleichnamige Ratgeber von Sozialexperte Erwin Denzler (10 Euro): Der Autor weiß, wovon er schreibt: Er selbst arbeitet seit fast 20 Jahren als freiberuflicher Dozent.
  • Stelle im Zweifelsfall in Absprache mit deinen Auftraggebern durch unmissverständliche Leistungsbeschreibungen klar, dass du beratende und keine lehrende Tätigkeiten ausüben!
  • Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, kannst du auch das sogenannte Statusfeststellungsverfahren einleiten. Erläuterungen zum "Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" gibt es auf der DRV-Website. Bevor du mit der Antragstellung ein Eigentor schießt, solltest du fachkundigen Rat einholen.
  • Falls du tatsächlich Rentenbeiträge zahlen musst: Rechne nach, ob sich die - oft schlecht bezahlten - Lehraufträge nach Abzug der Beiträge und dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand überhaupt noch lohnen.
  • Prüfe auch, ob sich die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eines Mitarbeiters rechnet: Dieses Kriterium kann bereits durch Vergabe eines Midi-Jobs erfüllt werden (ab 451 Euro pro Monat).

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