73 Prozent der Bundesbürger sehen den Staat als überfordert, im ersten Coronajahr waren es noch 40 Prozent. Erstmals ist eine Mehrheit der Meinung, der öffentliche Dienst koste den Steuerzahler zu viel Geld, darunter besonders viele Selbstständige.
Ausgerechnet der Deutsche Beamtenbund, der inzwischen "dbb beamtenbund und tarifunion" heißt, ist Auftraggeber einer Studie, die das abnehmende Vertrauen in unseren Staat und seine Diener dokumentiert. Es handelt sich um eine repräsentative Befragung von 2.021 Bürger/innen ab 14 Jahren durch das Forsa-Institut, die im Juli 2025 stattfand. Die Ergebnisse stellte der dbb heute vor.
Schlechte Werte des Vorjahrs haben sich nochmals verschlechtert
Die Rheinische Post kommentiert die Ergebnisse in einem Beitrag heute wie folgt: "Bürger haben kaum noch Vertrauen in den Staat ... Die katastrophal schlechten Werte für das Zutrauen der Deutschen in die Handlungsfähigkeit ihre Staates haben sich noch einmal verschlechtert."
73 Prozent (+3 gegenüber Vorjahr) der Befragten gaben an, der "Staat ist in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme überfordert". 2020, im ersten Corona-Jahr, waren es noch 40 Prozent. Damals sahen 56 Prozent der Befragten den Staat in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen, heute sind es mit 23 Prozent nur noch halb so viele.
Zweifel vor allem an Sozialsystem/Rente und Steuersystem gewachsen
Die größten Vorbehalte ("der Staat ist bei folgenden Aufgaben überfordert") sehen die Befragten in der Asyl- und Flüchtlingspolitik (30 Prozent, unverändert), den sozialen Sicherungssystemen und der Rente (16 Prozent, +5), der Schul- und Bildungspolitik (15 Prozent, -4) und der Steuer- und Finanzpolitik (13 Prozent, +5).
Trotz des neu eingerichteten Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung unter Karsten Wildberger, an das zahlreiche andere Minister/innen Aufgaben abgeben mussten, sind nur 22 Prozent der Befragten der Ansicht, dass "die neue Bundesregierung ... die Leistungsfähigkeit des Staates stärker fördern (wird) als die bisherige". 70 Prozent verneinen die Frage und geben an: "es wird sich nichts ändern".
Dazu trägt bei , dass immer mehr befragte Bürger "die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im Vergleich zu den letzten Jahren" als geringer bewerten. Gaben dies 2020 noch 34 Prozent an, sahen bei der aktuellen Befragung 47 Prozent eine Verschlechterung.
Oberster Beamter setzt Hoffnungen auf neuen Digitalminister
Beamtenbund-Chef Volker Geyer setzt seine Hoffnungen auf den neuen Digitalminister: "Wenn es Karsten Wildberger gelingt, Digitalisierung und KI-Einsatz in der Verwaltung endlich flächendeckend voranzubringen, spart das nicht nur Kosten und entlastet die Kolleginnen und Kollegen. Es erfüllt auch die klare Forderung der Bürgerinnen und Bürger."
Und Geyer wird noch deutlicher: "Union und SPD müssen jetzt geschlossen auftreten und abliefern ... Sie müssen die Dinge, die den Menschen wichtig sind, ... jetzt professionell abarbeiten. Wenn davon wieder nichts im Alltag der Menschen ankommt, folgt auf den ungebremsten Sinkflug des Vertrauens ein ganz harter Aufprall."
Weniger und einfachere Vorschriften, schneller, digitaler und klar abgegrenzt
Was sich aus Sicht der Bürger/innen ändern muss ist dabei recht klar:
- 85 Prozent wünschen sich "eine Verringerung und Vereinfachung der vielen Vorschriften"
- 79 Prozent "eine deutliche Verkürzung der Bearbeitungszeiten"
- 66 Prozent "ein vermehrtes Angebot von Dienstleistungen, die online erledigt werden können"
- 58 Prozent "eine klarere Regelung der Zuständigkeit der einzelnen Behörden"
Erstmals gab eine Mehrheit der Befragten (50 Prozent, +7) an, dass der öffentliche Dienst den Steuerzahler zu viel Geld koste. Darunter waren besonders viele Selbstständige: 69 Prozent von ihnen bejahte diese Frage, unter Arbeitern waren es 60 Prozent, unter Angestellten 53 Prozent und unter öffentlich Beschäftigten 32 Prozent.
69 Prozent der Selbstständigen halten öffentlichen Dienst für zu teuer
Was die politischen Parteien betrifft, bekam die Frage nach den zu hohen Kosten des öffentlichen Dienstes von Wählern der Linken mit 76 Prozent die höchste Zustimmung, von Wählern von Grünen (26 Prozent), AfD (33 Prozent) und SPD (34 Prozent) die geringste. Die Unionswähler (49 Prozent) lagen am nächsten an der Einschätzung aller Befragten.
Volker Geyer vom dbb kommentiert dieses Ergebnis: "Wir fordern ... schon lange, dass endlich die notwendigen gesellschaftlichen Debatten geführt werden: Welche Aufgaben muss und kann der Staat zukünftig noch erfüllen? ... Angesichts knapper Kassen und vor allem dem immer drastischeren Personalmangel, führt an dieser Diskussion kein Weg vorbei."
Situation führt zu Ansehensverlust von öffentlichem Dienst
Und auch hier wird er noch deutlicher: "Dass die offensichtlich vorhandenen Probleme bislang eher ausgesessen wurden, hat nicht zuletzt auch Konsequenzen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und das Prestige ihrer Berufe."
Erstmals seit Erhebung der Daten, haben - wenn auch nur in geringem Maße – Bedienstete der öffentlichen Hand über alle Einrichtungen hinweg an Ansehen verloren. Die Schulnoten haben sich um 0,1 bis 0,3 Noten verschlechtert. Gleichgeblieben sind sie nur bei Kindergärten, Schulen und Bibliotheken. Die größte Verschlechterung war im Bereich Sozialversicherung, Gerichte, Sozialämter und Arbeitsämter zu beobachten.
Ministerien werden besonders kritisch gesehen
Die in absoluten Werten schlechteste Schulnote erhielten die Ministerien, wohl weil diese am weitesten vom Lebensalltag der Befragten entfernt sind: Mit einem Notendurchschnitt von 3,7 bei Landes- und 3,9 bei Bundesministerien sehen die Bürger deren Leistungen gerade mal als "ausreichend" an. Das bedeutet in der Sprache der Schulen: "Die erbrachten Leistungen erfüllen die grundlegenden Anforderungen. Es gibt aber erkennbare Mängel in der Leistung."
"Das wird den Kolleginnen und Kollegen, die mehrheitlich überragenden Einsatz trotz widriger Bedingungen zeigen, nicht gerecht. Wirklich dramatisch wird es aber, wenn dieser Ansehehensverlust in Extremfällen in Hass und Gewalt umschlägt", sagt Geyer. 30 (+4) Prozent der Befragten haben schon einmal beaobachtet, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes behindert, belästigt, beschimpft oder angegriffen wurde. Besonders betroffen sind Polizei, Rettungsdienste und Fahrer/innen von Bussen und Straßenbahnen. 84 Prozent der Befragten bestätigte, dass der Umgang der Menschen untereinander rücksichtsloser und brutaler werde.
Warum wir hoffen, dass sich die Mehrheit täuscht
Wir hoffen in diesem Fall, dass sich die 70 Prozent der Befragten täuschen, die auch von der aktuellen-Regierung keine Verbesserung erwarten. Es muss sich endlich etwas ändern: Wir hoffen, dass Union und SPD geschlossen auftreten und liefern, so dass die Dinge ,die den Menschen wichtig sind, möglichst bald im Alltag ankommen. Insbesondere werden wir uns dafür einsetzen, dass dies auch für Selbstständige geschieht. Gerne würden wir den Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst wieder bessere Noten geben können. Bei den Selbstständigen besteht ein besonders großer Hebel für Verbesserungen!
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