Beim Dezember-Treffen widmeten wir uns einem Thema, das Solo-Selbstständige häufig beschäftigt, über das jedoch selten offen gesprochen wird: der Umgang mit Tabu-Themen. Dazu zählen gesundheitliche Einschränkungen, Überforderung, finanzielle Schwierigkeiten sowie Fragen nach Endlichkeit und Tod. Auch Emotionen wie Neid oder Scham gehören dazu.
Ein berührendes Experiment
Bettina Stackelberg, seit Beginn Mitglied der Gruppe, gestaltete den Abend mit einem zweiteiligen Experiment. Im ersten Schritt stellte sie sich mit ihrer beruflichen Expertise als Coach für Selbstbewusstsein sowie einem kurzen Lebenslauf vor. Die Teilnehmenden sollten anschließend ihren Eindruck notieren und sich fragen, ob sie Bettina auf Grundlage dieser Informationen als Coach buchen würden.
Anschließend sprach sie darüber, weshalb es so schwerfällt, über tabuisierte Themen zu sprechen. Viele Menschen meiden solche Gespräche aus Sorge, etwas Falsches zu sagen oder sofort eine Lösung anbieten zu müssen. Bettina teilte dazu einen Ausschnitt aus einem Video mit Simon Sinek, in dem er aufzeigt, was in solchen Situationen der beste Weg ist: Sit in the mud together. In schwierigen Situationen miteinander im Dreck zu sitzen. Dies auszuhalten, zuzuhören und präsent zu sein.
Der zweite Teil: Verletzlichkeit als Ressource
Im zweiten Teil ihres Experiments legte Bettina bewusst ihre professionelle Fassade ab. Sie entfernte ihr Make-up und berichtete offen über wiederkehrende Depressionen, Schlaflosigkeit, Phasen des Sinnverlusts sowie anhaltende finanzielle Engpässe. Dazu stellte sie die Frage, ob sich der Eindruck von ihr verändert habe und man sie mit diesem Wissen als Coach buchen würde.
Die Teilnehmenden reagierten sehr berührt auf diese Offenheit. In den anschließenden Breakout-Sessions entstand ein intensiver Austausch, in dem auch andere ihre selten ausgesprochenen Themen teilten.
Gesellschaftliche und persönliche Dimensionen
Neben individuellen Erfahrungen rückten im Austausch auch gesellschaftliche Fragen in den Fokus:
- Wie gehen wir als Gesellschaft mit Tod und Teuer um?
- Warum erscheinen diesen Themen oft „ausgelagert“, ohne stabilen familiären oder sozialen Rückhalt?
- Weshalb fällt es uns schwer, Trauernde längerfristig zu begleiten, ohne Erwartung, dass schnell „alles wieder gut sein?" müsse?
Ein weiterer Gesprächspunkt war der Umgang mit dem Erfolg anderer – insbesondere dann, wenn die eigene berufliche Situation gerade schwierig ist. Die Teilnehmenden reflektierten, wie Gefühle von Neid entstehen, wie sie auf den eigenen Selbstwert auswirken und inwiefern Gönnen möglich ist.
Lebenserfahrung als berufliche Stärke
Zum Abschluss wurde die Frage diskutiert, wie persönliche Höhen und Tiefen in der eigenen professionellen Tätigkeit nutzbar werden können. Viele kamen zu dem Ergebnis, dass gerade Krisenerfahrungen wertvolle Ressourcen darstellen, um Kund/innen mit echter Empathie und authentischem Rat zu begegnen.
Ausblick
Das neue Jahr starten wir am 12. Januar mit einem Austausch zu „Gute Vorsätze waren gestern. Jahresplanung neu gedacht“. Wir laden ein zu einem inspirierenden Austausch über hilfreiche Methoden und individuelle Wege einer Jahresplanung.
Text: Heike Andersen
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