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Erst das Flussdiagramm, dann das Gesetz Was Armin Laschet mit "Modernisierungsjahrzehnt" meint und wie uns das helfen könnte

Thomas Heilmann und Nadine Schön haben zusammen mit 27 weiteren CDU-Bundestagsabgeordneten und 35 Verwaltungsexperten das Buch "Neustaat" entwickelt, das vor einem Jahr erschienen ist und nun bei der Bundestagswahl eine wichtige Rolle spielen könnte.

Ungewöhnliche Buchvorstellung: Angela Merkel hält eine Laudatio auf "Neustaat", obwohl die Autoren nach 16 Jahren ihrer Amtszeit ein radikales Umdenken verlangen

Das Buch enthält 103 Vorschläge, um den Staat aus der Komplexitätsfalle zu führen, in der er sich befindet und die uns alle ein Stück weit lähmt. Die Autoren sprechen von der Notwendigkeit eines "neuen Reformjahrzehnts" und halten am Ende des Buches ein "Plädoyer für einen staatlichen Mutanfall".

Ganz offensichtlich hatte CDU-Chef Laschet dieses Schlusskapitel im Kopf, als er nach seiner Kür zum Kanzlerkandidaten vor zwei Monaten in einer Grundsatzrede von der Notwendigkeit eines "Modernisierungsjahrzents" sprach.

Auch Angela Merkel hat sich hinter das Buch gestellt, natürlich unter Verweis auf das von ihr in Hinblick auf die Digitalisierung während ihrer Amtszeit Erreichte. Gleiches gilt auch für den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus, der auch das Vorwort zum Buch schrieb. Beide hielten Eröffnungsstatements, als am Mittwoch letzter Woche bei einer Veranstaltung der Bundestagsfraktion die Buchautoren Heilmann und Schön mit ihren Co-Autoren über einen Neustaat/-start diskutierten:

Mitschnitt der von der Unions-Bundestagsfraktion veranstalteten Diskussionsveranstaltung zum "Neustaat"

In einem Anfang dieser Woche veröffentlichten 17-seitigen Positionspapier verdichtet die Bundestagsfraktion unter dem Titel "Neustaat – Deutschland modernisieren, damit Gutes bleibt" das Ganze zu 40 Maßnahmen, die auf Anhieb in der Breite verständlich sein sollen, spricht zum Beispiel von "Kennzahlen" statt von "KPIs".

Darunter sind Forderungen wie "Wir wollen eine Umsetzungswoche im Bundestag einführen", "stärker nach Zielen und Kennzahlen steuern", "den Vollzug des Sozialrechts vereinfachen" (Sozialleistungen sollen "wie aus einer Hand" beim Leistungsempfänger ankommen), "Bürgerbeteiligung von Anfang an zum Standard machen", "Modernisierungsteams in Behörden installieren", "mehr IT-Fachkräfte für den Staat ausbilden", "die Bundesverwaltung zu einem der attraktivsten Arbeitgeber für IT-Experten machen", "einen App-Store für die Verwaltung" einführen usw.

Viele Reformideen von Softwareentwicklung und IT-Projekten inspiriert

Es ist offensichtlich, dass viele Ideen im Positionspapier und vor allem auch im Buch von Softwareentwicklung, agiler Produktentwicklung und IT-Projekten beeinflusst sind. Besonders beeindruckt hat mich persönlich Vorschlag Nr. 72 "Das Verlaufschart als neues Standardinstrument (entsprechende Stelle bei Google Books).

BAGSV-Gespräch mit MdB Thomas Heilmann (oben rechts) am 31.05.21, Heilmann war zuvor Berliner Justizsenator Screenshot: Marcus Pohl

MdB Thomas Heilmann hat uns am Montag letzter Woche auf diesen Vorschlag in seinem Buch aufmerksam gemacht. Bei einem Gespräch mit uns und befreundeten Verbänden im Rahmen der BAGSV haben wir ihm als Sozial- und Digitalpolitiker erklärt, dass erfolgreiche Digitalisierung den rechtssicheren Einsatz von Selbstständigen voraussetzt und deshalb eine echte Reform des Statusfeststellungsverfahrens ins Unions-Wahlprogramm und den Koalitionsvertrag gehört.

Heilmann berichtete seinerseits von der großen Verwaltungsreform, für die er sich einsetzt und erklärte mit ansteckender Begeisterung, dass sie auch die Art und Weise, wie wir Gesetze machen, ändern müsse.

Ziel ist, die Beamten zu mehr Klarheit zu zwingen. Wenn ein Jurist sage: "Es kommt darauf an", frage der Programmierer: "Worauf?" – so fassen es die Autoren in "Neustaat" zusammen. Mit einem Flussdiagramm (im Buch sprechen sie von "Verlaufschart"), das Verwaltungsexperten, Softwareentwickler und Juristen gemeinsam entwickeln, sollen sie aufzeigen, wie geplante Gesetze genau funktionieren sollen. Wer muss in welcher Reihenfolge welche Aufgaben erfüllen? Und das nicht wie bisher NACH der Gesetzesverabschiedung, sondern DAVOR.

So könnte ein Verlaufschart aussehen (Teil 1) – am Beispiel der Wohngeld-Vergabe

Erst das Flussdiagramm, dann Gesetz

Denn wenn man nicht im Detail durchspielt, wie ein Gesetz konkret funktionieren soll, werde die Realisierung zum Problem. Beim Elterngeld zum Beispiel habe man das wie bei fast allen Gesetzen erst getan, nachdem das Gesetz beschlossen worden war, was zu nicht weniger als 80 (!) verschiedenen Formularen geführt habe.

Um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden sollte künftig nicht der Gesetzestext, sondern das Flussdiagramm im Parlament und in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Gesetze sollen dann auf Basis der Verlaufscharts von Spezialisten ("Legisten" oder "Lawmaker", sehr erfahrenern Volljuristen) als Gesetzestexte ausformuliert und dann final in dritter Lesung vom Parlament verabschiedet werden.

Verlaufschart (Teil 2) - Veröffentlichung mit Zustimmung des Verlags

Ein Verlaufschart für das Statusfeststellungsverfahren?

Statt auf 30 Seiten Änderungen am Statusfeststellungsverfahren zu beschreiben und dabei viele wichtige Details offen zu lassen, müsste bei neuen Gesetzgebungsprozessen die Funktionsweise grafisch dargestellt und im Detail durchdacht werden. Funktionsweise und Auswirkungen würden auch für Laien sehr viel besser nachvollziehbar und auch bei der Programmierung könnte viel Zeit gespart werden.

Wenn ein Jurist sagt: "Es kommt darauf an", fragt der Programmierer: "Worauf?" – Flussdiagramme könnten helfen, Gesetze präziser zu formulieren

Wie könnte uns das helfen in Hinblick auf die bestehende Rechtsunsicherheit? - Vielleicht sollten wir Vorschläge für die Reform des Statusfeststellungsverfahrens in Form eines Flussdiagramms aufzeichnen (in einer Variante, bei der nicht gefühlt immer "scheinselbstständig" herauskommt). Das würde eine Automatisierung vereinfachen – und so nicht nur den Ablauf beschleunigen, sondern auch einen Selbsttest ermöglichen.

Davon sind wir allerdings mit der aktuellen Gesetzgebung, die vieles bewusst schwammig hält, noch weit entfernt. Die Gesamtschau der Argumente für und gegen eine Selbstständigkeit wird aus unserer Sicht von der DRV leider oft dazu genutzt, den Gegenargumenten willkürlich stärkeres Gewicht zuzuschreiben.

Ein Modernisierungs-Jahrzehnt – wie es im Neustaat-Buch beschrieben ist, würden wir begrüßen, aber es keinesfalls abwarten wollen. Eine echte Reform des Statusfeststellungsverfahrens muss direkt nach der nächsten Wahl angegangen werden, denn wir brauchen schnellstmöglich eine Reform, die ihren Namen verdient!

Ganz sicher würde dieser Vorschlag und die 102 weiteren Vorschläge der Autoren aber zu einem deutlichen Abbau von Bürokratie und Rechtsunsicherheit führen und wir können die CDU deshalb nur darin bestärken, diese Ideen wirklich umzusetzen und unser Staatswesen entschlossen zu modernisieren.

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