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Umsatzsteuernachschau Steuerprüfung ohne Vorwarnung

Das Wort "Nachschau" klingt harmlos - die Sache hat es aber in sich: Im Unterschied zu einer klassischen Betriebsprüfung darf das Finanzamt bei der "Mini-Steuerfahndung" ohne Ankündigung auf der Matte stehen. Wir nennen die wichtigsten Fakten ...

Bei einer Umsatzsteuer-Nachschau besteht kein Recht auf Durchsuchung

Im Zuge des legendären "Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes" hat die Regierung den folgenreichen Paragrafen 27b in das Umsatzsteuergesetz eingefügt:

Unterschiede zur klassischen Außenprüfung

Eine "normale" Betriebsprüfung (= Außenprüfung gemäß Paragraf 193 bis 203 der Abgabenordnung muss immer schriftlich rechtzeitig angekündigt werden - ganz gleich, um welche Steuerart es sich handelt. Die sogenannte Prüfungsanordnung enthält nicht nur Angaben zum sachlichen Umfang der Prüfung, sondern auch, auf welchen Zeitraum sie sich bezieht. In aller Regel werden zunächst einmal nur einige der theoretisch möglichen letzten zehn Geschäftsjahre unter die Lupe genommen. Gegen diese Ankündigung kann zudem Widerspruch eingelegt werden und so vergehen bis zum eigentlichen Prüftermin normalerweise mindestens mehrere Wochen.

In dieser Zeit können die betroffenen Steuerpflichtigen alle Unterlagen sichten, sich eventuell strittige Vorgänge wieder vergegenwärtigen und falls erforderlich argumentativ unterfüttern. Zumal besteht so mit fachkundiger Unterstützung eines Steuerberaters notfalls die Möglichkeit, "tickende Zeitbomben" zu entschärfen und - wenn alle Stricke reißen - noch vor Eintreffen des Prüfers eine strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten.

Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Steuerfahndung

All diese Möglichkeiten sind dir bei der überraschenden Umsatzsteuer-Nachschau im Prinzip verwehrt: Wie bei der gefürchteten Steuerfahndung dürfen die Finanzamtsmitarbeiter, die sich mit ihrem Dienstausweis legitimieren können,

  • während der Geschäfts- und Arbeitszeiten die betrieblich genutzten Räume von Steuerpflichtigen betreten und
  • die Herausgabe von Unterlagen verlangen.

Das Zutrittsrecht gilt auch für Geschäftsräume innerhalb der privaten Wohnung! Und: Sofern du außerhalb der üblichen Geschäftszeiten in deinem Büro anwesend bist, darf der Prüfer sogar mitten in der Nacht auf der Matte stehen!

Wichtigster Unterschied zur Steuerfahndung:

Das Recht zur Durchsuchung und / oder Beschlagnahme von Unterlagen geht mit einer Umsatzsteuernachschau nicht einher. Sofern du bestimmte Dokumente - zum Beispiel auf Anraten deines Steuerberaters - unter Verschluss hältst, muss sich der Prüfer damit zunächst zufriedengeben. Auch die Prüfung elektronischer Unterlagen ist unzulässig. Du kannst dem Prüfer grundsätzlich sogar das Betreten deiner Räume verwehren - läufst dann aber Gefahr, dass sich der Fiskus den Zutritt mit Zwangsmitteln verschafft. So gerätst du vom Regen in die Traufe: In dem Fall stellt der Staatsgewalt dann gleich das gesamte Untersuchungs- und Fahndungsarsenal zur Verfügung.

Wer sich andererseits damit tröstet, dass es sich ja "nur" um eine Umsatzsteuerprüfung handelt, die eigenen "Leichen" aber in der Gewinnermittlung für die Einkommensteuererklärung vergraben sind, sieht sich getäuscht: Da der weit überwiegende Teil der Buchführungsbelege und steuerlichen Auswertungen einen Bezug zur Umsatzsteuer haben, bleiben dem kritischen Blick erfahrener Prüfer auch andere Unstimmigkeiten nicht verborgen - etwa bei der Einkommen-, Lohn- oder Gewerbesteuer.

In solchen Fällen erlaubt der Nachschau-Paragraf den Finanzamts-Bediensteten nicht nur, diese Erkenntnisse später zu verwerten: Sie dürfen sogar unverzüglich zu einer normalen Betriebsprüfung übergehen! Da es sich um eine Umsatzsteuer-Nachschau handelt, ist von Rechts wegen zwar zunächst nur der Übergang zu einer regulären Umsatzsteuer-Sonderprüfung zulässig.

Sofern der Prüfer jedoch den Eindruck hat, dass "der Prüfungszweck durch eine vorherige Ankündigung gefährdet" ist, dürfen auch die übrigen Steuerarten sofort im Rahmen einer Außenprüfung gründlich untersucht werden.

Nachschau-Anlässe

Da die Steuerbehörden nach wie vor nicht genügend Personal haben, auch nur die mittleren und großen Unternehmen laufend unter die Lupe zu nehmen, stellt sich natürlich die Frage, aufgrund welcher Anhaltspunkte Umsatzsteuernachschauen bei kleinen Betrieben oder Freiberuflern veranlasst werden. Anders gefragt: Wodurch machst du dich "verdächtig"? Anzeichen für Unregelmäßigkeiten können sein:

  • das Fehlen von Umsatzsteuervoranmeldungen, wiederholte Null-Meldungen oder hohe steuerfreie Umsätze,
  • besonders hohe Vorsteuer-Erstattungen ("Vorsteuer-Überhang"),
  • häufiger Wechsel zwischen Umsatzsteuer-Zahlungen und Vorsteuer-Erstattungen,
  • Kontrollmitteilungen anderer Finanzämter (z. B. mit Hinweisen auf Geschäftsbeziehungen zu einem auffälligen oder gar straffälligen Steuerpflichtigen),
  • Umsätze mit unterschiedlichen Steuersätzen,
  • Fehlen eines Steuerberaters,
  • extreme Umsatzsteuerschwankungen oder starke Umsatz-Abweichungen vom Branchendurchschnitt,
  • Kauf eines Firmenmantels statt eigenhändiger Gründung,
  • häufige Verlegung des Unternehmenssitzes oder Wechsel der Branche,
  • Briefkastenfirma (Postanschrift in einem Bürocenter),
  • (anonyme) Anzeige - zum Beispiel durch einen Wettbewerber oder einen Geschäftspartner, der sich schlecht behandelt fühlt,

Mehr noch: Manchmal können sogar scheinbar völlig steuerfremde Sachverhalte die Neugier des Finanzamts wecken: So fallen zum Beispiel bereits ...

  • unvollständige Angaben auf Geschäftsbriefen,
  • ausländische Bankverbindungen,
  • das Fehlen eines gedruckten Briefbogens,
  • der Verzicht auf eine Festnetznummer oder einen Telefonbucheintrag

... auf. Gelegentlich sind auch Routineabgleiche zwischen Behörden (zum Beispiel Abgleich mit den Dozentenlisten der örtlichen Volkshochschule oder Mitteilungen über die Vergabe amtlicher Lizenzen ohne dementsprechende Umsätze) Auslöser für Besuche vom Finanzamt.

Was tun?

Das gesetzlich verbriefte Recht des Finanzamts, ohne Ankündigung eine Umsatzsteuernachschau durchzuführen, bedeutet nicht, dass es auch in jedem Fall wahrgenommen wird: Wie mein eigener Erfahrungsbericht zeigt, meldet sich der Prüfer vielfach vorher an. In solchen Fällen besteht dann die Möglichkeit, sich - am besten zusammen mit dem Steuerberater - gründlich auf die Prüfung vorzubereiten.

Die wichtigsten Verhaltensempfehlungen, wenn ein Prüfer vor der Tür steht:

  • Nimm seinen Dienstausweis genau unter die Lupe!
  • Frage beim zuständigen Finanzamt telefonisch nach, ob es sich tatsächlich um eine Umsatzsteuer-Nachschau handelt (und nicht etwa um einen Schabernack oder Betriebsspionage eines Wettbewerbers!).
  • Benachrichtige sofort deinen Steuerberater. Lade den Prüfer bis zu dessen Eintreffen zu einem Kaffee ein.
  • Sei kooperativ in Bezug auf zulässige Amtshandlungen: Händige die gewünschten Unterlagen aus und gib die gewünschten Auskünfte.
  • Sei dabei freundlich und entgegenkommend, bleibe inhaltlich nach Möglichkeit aber bei den konkreten Fragen: Allzu redselige Steuerpflichtige haben sich schon ohne Not um Kopf und Kragen geredet.
  • Untersage dem Prüfer, eigenhändig nach Belegen und anderen Unterlagen zu suchen.
  • Hindere ihn daran, Unterlagen mitzunehmen: Das ist nicht zulässig.

Tipp am Ende: Bitte um eine schriftliche Zusammenfassung der Prüfergebnisse. Auf die hast du zwar keinen Anspruch - aber ein Versuch kostet ja nichts.

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