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Warum bist du selbstständig? - Heinrich S., Anästhesiologe "Die Selbstständigen bringen die Gesellschaft weiter"

Heinrich ist Anästhesiologe und hat lange Zeit festangestellt im Krankenhaus gearbeitet. Dabei hat er immer wieder erlebt, wie Ärzte um Überstunden betrogen werden, und wie sie ihren Dienst unter erschwerten Rahmenbedingungen schaffen müssen. Er befürchtete, dabei ein "verbitterter, zynischer alter Mann zu werden", wie sie ihm in Krankenhausfluren oft begegnet seien. Da ist er lieber selbstständig geworden.

Symbolfoto: Heinrich reichte es mit der Krankenhausbürokratie. Also machte sich der Anästhesiologe selbstständig

Ich heiße Dr. Heinrich S., von Beruf bin ich Anästhesiologe. Meine jetzige Selbstständigkeit habe ich im Alter von 57 Jahren begonnen.

Unsägliche Verhältnisse im Krankenhaus und der Chef ein "falscher Fünfziger"

Der Auslöser war damals, dass ich die Nase voll hatte von einem neuen Chef, der sich als „falscher Fünfziger“ entpuppte, nachdem ich mir fast zwei Jahre buchstäblich den Hintern für ihn und die Abteilung aufgerissen hatte, die Nase voll hatte von einer Krankenhausverwaltung, die uns jahrelang um unsere Überstunden betrogen hat (520 Stunden in den letzten zwei Jahren - von den zwei Vorjahrzehnten nicht zu reden und kaum Ausgleich oder Bezahlung), sowie von einer Universität, die uns vorher nie unterstützt hat, aber plötzlich höhere Ansprüche erhob als alt arrivierte Eliteuniversitäten im Lande.

Außerdem wollte ich endlich selbstbestimmt arbeiten, wobei ich durch zahlreiche Vorträge und Publikationen, aber auch klinische Erfahrung sowohl in der Region wie auch in der ganzen Republik ein gutes Renommée hatte. Vor der Gründung war ich leitender Oberarzt an einem Lehrstuhl für Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin.

Auf die Geschäftsidee kam ich damals, weil wir bedingt durch Personalmangel selbständiger Ärzte zum Füllen unserer Personallücken bedurften und ich sozusagen den Markt von der anderen Seite bestens kennengelernt habe. Früh erkannte ich das Problem der Scheinselbständigkeit – die Gier der DRV nach Beiträgen war früh deutlich –, weswegen ich eine Kapital- und zwei Personengesellschaften gegründet habe, um das Problem zu eliminieren. Das ist jetzt 10 Jahre her.

Mehr Gestaltungsspielraum und eine höhere Wertschätzung

Ich hatte in der Selbstständigkeit durchaus auch mit Herausforderungen zu kämpfen, zum Beispiel Steuer- und Gesellschaftsrecht, Buchführung, Regeln für den „ordentlichen“ Kaufmann, PR und Akquise. Ich bin trotzdem selbstständig geblieben, weil man zwar selbst und ständig, aber arbeiten will und nicht muss. Man hat viel mehr Gestaltungsspielraum und die Wertschätzung ist viel höher!

Ich war zuvor schon einmal (teil-)selbstständig, nämlich als Vermieter von Kleinflugzeugen. Jedoch ist dieser Markt in den ersten Nuller-Jahren ausgetrocknet.

Die Selbstständigkeit gibt mir: Inspiration, Freude, Antrieb, Ideen und Kontakte

Der größte Erfolg meiner jetzigen Selbstständigkeit ist, dass wir als kleine, aber feine Gruppe höchste Anerkennung erfahren. Für diese Erfolge war entscheidend, dass ich zusammen mit meinem Partner intensiven Kundenkontakt gepflegt und rigorose Auslese hinsichtlich unserer Mitarbeiter betrieben habe. „Besser klein, aber fein“.

Die Selbstständigkeit gibt mir Inspiration, Freude, Antrieb, Ideen, Kontakte und das Wissen, was andere gut oder schlecht machen – das würde mir als Angestellter fehlen. Ohne uns würde meinen Kunden Flexibilität, verlässliche, gute Leistungen, gute Stimmung und neutrale Analyse von außen fehlen. Wirtschaft und Gesellschaft wären ärmer, weil so manche Operation nicht in der Weise stattfinden könnten.

Ohne meine Selbstständigkeit wäre ich heute ein verbitterter, zynischer alter Mann

Die Selbstständigen werden nicht immer fair behandelt, besonders ärgere ich mich darüber, dass die DRV besonders bei Kollegen, die eigentlich schon im Ruhestand sind, weiter absahnen möchte, obwohl die Kollegen nie bei ihr versichert waren und eine Einzahlung in die Ärzteversorgung im Ruhestand nicht mehr möglich ist.

Trotzdem war die Selbstständigkeit für mich die richtige Entscheidung, weil nur so Selbstorganisation in hohem Maße, Flexibilität und Abwechslung möglich waren. Als Angestellter wäre ich wahrscheinlich weniger zufrieden, weil ich mich als Gefangener einer - wie oben geschilderten und sicher nicht besser gewordenen - Organisation fühlen würde.

Wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte, wäre ich heute ein verbitterter, zynischer alter Mann, wie sie mir in Kliniken häufig begegnen. Ich würde anderen trotz aller aktuellen Probleme empfehlen, sich selbstständig zu machen, weil es die Selbständigen sind, die diese Gesellschaft weiterbringen, die hart arbeiten und dabei meist noch gut gelaunt sind.

Es braucht weniger staatliche Reglements und Bürokratie

Damit ich das aus voller Überzeugung empfehlen kann, müsste Folgendes passieren: Weniger staatliche Reglements und Bürokratie und stattdessen ein starker Staat, der sich auf das beschränkt, was wirklich notwendig ist, das dann aber auch konsequent durchzieht. Der Staat sollte sich nicht zum Lebensplaner (-diktator) des Einzelnen aufspielen, indem er alles zur vermeintlichen sozialen Frage oder scheinbaren jedoch sehr fragwürdigen Gerechtigkeitsfrage macht.

Anmerkung:

Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.

Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.

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