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Wie lebst und arbeitest du mit über 60 Jahren? Manfred Türk, 70: "Ich fange gar nicht erst damit an, meine Arbeit zu reduzieren."

Manfred Türk findet, dass sich die Selbstständigkeit im Alter kaum ändert – und wenn überhaupt, zum Besseren

Tägliches Kraft- und Ausdauertraining, acht Stunden Arbeit und zufriedene Kund/innen: Bei Manfred Türk hat sich mit dem Alter im Grunde nichts geändert. Außer vielleicht die Tatsache, dass er noch erfahrener in seinem Job wurde, als er es eh schon war. Warum sich also in den Ruhestand verabschieden?

"Mein Name ist Manfred Türk. Ich bin Diplompädagoge, 70 Jahre alt und arbeite seit Renteneintritt weiter selbständig in meinem Büro für Marketing und Kommunikation in Düsseldorf. Ehrlich gesagt hatte ich nie die Absicht, in den Ruhestand zu gehen. Denn meine Arbeit macht mir viel zu viel Spaß. Und ich sehe, dass sie meinen Kund/innen einen direkten Mehrwert liefert. Denn mit dem, was ich für sie tue, erwirtschaften sie höhere Umsätze und Erträge. Für gemeinnützige Initiativen oder Vereine arbeite ich auch mal pro bono. Ich denke nämlich nicht immer und ständig an die Rente. Sondern an das, was mir an der Arbeit Freude bereitet.

Künstlerischer Werdegang

Nach meinem Studium der Erziehungswissenschaften in Münster arbeitete ich 1981 zunächst in Teilzeit als Lehrkraft an Berufsschulen und in sozialpädagogischen Einrichtungen. Parallel dazu war ich als Künstler, Illustrator und Grafiker tätig. Das Schöne: Mein Kundenstamm ist stetig mitgewachsen. Ab 1992 war ich dann für fast drei Jahrzehnte geschäftsführender Gesellschafter einer Werbeagentur mit kleiner Druckerei und Medienproduktion. In diesem Unternehmen haben wir bis zu 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und auch ausgebildet. Meine Firmenanteile habe ich 2019 an meine Partner verkauft. Seit Februar 2019 beziehe ich auch Regelaltersrente. Aber nur ganz wenig.

Weiterbildung nach dem "Exit"

Nach meinem Exit habe ich mich fachlich weitergebildet und zwei Kurse in Marketing und Brand-Management auf MBA-Level bei der Londoner Marketingweek abgeschlossen. Seitdem konzentriere ich mich in meiner Arbeit auf die Schnittstelle zwischen Marketing und Werbung. Aktuell wende ich dafür zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche auf, Tendenz steigend und Eigenwerbung eingeschlossen. Ich berate und helfe weiterhin hauptsächlich mittelständischen Unternehmen bei der Erstellung und Umsetzung von Marketingplänen.

Was ich bisher an Erfahrung gesammelt habe, ermöglicht es mir, Werbedienstleistungen mit höherer Professionalität und gleichbleibender Qualität in kürzerer Zeit zu erbringen. Ich mache also dasselbe wie vorher – nur jetzt mit mehr Know-how. Einen Grund, etwas anderes als Marketing und Kommunikation zu betreiben, sehe ich nicht. Denn dann hätte ich vorher den falschen Beruf gehabt.

Verlorenes Wissen

Was ich allen mit ähnlichen Lebens- und Berufswegen wie ich definitiv empfehle, ist, zusätzliche Rücklagen für das Alter zu schaffen. Ich ging dabei den Weg, den Wert meiner Unternehmensbeteiligung kontinuierlich zu steigern und auf einem möglichst hohen Niveau zu halten. Gleichzeitig habe ich mir die Möglichkeit offengehalten, länger weiterzuarbeiten. Zusätzlich habe ich eine Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen und in mehreren Bereichen gespart. Bei Immobilieninvestitionen würde ich allerdings Vorsicht walten lassen. Das ist zumindest meine Erfahrung gewesen. Trotzdem: Ich bin kein Experte für Altersvorsorge und Rentensysteme. Dennoch würde ich sagen, dass ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass es große Missverhältnisse zwischen der Gestaltung des Systems und den demografischen Herausforderungen gibt. Wir brauchen meiner Meinung nach mehr Flexibilität. Denn neben denjenigen, die auf den Ruhestand hinarbeiten, gibt es eben auch die, die sich gut vorstellen können, länger zu arbeiten. Ich finde es gerade angesichts des Fachkräftemangels kontraproduktiv, bestehendes Know-how auszublenden und zwanghaft nach jungem Ersatz zu suchen.

Thema Altersdiskriminierung

Tatsächlich habe ich auch schon oft die Frage gehört, warum ich mich nicht in den 'wohlverdienten' Ruhestand verabschiede. Ich empfinde solche Kommentare als echte Zumutung, da ich noch nie aufs 'Kürzertreten' hingearbeitet habe. Gleichzeitig wird meine Branche aber auch von jüngeren Menschen dominiert. Grund ist die vermeintlich höhere Affinität des Nachwuchses zu den neuen, digitalen Medien. Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass digitale Werkzeuge uns allen völlig neue, interessante Möglichkeiten der Zusammenarbeit bieten. So wie es schon in den 80ern und 90ern mit der digitalen Medienproduktion war, die ganze Branchen verändert hat. Strukturell geht das mit dem Internet, den sozialen Medien und der künstlichen Intelligenz im Bereich der Marketingkommunikation weiter. Möglicherweise fehlt jüngeren Leuten manchmal auch das Selbstbewusstsein, ordentliche Preise zu verlangen. Und da man unseren Dienstleistungen nicht immer eine große Bedeutung für die Steigerung von Unternehmenswerten nachsagt, werden eben häufiger jüngere Leute beauftragt. Das ist schade. Denn meine Prioritäten haben sich mit meinem Alter nicht geändert. Im Gegenteil: Meine Priorität galt und gilt dem Erfüllen der Anforderungen meiner Kund/innen. Womit das gemacht wird, ist dabei zweitrangig.

"Ich habe nicht mehr oder weniger Freizeit als früher"

Ich habe nicht mehr und nicht weniger Freizeit als früher. Das bedeutet aber auch, dass ich immer noch gerne reise, interessiert bleibe und Zukunftspläne schmiede. Beruf und Freizeit überschneiden sich dabei: Zum Beispiel, wenn ich beim Besuch meiner Familie in London ins Museum gehe. Oder mit Studenten der Kunsthochschulen spreche und die neuesten Trends in der Architektur und Mode beobachten kann. Und das gemeinsam mit meiner Familie. Schöner geht es doch nicht. Überhaupt sind meine Frau, meine Tochter und ihre Familie mit den zwei Enkelkindern ein ganz großer Glücksfaktor in meinem Leben.

Zufriedenheit ist Key

Klingt ungesund, aber ist wirklich so: Ich brauche keine Balance zwischen Arbeiten und Freizeit. In meinem Fall würde sich eine Trennung zwischen diesen beiden Lebenssphären lediglich künstlich anfühlen. Mein Arbeitsalltag besteht nun mal aus ständigen kreativen Herausforderungen. Und von meinen schöpferischen Tätigkeiten brauche ich keinen Ausgleich. Selbständiges Arbeiten durchzieht mein ganzes Leben und ist nicht mit einer Stempeluhr messbar. Ich hatte das Glück, nicht an einem Tag im Leben ungern zur Arbeit gegangen zu sein. Im Gegenteil: Wenn ich etwas geschafft habe, dann bin ich zufrieden. So geht es ja jedem, oder? Egal, ob Bergsteiger/in, Marathonläufer/in oder Selbstständige/r. Das ändert sich auch im Alter nicht."

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