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Aus der Zeit gefallene Regeln für Online-Kurse Normenkontrollrat fordert Abschaffung des Fernunterrichtsschutzgesetzes

Erstmals in seiner Geschichte hat der Nationale Normenkontrollrat die komplette Abschaffung eines Gesetzes gefordert – und zwar des 1977 verabschiedeten Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG). Der VGSD unterstützt dies ausdrücklich!

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) fordert die Abschaffung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG)

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte im Sommer dieses Jahres zu großer Rechtsunsicherheit unter Anbietern von Online-Coaching und -Kursen geführt. Die Richter legten den Geltungsbereich des knapp 50 Jahre alten FernUSG derart weit aus, dass fast jede Art von Online-Weiterbildung darunter fällt und deshalb plötzlich einer zeit- und kostenaufwändigen Zertifizierung durch die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) bedurfte. Mit weitreichenden finanziellen Folgen für die Anbieter solcher Kurse, darunter auch vielen VGSD-Mitgliedern. 

FernUSG war Thema eines erfolgreichen Experten-Talks und intensiver Verbandsarbeit

Am 6. August 2025 veranstalteten wir dazu einen Experten-Talk mit Monika Birkner, der innerhalb kürzester Zeit ausgebucht war: 553 Teilnehmer/innen meldeten sich an und gaben der Expertin anschließend Bestnoten für ihre Erklärung des Urteils, seiner rechtlichen Folgen und der (recht begrenzten) Handlungsmöglichkeiten. 

In der Folge entwickelte der VGSD ein eigenes Positionspapier zu diesem Thema und organisierte ein Online-Treffen mit zahlreichen Verbänden aus dem Weiterbildungs- und Coaching-Bereich. Dabei diskutierten wir intensiv auch über den Vorschlag, eine komplette Abschaffung des Gesetzes zu fordern bzw. das Zulassungsverfahren freiwillig statt verpflichtend auszugestalten.

Verbraucherschutz inzwischen durch BGB sichergestellt

Genau dies, eine komplette Abschaffung des FernUSG forderte nun – erstmals für ein Gesetz – der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in einem Positionspapier. Besser als der Normenkontrollrat kann man das Problem und seine Lösung unseres Erachtens nicht beschreiben. Hier die Zusammenfassung:

Ziel des Gesetzgebers vor fast 50 Jahren war ein verbesserter Schutz der Verbraucher. Spätestens seit Anfang der 2000er Jahre seien die wichtigsten Aspekte ausreichend durch das allgemeine Verbraucherschutzrecht abgedeckt (der NKR gibt in seinem Papier genau an, wo dies im BGB jeweils der Fall ist). Lediglich beim Kündigungsrecht sei das FernUSG etwas großzügiger als das BGB, seine verbraucherfreundlichere Regelung solle deshalb im Zuge der Abschaffung des FernUSG in das BGB übernommen werden.

Zuständige Stelle schon jetzt überfordert, Benachteiligung gegenüber ausländischen Wettbewerbern

Die ZFU als prüfende Stelle sei mit ihren knapp 30 Mitarbeiter/innen schon jetzt kaum in der Lage, die vorhandenen Zulassungsanträge zu bearbeiten. Dabei seien derzeit nur rund 5.000 Fernlehrgänge zugelassen. Angesichts der Ausweitung des Geltungsbereiches durch den BGH läge die Zahl der zu prüfenden Kurse eher im sechs- bis siebenstelligen Bereich. (Wir sprechen also über ein hundertfaches an zu prüfenden Kursen und damit über mehrere tausend Mitarbeiter/innen, die für eine Prüfung in bisheriger Form nötig wären!)

Der NKR schreibt: "Sollten alle real angebotenen Fernlehrgänge eingereicht werden, wäre das nur mit einem unverhältnismäßig hohen Ressourceneinsatz durch die ZFU zu bewerkstelligen." Der Normenkontrollrat kritisierte indirekt auch den BGH, weil er trotz des Verbraucherschutzzwecks des FernUSG dieses Gesetz zuletzt sogar auf Verträge zwischen Unternehmen ausgeweitet hatte, wodurch noch mehr Verträge einer Zulassung bedürfen.

Das Zulassungsverfahren bei der ZFU dauert – wie im Experten-Talk besprochen – theoretisch drei Monate, in der Praxis durch die Nachforderung von Dokumenten aber oft deutlich länger. Die mit hohem Zeit- und Kapitaleinsatz entwickelten Kurse können in dieser Zeit nicht angeboten werden, die Inhalte veralten derweil möglicherweise. Darin zieht der NKR "in der Praxis eine Benachteiligung in Deutschland ansässiger Anbieter von Fernlehrgängen, da eine Durchsetzung außerhalb Deutschlands, insbesondere außerhalb der EU, in der Praxis nicht stattfindet."

"Nicht im Verhältnis zum Nutzen"

Dass das BGH den Geltungsbereich derart ausweiten konnte, liegt an den unklaren Rechtsbegriffen im Gesetz, also der Frage, was genau mit "Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten", "räumlicher Trennung" und "Lernerfolgskontrolle" gemeint ist.

Fazit des Normenkontrollrats: "Der Vollzug ist sowohl für Anbieter als auch für die ZFU aufwändig, langwierig und steht aus Sicht des NKR nicht im Verhältnis zum Nutzen." Es bedürfe keiner speziellen Verbraucherschutzregelungen für Fernlehrgänge mehr. Die im Gesetz geregelte didaktische Qualitätskontrolle sollte für die Anbieter freiwillig sein, dafür benötige es keine gesetzliche Grundlage und keine Behörde mehr.

Aus Zulassung könnte freiwillige zu erwerbendes Qualitätssiegel werden

Laut NKR sollte die ZFU somit also quasi privatisiert werden, aus der Zulassung würde ein Qualitätssiegel. Das wäre sicherlich im Interesse bestehender Anbieter von Fernlehrgängen, die das aufwändige Verfahren bereits durchlaufen und eine ZFU-Zulassung erworben haben. Aus unserer Sicht ein guter Kompromiss!

VGSD-Vorstand Andreas Lutz: "Der VGSD schließt sich der Empfehlung des Nationalen Normenkontrollrats an. Das Fernunterrichtsschutzgesetz sollte zeitnah abgeschafft werden, die didaktische Prüfung durch das ZFU auf freiwilliger Basis fortgesetzt werden." Wir werden gegenüber dem zuständigen Bildungsministerium entsprechend Stellung nehmen und eine zeitnahe Umsetzung fordern. 

Wer steht hinter dieser Empfehlung?

Wer sind die Mitglieder des NKR, die hier in so klaren Worten die Abschaffung eines Gesetzes gefordert haben? Der Nationale Normenkontrollrat (in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen gibt es Pendants auch auf Länderebene) besteht aus zehn Mitgliedern: Der Vorsitzende ist zugleich Mitglied im Präsidium des Verbands "Die Familienunternehmer" und mittelständischer Unternehmer, seine Stellvertreterin ist Politik-Professorin an der Uni Potsdam. Der Rest des Gremiums setzt sich zusammen aus zwei SPD-, zwei Grünen-, zwei CDU-, je einem CSU- und FDP-Mitglied. 

Die Mitglieder werden vom Bundespräsidenten für jeweils fünf Jahre berufen. Sie dürfen nicht zugleich bei öffentlichen Verwaltungen arbeiten oder Abgeordnete sein. Sie erhalten eine pauschale Entschädigung von 25.000 bzw. im Fall der Vorsitzenden 30.000 Euro pro Jahr, die Tätigkeit gilt ansonsten als ehrenamtlich.

So hat sich der NKR entwickelt

Der 2006 auf Initiative von CDU-Abgeordneten geschaffene und inzwischen dem Digitalminsterium zugeordnete NKR ist wie ein Ministerium in Gesetzgebungsprozesse eingebunden. Spätestens zu Beginn der interministeriellen Abstimmung werden ihm neue Gesetze zugeleitet, er gibt auf Wunsch seinen Rat aber auch schon vorab, denn er berät die Bundesregierung in Sachen "Bessere Gesetzgebung". Er kann eigene Anhörungen durchführen und Gutachten in Auftrag geben. 

Zu Beginn seiner Arbeit ermittelte der NKR nur die Bürokratiekosten bestehender Gesetze aus Informationspflichten, seit 2011 dann auch die gesamten Folgekosten ("Erfüllungsaufwand"). Seit 2023 überprüft der NKR zudem auch, ob die Ministerien bei neuen Gesetzen die Möglichkeiten der digitalen Umsetzung ausgeschöpft haben ("Digitalcheck"). Die Bundesregierung erstattet dem Bundestag jährlich einen Bericht u.a. über den Stand des Bürokratiekostenabbaus und einer Prognose.

Unterstützt du auch den Vorschlag des Normenkontrollrats?

Freust du dich über den mutigen Vorschlag, ein in die Jahre gekommenes Gesetz abzuschaffen? Oder bist du im Bildungsbereich tätig oder Kunde von Fernlehrgängen und würdest dir eher eine Beibehaltung und Reform des FernUSG wünschen? Wir freuen uns über deinen Kommentar!

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