Der Kanzler ist gewählt, die Minister/innen vereidigt: Bärbel Bas hat sich als neue Bundesarbeitsministerin gegen Hubertus Heil durchgesetzt, der bei der Ämtervergabe leer ausgegangen ist. Der bislang für die Rentenversicherung zuständige Staatssekretär geht in den Ruhestand.
Ein Versprechen hat die neue Koalition auf jeden Fall erfüllt: personelle Erneuerung. Von den Ampel-Minister/innen hat nur einer sein Amt behalten: Boris Pistorius. Ein weiterer hat Erfahrung unter Kanzlerin Merkel gesammelt: Innenminister Alexander Dobrindt war damals Verkehrsminister.
An den Spitzen der für uns relevantesten Ministerien sitzen vier CDU- und drei SPD-Minister/innen: Bas (Arbeit & Soziales) ist die für uns wichtigste SPD-Ministerin, gefolgt von Lars Klingbeil (Finanzen) und Stephanie Hubig (Justiz). Die für uns wichtigste CDU-Ministerin: Katherina Reiche (Wirtschaft), gefolgt von Nina Warken (Gesundheit) und Karin Prien (Bildung, Familie ...).
Karsten Wildberger (CDU) mit seinem neuen Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung könnte sich zudem als Joker erweisen. Der bei der ersten Kabinettsitzung im Anschluss an die Kanzlerwahl und Minister-Vereidigung beschlossene Organisationserlass sieht umfangreiche Kompetenzen für das neue Ministerium vor: Schließlich werden die Digitalisierung von Staat und Wirtschaft ebenso wie die Selbstständigen von dem dysfunktionalen Statusfeststellungsverfahren ausgebremst. Ein entschlossenes Vorantreiben der Digitalisierung des Staates könnte zu einem Abbau von Bürokratie führen.
Eigentlich wollten zwei Männer das Amt
Die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas war vor ihrer Tätigkeit als Bundestagspräsidentin eigentlich Gesundheitspolitikerin. Das könnte ein Vorteil sein in Bezug auf die Lösung eines anderen zentralen Problems, nämlich der unfairen Beitragsbemessung bei Selbstständigen. Nur wenn dieses Problem gelöst wird, kann die geplante Altersvorsorgepflicht funktionieren, ansonsten würde sie Gründer und Selbstständige mit einem Gewinn unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze finanziell überfordern und Selbstständigkeit für Durchschnittsverdiener und Teilzeit-Selbstständige unattraktiv machen.
Lange war unsicher, ob sich Bas tatsächlich gegenüber Hubertus Heil durchsetzen würde, der auf die Unterstützung der Gewerkschaften baute, denen er im Arbeitsministerium großen Einfluss eingeräumt hatte. Und eigentlich hatte auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein Auge auf das Arbeitsministerium geworfen, am liebsten kombiniert mit dem Wirtschaftsministerium (siehe unten). Bas gehört zu den wenigen, die sich beharrlich auf den sogenannten "Bullshit-Listen" hielten, also den Listen möglicher Minister/innen, die in den letzten Wochen in großer Zahl kursierten.
Bas ist bodenständig
Bas, die am Samstag (3. Mai) ihren 57. Geburtstag feierte, kommt aus Duisburg. Wir haben sie bei unseren bisherigen Treffen als sehr bodenständig und direkt erlebt. Sie ist Tochter eines Busfahrers und einer Hausfrau und hat fünf Geschwister. Seit 16 Jahren ist sie Mitglied des Deutschen Bundestags und war in der letzten Legislatur dessen Präsidentin.
Bas war Bürogehilfin und Sachbearbeiterin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft, teilweise in der betriebseigenen Krankenkasse. Sie bildete sich zur Sozialversicherungsfachangestellten und später Krankenkassenbetriebswirtin und Personalmanagement-Ökonomin fort. 2002 stieg sie zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der Betriebskrankenkasse EVS auf und 2007 zur Leiterin der Abteilung Personalservice der BKK.
Lange war Bas auch Mitglied des Betriebsrats und Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat. Sie gehört innerhalb der SPD der Parlamentarischen Linken (PL) an und ist Mitglied von verdi.
Langjähriger, für Rente zuständiger Staatssekretär Schmachtenberg nimmt Abschied
Bemerkenswert ist, dass kurz vor Hubertus Heil auch sein langjähriger, für Rentenversicherung und Statusfeststellungsverfahren zuständiger beamteter Staatssekretär Rolf Schmachtenberg seinen Abschied genommen hat. Bereits am 20. März 2025 verabschiedete sich der 66-jährige Wirtschaftswissenschaftler im Rahmen der Fachtagung "Gestaltungsoptionen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik – Anknüpfungspunkte und Perspektiven für die Zukunft" in den Ruhestand.
Für Schmachtenberg habe, so Heil in seiner Rede an diesem Tag, stets der Fachdialog im Mittelpunkt gestanden. Wir hatten mit ihm den engsten Kontakt im Jahr 2019, als er vier Fachgespräche zum Thema Altersvorsorgepflicht initiiert hatte, und nach zwei Begegnungen mit VGSD-Vorstand Andreas Lutz drei weitere zum Thema Statusfeststellung.
Abschiedswünsche an Nachfolger
Interessanterweise wurde im Lauf der Tagung die "im Laufe von Jahrzehnten aufgebaute Regelungsdichte und die extreme Aufsplitterung in Zuständigkeiten" kritisiert, die zunehmend droht, "die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Wirtschaft und Verwaltung zu überfordern". Von den Redner/innen wurde eine "Konzentration der Zuständigkeiten und mehr Vereinheitlichung" gefordert. Rechtskreise sollten zusammengeführt und Leistungsträger vernetzt werden – zusätzlich zu Entbürokratisierung und Digitalisierung.
Diese Empfehlungen muss nun Schmachtenbergs Nachfolger, der Politikwissenschaftler Michael Schäfer (64), umsetzen. Bas kennt den bisherigen Direktor beim Deutschen Bundestag, der dort bereits im Amt eines Staatssekretärs war, offenbar von ihrer bisherigen Tätigkeit als Bundestagspräsidentin. Schäfer war zuvor u.a. Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.
Zwei parlamentarische Staatssekretärinnen, davon eine neue
Neben ihm als beamteten Staatssekretär wird Bas zwei parlamentarische Staatssekretärinnen haben – SPD-Bundestagsabgeordnete, die sie z.B. bei öffentlichen Anlässen vertreten. Katja Mast (54) aus Offenburg war zuvor parlamentarische Geschäftführerin der SPD.
Die bayerische Abgeordnete Kerstin Griese war bereits unter Heil parlamentarische Staatssekretärin. Uns allen ist eine Begegnung in Erinnerung, als sie nach einer Veranstaltung im Gespräch zum Thema Statusfeststellungsverfahren sagte, dass man mit ihr über eine Gewinnschwelle reden könne, ab der man also selbstständig gelte, das müssten dann aber schon wenigsten 200.000 Euro sein ...
Die fast noch wichtigere Personalentscheidung folgt
Nachdem nun die Spitzen der Ministerien bekannt sind, gehen wir als VGSD, alleine oder auch im Verbund mit anderen BAGSV-Verbänden, auf die für uns relevanten Minister und Staatssekretäre zu.
Eine fast noch wichtigere Personalentscheidung fällt im weiteren Verlauf dieser Woche. Die Landesgruppenchefs der Union, also jeweils ein bis zwei Abgeordnete aus jedem Bundesland, treffen sich, um den Vorsitz und die anderen Funktionen und Mitgliedschaften in den Bundestagsausschüssen zu vergeben. Bei der CDU/CSU nennt man diese Runde die "Teppichhändler". Ähnlich funktioniert es auch bei den anderen Parteien. Ledigllich die Grünen haben die Aufteilung der Ausschüsse schon erledigt, so dass uns hier die Ansprechpartner/innen schon bekannt sind.
Knapp zehn der Ausschüsse haben für unsere politische Arbeit Relevanz. Zwischen 26 und 42 reguläre Mitglieder hat jeder dieser Ausschüsse. Besonders relevant für uns sind natürlich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, deren Sprecher/innen und Obleute – insbesondere die, die für unsere Anliegen zuständig sind. Diese zu ermitteln und Kontakt aufzunehmen bzw. diesen aufzufrischen, wird in den nächsten Woche eine wichtige Aufgabe von uns sein. Einige von ihnen werden wir auswählen, zu Calls oder Treffen mit dem Politik-Team des VGSD, teils auch mit anderen BAGSV-Verbänden, einladen, oder auch zu einem Talk oder einer Onlinekonferenz.
Die wichtigsten uns betreffenden Vorhaben der neuen Koalition sind einmal mehr im Bundesarbeits- und -sozialministerium (BMAS) angesiedelt. Wer es führt, entscheidet maßgeblich darüber, ob und wie sie umgesetzt werden. Doch wer wird das sein?
Die für Selbstständige zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags sind die Reform des Statusfeststellungsverfahrens (SFV) und die Altersvorsorgepflicht (AVP). Schon mehrfach hatte die Bundesregierung sich diese beiden Themen vorgenommen, sie standen auch in den Koalitionsverträgen der beiden letzten Legislaturperioden, in denen Hubertus Heil Bundesarbeitsminister war. Tatsächlich wurde eine Reform des SFV im April 2022 beschlossen, die aber – wie der VGSD bereits in den Fachgesprächen zum SFV 2019 voraussagte – nicht mehr Rechtssicherheit brachte.
Hubertus Heil hat die Altersvorsorgepflicht schon oft angekündigt
Über die Altersvorsorgepflicht haben Hubertus Heil und sein Staatssekretär Rolf Schmachtenberg seit Jahren immer wieder gesagt, dass sie den entsprechenden Gesetzesentwurf "fertig in der Schublade liegen haben" und ihn gleich nach ... (bitte einsetzen, zum Beispiel Ostern) veröffentlichen würden.
Dann knüpften sie aber immer wieder neue Bedingungen an ihre Einführung: zuletzt die Zustimmung zum Rentenpaket II, das das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreiben soll, allerdings mit der Folge, dass die Rentenbeiträge in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent steigen werden (Schwarz-rot hat dies in ihrem Koalitionsvertrag nun erneut beschlossen). Das Rentenpaket II wurde von der Ampel nicht beschlossen. Das war einer der Gründe, warum die Ampel-Koalition zerbrach.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wollte angeblich das Arbeitsministerium
Ob und wie Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt werden, darauf hat der zuständige Minister großen Einfluss. Deshalb kommt dieser Personalie für uns Selbstständige überragende Bedeutung zu. Und nicht nur für uns: Das BMAS ist für einen Großteil der Bürokratie in Deutschland verantwortlich, spielt also auch für einen erfolgreichen Bürokratieabbau eine zentrale Rolle.
Lange war im Gespräch, ob die CDU das Ministerium für sich beanspruchen würde. Deren Generalsekretär Carsten Linnemann war im Gespräch als Arbeitsminister, es wurde auch konkret über ein kombiniertes Wirtschafts- und Arbeits-, mindestens aber über ein kombiniertes Wirtschafts- und Sozialministerium (mit separat verbleibendem Arbeitsministerium) spekuliert.
Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gilt als Favoritin
Doch spätestens mit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags (Zeile 4.568) ist nun klar: Das Arbeits- und Sozialministerium bleibt eine Einheit und wird eines der sieben von der SPD geführten Ministerien sein.
Überraschend wurde die frühere Gesundheitspolitikerin und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas von SPD-Seite durchgängig als Favoritin für die BMAS-Führung genannt. Bas ist bekannt für ihre Bodenständigkeit und ihre enge Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt Duisburg. Sie gehört somit dem NRW-Landesverband der SPD an.
Hubertus Heil dagegen ist aus Niedersachsen, ebenso wie Lars Klingbeil und Boris Pistorius, denen das Finanz- und Verteidigungsministerium sicher scheinen. Bei der SPD achtet man auf Proporz zwischen den Bundesländern und den Geschlechtern – ein Nachteil für Heil. Zudem hat Klingbeil eine – auch personelle – Erneuerung versprochen und sein persönliches Verhältnis zu Heil gilt – so Parteikreise – als nicht besonders gut. Heil war bereits zwei Mal Arbeitsminister. Er hat das Bürgergeld entwickelt, das als einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der SPD bei den Bundestagswahlen gilt und dessen Abschaffung der Koalitionsvertrag nun vorsieht. Hätte er die Glaubwürdigkeit, es abzuschaffen?
Aber Hubertus Heil hat einen Joker im Ärmel
Heil wird großer Machtwille attestiert, er gebe nicht auf, er kämpfe massiv und bringe auch die Gewerkschaften für sich in Stellung. Zu diesen hat er ein gutes Verhältnis. Noch-FDP-Chef Christian Lindner hatte vor der Wahl vom BMAS als "Außenstelle des DGB" gesprochen und tatsächlich fällt einen bei Terminen im Ministerium die teils sehr enge personelle Verzahnung mit den Gewerkschaften auf. Selbst ein Arbeitsminister der Union hätte es in diesem Haus nicht so einfach, Änderungen herbeizuführen, sagen Expertinnen.
Bärbel Bas und Hubertus Heil nehmen ihren Streit um das Ministeramt – zumindest nach außen – mit Humor. Auf X schreiben sie über einem gemeinsamen Selfie: "Wir wundern uns, dass in keiner Personalliste der MdB Jakob Maria Mierscheid auftaucht."
Bas und Heil nehmen es mit Humor
Der Spiegel spricht von einem "Gag, den nur eingefleischte Politik-Nerds wirklich lustig finden". Denn Jakob Maria Mierscheid gibt es gar nicht. Er ist ein fiktiver SPD-Hinterbänkler aus dem Hunsrück, der seit 46 Jahren mehr oder minder unbemerkt im Bundestag sitzt.
Bas und Heil machen sich damit über die Personallisten lustig, von denen zurzeit eine die andere jagt und mit denen sich nicht selten die auf ihnen stehenden Politiker/innen selbst ins Gespräch bringen wollen. Tatsächlich wird es wohl noch drei Wochen dauern, bis wir die genaue Zusammensetzung des Kabinetts erfahren. Friedrich Merz und Lars Klingbeil werden dessen Zusammensetzung möglicherweise erst nach erfolgreicher Kanzlerwahl am 6. Mai 2025 veröffentlichen.
Wer es wird, erfahren wir möglicherweise erst nach erfolgreicher Kanzlerwahl
Denn die "große" schwarz-rote Koalition hat eine Mehrheit von nur sieben Stimmen im Bundestag. Jede einzelne zählt also, so dass man sich bei der Postenvergabe übergangene und entsprechend enttäuschte Spitzenpolitiker/innen an diesem Tag nicht leisten kann. Andererseits ist aus diesen Koalitionsverhandlungen mit den Ergebnissen sämtlicher AG-Ergebnispapiere schon mehr nach außen gedrungen als je zuvor. Vielleicht hat das Warten also auch schon früher ein Ende.
Wer, denkst du, wird das BMAS künftig führen? Und wen hättest du dir als Minister/in gewünscht?
Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?
Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden