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Lesetipp Freelancer-Studie Mit ihrer Arbeit glücklich, mit den politischen Rahmenbedingungen nicht

Eine aktuelle Befragung unter Freelancern zeigt: Die allermeisten von ihnen sind mit ihrer Auftragslage und ihren Honoraren zufrieden. Allerdings sehen sich viele durch politische Maßnahmen und Vorurteile gegängelt. Die Erkenntnisse im Überblick. 

Und wie läufts bei dir? Die neue Freelancer-Studie gibt Einblicke in den Arbeitsalltag von Selbstständigen.

Das wichtigste vorweg, da es anscheinend noch immer viele Politiker/innen nicht begriffen haben: "Freelancing ist keine prekäre Beschäftigung, sondern eine moderne und überwiegend auch sehr lukrative Arbeitsform." Das sagt Jonas Lünendonk, CEO der Wissensdatenbank freelance.de und Auftraggeber der Studie "So arbeiten Freelancer in Deutschland". 

Zwischen dem 31. Januar und 17. März 2023 haben insgesamt 1350 Freelancer an der Studie teilgenommen und einen Online-Fragebogen ausgefüllt. Dabei ging es vor allem um Fragen zu ihrem beruflichen Alltag in der IT- und Softwareentwicklung oder im Bereich Marketing & Kommunikation. Manche Antworten sind wenig überraschend, andere in ihrer Deutlichkeit besorgniserregend. Aber der Reihe nach.  

Freelancer sind gefragt

Üblicherweise rechnen Freelancer ihre Leistung auf Basis von Stunden- oder Tagessätzen ab. Die Abrechnung nach Arbeitspaketen (also eine definierte Leistung gegen ein festes Honorar) kommt nur selten vor. Im Schnitt arbeiten Freelancer 41,7 Stunden in der Woche und sind ab einem Stundensatz von 101 Euro mit ihrem Einkommen zufrieden. 70 Prozent der Freelancer bekommen einen solchen Stundenlohn oder verdienen sogar mehr.

Die Teilnehmer der Studie berichten, dass Fachkräftemangel, Digitalisierung, demografischer Wandel und neue Arbeitsmodelle sich positiv auf ihre Auftragslage auswirken. In den nächsten Jahren erwarten sie sogar eine noch größere Nachfrage nach ihren Leistungen – vor allem von Unternehmen aus dem Mittelstand und großen Konzernen. 

Und immer droht … die Scheinselbstständigkeit

Die Studie beschreibt aber auch die Schwierigkeiten: Interessant war in diesem Zusammenhang die Frage, für wie viele Kunden ein Freelancer gleichzeitig arbeitet. 44 Prozent der hauptberuflichen Freelancer sind üblicherweise zur selben Zeit nur für einen Kunden tätig. Sie fokussieren sich somit sehr stark auf die Umsetzung eines bestimmten Kundenprojekts. 72 Prozent der Projekte dauern zudem länger als geplant – meistens, weil der Kunde das Projekt verlängern möchte oder weil der Arbeitsauftrag nicht klar definiert war. Das führt dazu, dass viele Selbständige immer nur ein Projekt nach dem anderen "abarbeiten" können. Diese Lebenswirklichkeit wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) leider nach wie vor ignoriert: Freelancer, die über mehrere Monate "nur" einen Auftraggeber haben, geraten bei der DRV schnell in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit.

Für die Projektakquise nutzen die IT-, Software- und Kommunkationsexperten laut Studie zudem sehr häufig Vermittlungsplattformen. Auch die eigene Website spielt für sie eine wichtige Rolle. Wenig verwunderlich also, dass viele Freelancer argwöhnisch die Pläne der EU verfolgen, welche Plattformarbeit strenger regulieren möchte. Je nach konkreter Ausgestaltung der Richtlinie könnten auch Freelancer als Scheinselbstständige eingestuft werden. Zuletzt deutete sich eine Einigung der Mitgliedstaaten an, wir berichteten darüber. Mit der Politik ist deshalb eine klare Mehrheit der Freelancer unzufrieden (Grafik). 

Die Geschäfte werden ausgebremst

In der Studie heißt es weiter: Freelancer glauben, dass Unternehmen heute nicht noch stärker mit ihnen arbeiten, weil sie zum Teil ein veraltetes Mindset haben und daher auch nicht über gute Einkaufs- und Beschaffungsprozesse für externe Spezialisten verfügen. Andererseits verunsichert die rechtliche Situation in Deutschland Auftraggeber und stellt somit ein Hemmnis für die Entwicklung des Freelancer-Marktes dar. Mehr als jeder zweite Selbstständige glaubt, dass Unternehmen aufgrund der unklaren Rechtslage nicht mit ihnen arbeiten.

Ein unbeliebtes Angebot

Freelance.de berichtet, dass im Vorfeld der Studie zu hören war, dass vielen Befragten von Unternehmen aus Compliance-Gründen vorgeschlagen wird, einzelne Projekte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) umzusetzen. Die Teilnehmer/innen der Studie gaben an, dass 44 Prozent von ihnen "häufig" Projektangebote erhalten, die nicht als Freelancer, sondern als Angestellter oder Angestellte in AÜ umgesetzt werden sollten. 

Diese Möglichkeit wird von vielen Freelancern aber ausgeschlossen. 46 Prozent der Befragten lehnen AÜ-Projekte grundsätzlich ab; 28 Prozent sagen, dass es auf das spezifische Projekt ankommt; und nur 10 Prozent würden direkt auch in AÜ-Projekten arbeiten. Als Nachteil sehen die Freelancer besonders, dass ein schneller Wechsel zwischen den zwei Welten (angestellt vs. selbstständig) nicht möglich ist. Nachteile drohen in Form finanzieller Einbußen, vor allem bei der Anpassung der privaten Renten- oder Krankenversicherung. 

Die Ablehnung von AÜ-Projekten hat aber auch ideelle Gründe, denn die Mehrheit der Freelancer (56 Prozent) will sich nicht zu Angestellten durch die Hintertüre machen lassen. Unabhängig und selbstbestimmt zu arbeiten steht – neben abwechslungsreichen Projekten – im Vordergrund (Details siehe Grafik). Aus diesen Gründen sehen sich neun von zehn Freelancern als Unternehmer/innen und möchten auch von der Politik so behandelt werden. 85 Prozent der Freelancer bilden sich zudem kontinuierlich weiter – dadurch haben sie häufig einen Vorsprung an Know-how gegenüber ihren Auftraggebern und machen sich für die deutsche Wirtschaft unverzichtbar, wie jüngst auch eine Studie des IW Köln zeigte.

Jonas Lüdendonk, Aufraggeber der Studie, kommt daher zu einem Fazit, dem wir uns als VGSD ausdrücklich anschließen wollen: "Die Ergebnisse zeigen, dass Freelancer nicht mit ihrer Situation hadern, sondern vielmehr sehr zufrieden sind! Freelancer haben sich bewusst dazu entschieden, nicht in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Dass die Politik diesem Ansinnen keine Rechnung trägt und einseitig sozialversicherungspflichtige und tarifliche Beschäftigung in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rückt, frustriert die Freelancer, denn sie fühlen sich von der Politik nicht wahrgenommen, und teils sogar gegängelt." 

Die ganze Studie haben wir als PDF hier verlinkt. Wie immer freuen wir uns über eure Kommentare!

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