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Lesetipp IfM-Studie bestätigt Ergebnisse des KfW-Mittelstandspanels Bürokratie: bei kleinen Unternehmen am größten, zudem hohe psychologische Belastung

Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn zeigt die Abhängigkeit der Bürokratiekosten von der Unternehmensgröße und quantifiziert auch die psychologische Belastung durch Bürokratie und deren Folgen.

Bürokratiefolgen: 82 Prozent der Befragten klagten über hohe Kosten für externe Dienstleister und gaben an, die Freude an der unternehmerischen Tätigkeit zu verlieren

Erst vor kurzem hatten wir über Ergebnisse des KfW-Mittelstandspanels berichtet, das erstmals den zeitlichen Arbeitsaufwand für bürokratische Prozesse repräsentativ erhoben hatte: Solo-Selbstständige müssen demnach 8,7 Prozent ihrer Arbeitszeit zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten aufwenden, drei Mal so viele wie Unternehmen mit > 50 Mitarbeitern. Die Autoren verwiesen in der KfW-Studie darauf, dass auch psychologische Kosten im Umgang mit der Bürokratie bei vielen Unternehmen eine große Rolle spielen, auch wenn sie diese in der zugrundeliegenden Befragung nicht erfasst hatten.

Bürokratiekosten auf verschiedenen Ebenen der Gesetzgebung analysiert

Bestätigt und vertieft werden diese Aussagen durch eine Studie des IfM Bonn vom April 2025. Zwar hat man hier eine spezielle Branche untersucht, nämlich den Maschinen- und Anlagebau, aber viele Ergebnisse lassen sich auch auf kleinere Unternehmen in anderen Branchen übertragen.

Das IfM hatte bereits 2023 drei Unternehmen ganz unterschiedlicher Größe aus dieser Branche "unter die Lupe" genommen und im Detail die Bürokratiekosten ermittelt, die durch gesetzliche Vorgaben des Bundes entstehen. 2025 hat man dann in einer Folgeuntersuchung auch die Bürokratiekosten aufgrund von EU-Richtlinien und -Verordnungen sowie von Regelungen der Bundesländer und Kommunen untersucht. Die Forscher identifizierten bei den drei Unternehmen insgesamt 3.900 Vorgaben von EU-, Bundes-, Bundesland und kommunaler Ebene, die sie beachten müssen!

Bürokratiebelastung beim kleinsten Unternehmen fünf Mal höher

Ergebnis: Abhängig von der Unternehmensgröße machten die Bürokratiekosten zwischen 1,3 und 6,3 Prozent des Umsatzes der Unternehmen aus, ist beim kleinsten untersuchten Unternehmen also fünf Mal so hoch wie beim größten. Die höchsten Bürokratiekosten verursachte übrigens das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Die Forscher kommentieren das in der Studie (Seite 52 f.) wie folgt: "Es wäre begrüßenswert, wenn insbesondere dieses Ressort im Rahmen einer konzertierten abteilungsübergreifenden Aktion unnötige und überholte Rechtsvorschriften ausmustern sowie schwer verständliche Rechtsvorschriften adressatengerecht aufbereiten."

In ihrem Bericht stellen die Forscher die Bürokratiekosten der durchschnittlichen Bruttoumsatzrendite in der Branche gegenüber, die 5,5 Prozent beträgt. Durch diese Relation wird der Fixkostencharakter der Bürokratiekosten deutlich und welche Belastung diese somit für die Profitabilität und und damit Wettbewerbsfähigkeit insbesondere kleinerer Unternehmen haben. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass eine geringere Bürokratielast bei Solo-Selbstständigen zu mehr Geld für Investitionen und Wachstum, zu einem besseren Einkommen und mehr Geld für die soziale Absicherung beitragen würden.

Um die Gründe für die empfundene Belastung besser nachvollziehbar zu machen, erstellte das IfM eine Sonderauswertung  einer bundesweiten Unternehmensbefragung aus dem Jahr 2023 und darauf basierend ein Chartbook. Ihm entstammt die Abbildung oben und es enthält folgende Aussagen, in denen sich auch viele Solo- und Kleinstunternehmen wiederfinden dürften:

Es gibt immer mehr Bürokratie und diese wird als negativ erlebt: 94 Prozent der Befragten gab an, dass die Bürokratiebelastung in den letzten fünf Jahren gestiegen ist, die meisten (60 Prozent) bezeichneten den Anstieg als "stark". 74 Prozent, also drei Viertel der Befragten berichteten von schlechten oder sehr schlechten Erfahrungen mit Ämtern. Über gute bzw. sehr gute Erfahrungen berichteten nur 2,8 bzw. 0 Prozent.

Psychologische Kosten der Bürokratie

Die Folgen dieser Bürokratie sind laut Befragten nicht nur ein hoher Kostenaufwand (72 Prozent) und hoher zeitlicher Aufwand (84 Prozent) sondern vor allem auch die Beanspruchung von "Aufmerksamkeit, persönlicher Kraft und Energie".

Eine Mehrheit von 55 Prozent bewertet diese psychologischen Kosten sogar als belastender als die finanziellen Kosten. Dabei wird über Emotionen wie Wut, Ärger, aber auch Das Gefühl des "Allein-Gelassen-Werdens" berichtet, die sich zu einer dauerhaften Belastung und zu einem wesentlichen Wachstumshemmnis entwickeln können.

Großteil der Unternehmen hat Probleme, relevante Vorschriften zu erkennen und zu verstehen

Das beginnt schon damit, überhaupt den Überblick über die relevanten Vorschriften zu behalten: 73 Prozent berichten darüber, dass es ihnen schwer fällt, die sie betreffenden Vorschriften vollständig zu identifizieren. 81 Prozent der Befragten haben Probleme, die sich aus den gefundenen Regelungen ergebenden Verpflichtungen zu verstehen, 84 Prozent bei der praktischen Umsetzung der bürokratischen Vorschriften.

78 Prozent geben an, einen Teil der Bürokratie als sinnlos zu empfinden (ihn aber natürlich nicht ignorieren zu dürfen). Die Forscher geben in ihrer Studie (Seite 51) das folgende Beispiel für Unternehmen mit Mitarbeitern: "Bei vielen bürokratischen Vorgaben wird die gesetzliche Intention als sinnvoll angesehen (...), deren Umsetzung allerdings als viel zu aufwändig kritisiert. (...) Auch die Pflicht der jährlichen Arbeitsschutzunterweisung wird zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden über mögliche Gefahren als generell sinnvoll, bei langjährigen Mitarbeitennden aber als redundant bewertet und müssen nicht jedes Jahr erfolgen."

Obwohl es sich bei den Befragten zumeist um mittlere und größere Unternehmen handelt, mussten 18 Prozent eingestehen, dass sie die für sie geltenden Rechtsvorschriften nicht vollständig erfüllen können. 34 Prozent gaben an, nicht sicher zu sein, ob sie alle Vorschriften eingehalten haben. Nur eine Minderheit von 48 Prozent der Unternehmen war überzeugt, alle bürokratischen Pflichten vollumfänglich umgesetzt zu haben.

Vier von Fünf sind dabei, ihre Freude an der unternehmerischen Tätigkeit zu verlieren

Die (sicher nicht nur) aus Sicht des IfM dramatischste Folge der Bürokratie: 82 Prozent der Befragten gab an, dadurch die Freude an der unternehmerischen Tätigkeit zu verlieren, ebenfalls 82 Prozent wiesen auf die hohen Kosten für externe Dienstleister (Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater) hin, die durch die Bürokratie nötig werden und 75 Prozent auf den damit verbundenen höheren Personalaufwand. 

66 Prozent gaben an, dass sich durch die Bürokratie Projekte verzögern oder nicht mehr rentieren. 60 Prozent berichteten über die negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens und ebenso viele über daraus resultierende Gewinneinbußen.

Weniger Investitionen im Inland, Verlagerung ins Ausland

36 Prozent haben in den letzten fünf Jahren auf Investitionen verzichtet, 61 Prozent wollen aufgrund der bürokratischen Belastung in der Zukunft auf Investitionen verzichten.

7 Prozent berichten bürokratiebedingt von vermehrten Auslandsinvestitionen, 30 Prozent gaben an, in der Zukunft verstärkt im Ausland investieren zu wollen, um Bürokratie zu vermeiden.

Das IfM zieht aus diesen Ergebnissen folgende Schlussfolgerung: "Die Komplexität der bürokratischen Vorgaben und die daraus resultierenden psychologischen, Opportunitäts- und indirekten Folgekosten haben jedoch mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das sie Unternehmen nicht mehr bewältigen können – und wollen."

Paradigmenwechsel erforderlich

Bürokratieabbau und Regulierung sollte daher im Sinne eines Paradigmenwechsels – weg vom Kontrollgedanken und hin zu mehr Vertrauen, Praxistauglichkeit, Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit der Rechtsvorschriften  - gedacht werden." 

In der Studie (Seite 53) schreiben die Forscher: "Dazu eignen sich u.a. ressortübergreifende Praxischecks, die in einem möglichst frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses unter Einbeziehung des Sachverstands der Wirtschaft, betroffener Behörden und relevanter Stakeholder Gesetzesvorhaben eruieren. Die Einbindung der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Wirtschaftsverbände mit ihrem praktischen Erfahrungswissen kann die Anwendung von Recht spürbar verbessern und dabei unnötige Bürokratie bereits im Vorfeld gar nicht erst entstehen lassen. Aus demselben Grund ist es empfehlenswert, Fristen für Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben auszuweiten. Dies stellt eine angemessene Beteiligung von Verbänden sicher."

Die Hauptautorin der Studie, Dr. Annette Icks, fasst die Wünsche und Empfehlungen an die politisch Verantwortlichen in einem Interview für den IfM-Newsletter so zusammen: "Die von uns befragten Führungskräfte wünschen sich von der Politik vor allem mehr Vertrauen. Daneben halten sie es für wichtig, dass die unternehmerische Expertise stärker einbezogen wird, um eine größere Verständlichkeit sowie eine möglichst maßvolle Umsetzung von Verordnungen zu erreichen. Auch sollten die Regularien – nicht zuletzt aufgrund des raschen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels – stärker auf die Realität abgestimmt werden."

Wie aus Sicht der Unternehmen Bürokratie abgebaut werden kann

In einem weiteren Chartbook vom März 2024, das auf 1.516 Bürokratieabbauvorschlägen von 843 Unternehmen beruht,  erklärt das IfM "Wie aus Sicht der Unternehmen Bürokratie abgebaut werden kann".

  • Die wichtigste Forderung, das klang oben schon an, ist stärkeres Vertrauen (39 Prozent).
  • 32 Prozent der Befragten schlagen Vereinfachungen/Beschleunigungen vor.
  • 25 Prozent fordern, die Expertise der Unternehmen stärker zu nutzen.
  • 24 Prozent betonen die Bedeutung einer stärkeren Digitalisierung.
  • 22 Prozent schlagen eine bessere Vernetzung der Behörden vor.
  • 15 Prozent fordern eine Reduktion der Dokumentations- und Berichtspflichten
  • 10 Prozent verlangen eine stärkere Berücksichtigung der Unternehmensgröße und
  • 7 Prozent schließlich schlagen eine Prüfung der Sinnhaftigkeit bürokratischer Regelungen vor.

Diese Forderungen schließen sich nicht gegenseitig aus, können vielmehr aufeinander aufbauen und sich ergänzen. Welche Unternehmen sich von welchen Verbesserungen am meisten erhoffen, hängt davon ab, wie stark sie sich von der Bürokratie belastet fühlen und ob sie eher schlechte oder eher gute konkrete Erfahrungen mit Ämtern gemacht haben. Die Unternehmer/innen, die besonders negative Erfahrungen gemacht haben bzw. sich besonders belastet fühlen, sind es, die sich ganz besonders ein Mehr an Vertrauen in sie wünschen.

Was sind deine Erfahrungen?

Spiegeln die Ergebnisse der IfM-Studie deine eigenen Erfahrungen wieder? Erlebst du Bürokratie nicht nur als Zeitfresser, sondern auch als psychisch belastend? Welche Vorschläge zum Bürokratieabbau findest du am hilfreichsten? Wir freuen uns über deinen Kommentar!

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