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Ifo-Studie zeigt Zu wenig selbstständige Wissensarbeiter – Deutschland verschenkt Wachstum

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands könnte deutlich höher liegen, wenn der Anteil selbstständiger Wissensarbeiter auf dem Niveau von Ländern wie Großbritannien oder gar Südkorea läge. Das entspräche bei unveränderter Bevölkerungszahl einem um 58 bzw. 243 Milliarden Euro höheren Jahresinlandsprodukt! - Das hat das ifo Institut in seiner gerade veröffentlichten Studie "Die Bedeutung solo-selbständiger Wissensarbeit für den Innovationsstandort Deutschland" herausgefunden.

Der Nachholbedarf gegenüber Spitzenländern wie Großbritannien und Südkorea ist sehr groß. Der Anteil der Wissensarbeiter an allen Erwerbstätigen liegt in Deutschland bei 4,1 Prozent, in Großbritannien bei 5,6 und in Südkorea bei 9,6 Prozent. In den drei am höchsten gerankten Ländern hat der Anteil der Wissensarbeiter zwischen 1995 und 2018 von 4,5 Prozent auf 9,5 Prozent pro Jahr zugenommen und sich weit von den deutschen Werten entfernt. 

Laut Studie "bleibt zu betonen, dass auch eine geringere Steigerung der Selbstständigkeit im Bereich HTM-KIS [hochqualifizierte Selbstständigkeit, vgl. unten] zu merklichen Steigerungen des Wirtschaftswachstums und damit der langfristigen Wohlfahrt beitragen würde".

Eigentlich hatte Deutschland Mitte der 90er Jahre mit 3,5 Prozent Wissensarbeitern eine gute Ausgangssituation, lag zwar nicht an der Spitze aber deutlich vor dem Durchschnitt der europäischen (2,9 Prozent) sowie aller untersuchten Staaten (2,6 Prozent). Bis zum Jahr 2011 konnte Deutschland diesen kleinen Vorsprung von etwa 0,8 Prozent halten. 

Anteil der selbstständigen Wissensarbeiter ("HTM-KIS", Erklärung siehe unten) an allen Erwerbstätigen - Deutschland vs Europa vs. alle 31 untersuchten Länder

Seitdem geht die Zahl der Wissensarbeiter in Deutschland aber zurück, während die anderen Länder aufgeholt habe: Deutschland lag 2018 mit 4,1 Prozent nur noch knapp vor den europäischen Ländern (3,9 Prozent) bzw. dem Durchschnitt aller untersuchten Länder (4,0 Prozent).

Deutschland hat seinen Vorsprung verspielt

Deutschland hat seinen Vorsprung verspielt und ist nur noch Durchschnitt, die Tendenz ist zudem negativer als in anderen Ländern und diese negative Tendenz dürfte durch die Corona-Krise noch einmal an Dynamik gewonnen haben. Die Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands will das ifo Institut in einer Folgestudie untersuchen. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass neben dem langen konjunkturellen Aufschwung auch die für Selbständige wenig förderlichen gesellschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen den geringen Anreiz zur (Solo-)Selbständigkeit erklären – also Faktoren, auf die auch wir vom VGSD immer wieder hinweisen.

Das ifo Institut konnte zeigen, dass dieser Rückgang bei den selbstständigen Wissensarbeitern Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit und das Wachstum Deutschlands hatte. Es hat nicht nur den Anteil der Wissensarbeiter in 31 Ländern im Zeitraum zwischen 1985 und 2018 (letztverfügbare Zahlen der OECD) untersucht, sondern auch berechnet, wie stark das Wirtschaftswachstum in einem Land mit dessen Anteil selbständiger Wissensarbeiter zusammenhängt.

Klarer Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Anteil an selbstständigen Wissensarbeitern

Das Ergebnis ist eindeutig: Der Anteil an Wissensarbeiter zeigt einen signifikant positiven Zusammenhang mit der Höhe des Wirtschaftswachstums. Berücksichtigt wurden wissensintensive Dienstleistungen ("KIS – Knowledge Intensive Services"), zu denen u.a. Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Achitektur- und Ingenieurbüros, Werbung und Marktforschung, sonstige freiberufliche, wissenschaftliche und technische Tätigkeiten, IT-Dienstleistungen, Fiananz- und Versicherungsdienstleistungen, Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung zählen. Auch "Hightech Verarbeitendes Gewerbe" (HTM) wurde betrachtet. Besonders signifikant ist der positive Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum im Bereich Hightech und Hightech wissensintensive Dienstleistungen, zu denen IT-Dienstleistungen zählen.

Wie kommt dieser positive Effekt zustande? Es geht dabei nicht alleine um die höhere Produktivität des einzelnen selbstständigen Wissensarbeiters, sondern auch den produktivitätssteigernden Effekt, den er bzw. sie auf andere hat: Durch den Transfer von Wissen in das beauftragende Unternehmen, das Entwickeln neuer Ideen durch eine objektivere Sicht auf die Herausforderungen (keine "Betriebsblindheit"), das Einbringen hilfreicher Kontakte, Vorwissen und Erfahrung aus Projekten in anderen Unternehmen sowie fundiertes, im Unternehmen nicht vorhandenes Spezialwissen.

Interessanterweise gilt der positive Zusammenhang mit dem Wachstum nicht für alle Selbstständigen. Wenn man Branchen wie Einzelhandel, Gastronomie, Handwerk, Transport oder Landwirtschaft einrechnet, wird der Zusammenhang leicht negativ – man kann hier nur darüber spekulieren, dass größere Unternehmen in diesen Bereichen Wettbewerbsvorteile haben.

Die Wissenschaftler würden die Wachstumseffekte gerne einzelnen Branchen noch präziser zurechnen und appellieren an die Politik, den Zugang zu bereits bestehenden, international vergleichbaren Daten zu verbessern, so dass man besser zwischen Soloselbstständigen und anderen Größenklassen von Unternehmen differenzieren kann.

"Deutschland verschenkt Wachstumspotenzial"

Prof. Oliver Falck hat die Studie gemeinsam mit Klaus Gründer, Christian Pfaff und Anita Wölfl verfasst

„Da die Wissensarbeiter*innen eine wichtige Rolle im Innovationsprozess einnehmen, verschenkt Deutschland Wachstumspotenzial“, kommentiert Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, einer der Autoren, die Studie. („Ein Aufschließen Deutschlands etwa zu Südkorea ginge mit einem Wachstumsimpuls von 0,96 Prozentpunkten einher – langfristig summiert sich das auf 243 Mrd. Euro“, so Falck.)

„Die Ergebnisse der Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen eindrucksvoll, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland von hochqualifizierten Selbständigen profitieren kann. Der internationale Vergleich zeigt auf, dass Deutschland in Rückstand geraten ist. Um die Innovationskraft selbständiger Experten voll ausschöpfen zu können, ist die Politik gefragt, die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen – im Sinne des Bürokratieabbaus und moderner Gesetzgebung – so attraktiv auszugestalten, dass Gründertum und Selbständigkeit als Perspektive von Menschen verstanden wird. Die Politik der vergangenen Jahre hat Selbständigkeit und Unternehmertum geschwächt. Eine neue Bundesregierung hat nun die Chance, die Weichen neu zu stellen,“ fasst Carlos Frischmuth vom Bundesverband selbstständige Wissensarbeit, in dessen Auftrag die Studie erstellt wurde, deren Ergebnisse zusammen.

Die Studie wurde im Rahmen der ifo Forschungsberichte 125 veröffentlicht (PDF, 30 Seiten).

Pressemitteilung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung

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