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"Medienwirksam aufgebaute Kulissen von außen schön anzusehen, innen aber hohl" - So nennt Pamela Gräbe von der GSA e.V. die Soforthilfen

Seit dem 1.4.2020 leitet Pamela Gräbe die Geschäfte der German Stunt Association (GSA) e.V. und setzt sich gemeinsam mit uns im Rahmen der BAGSV (Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände) für fairere gesetzliche Rahmenbedingungen für Selbstständige ein. Im Interview stellt sie ihren Verband vor und berichtet, wie die Stuntleute von der Coronakrise betroffen sind.

Pamela Gräbe ist leitende Geschäftsführerin der German Stunt Association (GSA) e.V.

Die Soforthilfen der Politik vergleicht Pamela mit einem Schloss in einer Filmkulisse: "Von außen schön anzuschauen, innen aber hohl." Sie hält es für ein Unding, dass nach deren Ankündigung erst nach und nach durchgesickert ist, welche Beschränkungen und Regelungen bei der Vergabe der Soforthilfe gelten sollen.

VGSD: Wie bist du zum Verband der Stuntleute gekommen, muss man da sehr draufgängerisch sein?

Pamela: Ich wurde für die German Stunt Association als Mitarbeiterin entdeckt, als ich mit meinem Auto auf zwei Rädern durch Berlin gefahren bin. – Okay, nein, so war es nicht (lacht).

Der frisch gegründete Verband der Stuntleute war 2008 auf der Suche nach jemandem, der die Anmeldung beim Amtsgericht vollziehen und zwei Tage pro Woche die organisatorischen Arbeiten eines Vereins übernehmen konnte. So bin ich zum Bundesverband deutscher Stuntleute e.V., der sich inzwischen German Stunt Association e.V. nennt, gekommen. Im April 2020 habe ich dort die Geschäftsführung übernommen.

Dass ich privat geflogen, Motocross gefahren bin, dass ich tauche, reite und künstlerisch tätig bin, hat mir geholfen, zum einen die Motivation von Stuntwomen und Stuntmen und zum anderen ihre Arbeit zu verstehen.

Ein Großteil der deutschen Stuntleute ist Mitglied bei der GSA

VGSD: Wie viele Stuntleute gibt es denn in Deutschland?

Pamela: Die German Stunt Association e.V. ist ist die Interessenvertretung der in Deutschland professionell arbeitenden Stuntleute, die für Film-, TV-, Theater- und Werbefilmproduktionen tätig sind. Wir sind stolz auf unseren Organisationsgrad - von geschätzten 150 bis 170 professionellen Stuntleuten in Deutschland sind 115 Mitglied im Verband -, auf unsere Erfolge, die Anerkennung als Künstler und auf unsere aktive Community.

VGSD: Wie geht es euren Mitgliedern in der Coronakrise?

Die GSA startete bei ihren Mitgliedern eine Umfrage fragte nach, ob fest vereinbarte Drehtage abgesagt wurden.

Pamela: Im März 2020 sind für 97 Prozent unserer Mitglieder zugesagte Aufträge weggebrochen, das haben wir in einer Umfrage zu diesem Zeitpunkt feststellen müssen. Mitte Mai liefen wieder erste Dreharbeiten unter strengen Hygienemaßnahmen wieder an. Aber viele Stunts sind mit körperlicher Nähe untereinander, zu Schauspielern oder anderen Gewerken verbunden, so dass Szenen wegen einer möglichen Infektionsgefahr oft umgeschrieben oder gestrichen wurden. Erst vor zwei Wochen titelte n-tv  "Schauspieler dürfen wieder küssen und kämpfen", als die Berufsgenossenschaften ihre Coronavorgaben lockerte. Nun steht uns "nur noch" das Risiko einer Infektion während einer Produktion im Wege - nicht versicherbar -, deshalb liegen große Kinofilmproduktionen, bei denen Stuntleute mehr als ein bis zwei Drehtage beschäftigt waren, noch auf Eis.

Unsere Mitglieder rechnen, laut unserer Corona-Umfrage II (Juli 2020) , mit Einbußen zwischen 30 und 70 Prozent gegenüber den Vorjahren.

"Ob unsere Maßnahmen erfolgreich sind, wird die Zukunft zeigen"

VGSD: Was habt ihr als Verband in der Krise unternommen?

Pamela: Für unseren Verband bedeutet die Pandemie vor allem Krisenmanagement. Wir liefern der Stunt Community aktuelle und umfassende Informationen, arbeiten mit anderen Verbänden, zum Beispiel der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV), und mit Berufsverbänden der Branche zusammen. Das machen wir, um Hilfen von Bund, Ländern und der Kulturförderung zu erhalten und behalten zu dürfen und den Beginn von Dreharbeiten zu unterstützen.

Dazu kommen interne Maßnahmen, etwa Umfragen, die Etablierung von Online-Workshops und Rabattverhandlung mit unseren Partnern, um unsere Mitglieder möglichst gut durch die Krise zu bringen. Zusätzlich dazu arbeiten wir weiter an unseren "normalen" Kriegsschauplätzen, wie zum Beispiel auf juristischem und politischem Weg gegen den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit vonseiten der Deutschen Rentenversicherung.

VGSD: Sind die ergriffenen Maßnahmen erfolgreich?

Pamela: Das wird die Zukunft zeigen. Manches ist schon gewonnen, vieles noch offen. Es gibt auch Aktionen, die auf den ersten Blick nicht zum angestrebten Ziel führen. Aber wir haben durch sie dazu gelernt, alte und neue Verbündete getroffen und uns ins Spiel gebracht.

Fazit: "Wir müssen uns selbst helfen."

VGSD: Was ziehst du für ein Fazit aus der Krise und der Reaktion der Politik darauf?

Um einen Ausgleich ihrer Einkommensausfälle müssen sich die meisten Mitglieder selbst kümmern, die Soforthilfen greifen bei ihnen nicht.

Pamela: Mein Fazit aus der Krise ist, dass wir Selbstständigen uns wieder einmal selbst helfen und für kommende Krisen besser vorbereiten müssen. Von der Politik werden medienwirksam Schlösser aufgebaut, die aber, wie beim Film, Kulissen sind: von außen schön anzuschauen, innen aber hohl. Ich meine damit die Soforthilfe und KfW-Kredite für kleine Unternehmen, Freiberufler und Soloselbständige sowie Vereine, deren einschränkende Bedingungen erst nach und nach aus dem Sack gelassen wurden. Vielen Selbständigen steht gar nichts zu oder sie erhalten Kredite, für die sie eben doch voll haften. Die staatliche Unterstützung hilft in diesen Fällen nur den Banken.

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