Die Berliner Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 10.12.2025 über einen potenziellen Skandal bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV): Diese scheint staatliche Auftraggeber bei Statusfeststellungsverfahren zu bevorzugen und Akten sgaor nachträglich zu bereinigen.
Erstmals seien interne Dokumente aufgetaucht (ein öffentlich gewordener Aktenauszug und weitere Unterlagen), die auf unterschiedliche Prüfprozesse und Sonderwege mit Hinblick auf das Thema Scheinselbstständigkeit hinweisen, wenn die Auftraggeber öffentliche Institutionen sind wie zum Beispiel ein Ministerium oder ein Bundestagsabgeordneter. Noch schwerer wiegt der Vorwurf einer Fachanwältin für Sozialrecht, wonach die DRV Akten vor der Herausgabe an Betroffene und sogar Gerichte bereinigt. Das könnte zentrale rechtsstaatliche Prinzipien verletzen.
Mitarbeitende müssen bei öffentlichen Institutionen Bereichsleiter einschalten
Öffentliche Auftraggeber würden anders behandelt: "Demnach sollen Mitarbeitende in solchen Fällen verpflichtet sein, Entscheidungen vorher [mit dem Bereichsmanager, vgl. Formularauszug oben] abzustimmen. Für private Antragsteller existiert ein solcher Zusatzschritt offenbar nicht."
Dies stehe im Widerspruch zu einer Richtlinie des Bundesarbeitsministeriums (BMAS). Das hatte 2024 in einem Schreiben erklärt, dass es für ein Statusfeststellungsverfahren unerheblich sei, "ob Beteiligte dem öffentlichen Dienst zuzuordnen sind" oder nicht.
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"Rechtsstaatlich problematisch"
Den entscheidenden Hinweis auf die Dokumente gab unser streitbares Berliner VGSD-Mitglied Marcel Misch, der die DRV-Praxis genau beobachtet und darüber auch regelmäßig auf seinem Blog "Freelance Now" berichtet. Gegenüber der Berliner Zeitung erklärte er, "was an den veröffentlichten Unterlagen besonders brisant ist: In den DRV-Akten seien interne Markierungen namens 'K-Lasche' (sogenannte Koordinierungsfälle) zu sehen – ein Hinweis darauf, dass einige Fälle gesondert behandelt und interne Dokumente später aus der Akte entfernt werden." Bei einer Akteneinsicht verbleiben diese Vermerke ausdrücklich in der internen Rentenakte und "sind keinesfalls mit zu übersenden". Zudem existierten ihm zufolge gesonderte interne Vorgaben für Fälle, in denen öffentliche Auftraggeber beteiligt seien.
Besonders kritisch sieht Misch die nachträgliche Veränderung der Akten: "Wenn interne Vermerke vor Versendung der DRV-Akte an Anwälte oder Gericht entfernt werden, fehlt eine vollständige Aktenlage". Das sei "rechtsstaatlich höchst problematisch und rechtlich angreifbar", da effektiver Rechtsschutz eine vollständige und unverfälschte Akte voraussetzt.
Öffentlich gemacht hatte den Aktenvermerk zuvor die Berliner Rechtsanwältin Kathi-Gesa Klafke (jura-ratio Rechtsanwaltgesellschaft), die bereits als Expertin an mehreren VGSD-Talks teilgenommen hat, zuletzt an unserer Online-Konferenz zur Evaluierung der Reform des Statusfeststellungsverfahrens:
"Geschäftsmäßige Bereinigung von Akten vor ihrer Herausgabe"
In einem LinkedIn-Beitrag schreibt Kathi-Gesa Klafke zu den nachträglichen Änderungen an Akten:
"Die Erteilung der #Akteneinsicht an Betroffene und deren Bevollmächtigte ist im Sozialrecht eines der zentralen Elemente zur Sicherstellung von Fairness, Chancengleichheit und Rechtsverteidigung. Die geschäftsmäßige Bereinigung der Akten vor ihrer Herausgabe [ist] offenbar eine Spezialität der Deutschen Rentenversicherung Bund (#DRV).
#Statusfeststellungsverfahren nach #§7aSGBIV etwa werden intern vorab daraufhin überprüft, ob Auftraggeber oder Auftragnehmer zu öffentlichen Institutionen gehören oder 'nur' aus dem privatwirtschaftlichen Sektor stammen. Wenn der DRV bekannt wird, dass Auftraggeber häufiger mit #Honorarkräften arbeiten, wird ein 'Koordinationsvermerk' gesetzt und das Ergebnis aller künftigen Statusanfragen im Vorhinein bereits festgelegt. Nur falls sich schon mal jemand gewundert haben sollte, warum man nur noch Textbausteine zurückbekommt und das Ergebnis 'passend gemacht' und wenig einzelfallgerecht wirkt.
Von Koordinationsvermerk "soll niemand erfahren"
Von dieser Verwaltungspraxis soll niemand erfahren. In den Geschäftsanweisungen der DRV heißt es, dass die Akten zu bereinigen seien, bevor sie an die Betroffenen herausgegeben werden. Auch die Gerichte erhalten üblicherweise nicht die vollständige Akte."
Marcel Misch fordert aufgrund dieser Vorgänge eine Prüfung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und das BMAS. Es geht ihm dabei um mehr Transparenz, eine rechtliche Bewertung der internen Sonderproozesse und strukturelle Konsequenzen, damit alle Statusfeststellungsverfahren nach denselben Regeln ablaufen. Das BAS als Rechtsaufsicht der DRV teilte der Berliner Zeitung mit, dass sie die Vorwürfe, von denen sie am 6. Dezember 2025 erfahren habe, prüfe. Sie habe die DRV hierzu zunächst um eine Stellungnahme gebeten.
Rechtsaufsicht hat Prüfung angekündigt
Auch die Berliner Zeitung hat die DRV um eine Stellungnahme gebeten. Diese liegt unseres Wissens noch nicht vor, was die DRV mit einer Reihe von Großveranstaltungen begründet. "Ob die DRV dann auch wirklich Antworten liefern kann – und ob die internen Hinweise tatsächlich auf Sonderwege hindeuten –, bleibt bis dahin offen," schreibt die Zeitung.
Wir informieren euch, sobald neue Informationen vorliegen! Erst vor kurzem hatten wir auf einen Hinweis von Marcel Misch hin über Hinweise berichtet, wonach Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS) und DRV Bund womöglich nicht nach einheitlichen Kriterien auf Scheinselbstständigkeit prüfen. Im direkten Zusammenhang mit den Erkenntnissen der Berliner Zeitung steht zudem ein früherer Beitrag, in dem wir zeigen konnten, dass die DRV an ihre eigene Softwareentwicklung andere Maßstäbe anlegt als an die bei privaten Auftraggebern.
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