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Warum bist du selbstständig? - Elke, Software-Ingenieurin "Als Selbstständige kann ich alles ausprobieren!"

Software Engineering ist nichts für Frauen? Nun ja...

Elke ist selbstständige Software-Ingenieurin und eine führende Expertin auf diesem Gebiet. In ihrem Studium und in ihrer beruflichen Laufbahn hat sie oft zu hören bekommen, dass das für sie als Frau doch nichts sei. Elke aber hat sich nicht unterkriegen lassen und immer weitergemacht - bis zur Professur.

Heute ist sie selbstständig und hat eine Teilzeitstelle als Professorin. Außerdem gibt sie Kurse und schreibt Bücher zum Thema Software Engineering. Wie sie es ohne Unterstützung so weit geschafft hat, verrät sie im Beitrag, in dem sie anonym bleiben möchte. Ihren Vornamen haben wir geändert.

"In der Selbstständigkeit kann ich alles ausprobieren!"

Als Angestellte war ich sehr unglücklich. Meine besten Ideen durfte ich entweder nicht umsetzen oder sie wurden mir von meinem Vorgesetzten gestohlen - meist sogar beides. Ständig musste ich mir Vorurteile darüber anhören, was ich alles nicht könne: „Frauen / Akademiker / Praktiker können nicht…"

Kurz nachdem ich mich selbständig gemacht hatte, erlebte ich folgende Wunderheilung: Ich nahm an der Besichtigung eines Hochofens teil, und wir mussten ganz da hoch, auf Gitterleitern, durch die man unendlich weit nach unten durchblicken konnte. Japsend und schwindlig von einer Panikattacke kam ich kaum nach oben vor Höhenangst.

Plötzlich drehten sich in meinem Kopf Erinnerungen an verschiedene Szenen: Ich steige als Kind auf einen Stuhl, um etwas vom Regal zu holen, und meine Mutter sagt: „Tu das nicht, du wirst abstürzen!“ Als Studentin steige ich auf einen Tisch, um Luftballons als Partydekoration an die Decke zu kleben, und jemand sagt: „Nun fall aber nicht runter!“ In einer mündlichen Prüfung sagt der Prof: „Ich glaube kaum, dass Sie das wissen.“ Mein Chef sagt: „Das wirst du sowieso nicht schaffen.“ Dabei wurde mir der Hals ganz eng. Und plötzlich die Erkenntnis: Ich bin jetzt selbständig! Die können mir gar nichts mehr! Ich kann alles ausprobieren und sehen, ob ich das kann! Da wurde mir das Herz ganz weit, ich konnte wieder atmen - und seit diesem Tag bin ich schwindelfrei!

Ermutigt durch meinen eigenen Willen

Neulich habe ich auch an einer Umfrage zum Thema Frauen in den Naturwissenschaften teilgenommen und wurde mehrmals gefragt, wer mich ermutigt habe, erstens dieses Fach zu studieren, zweitens zu promovieren und drittens mich für eine Professorenstelle zu qualifizieren. In allen drei Fällen dieselbe Antwort: Niemand. Wirklich niemand hat mich ermutigt, außer mein eigener Wille und die Überzeugung, dass das genau mein Ding ist.

Ständig hieß es, ich sei nicht intelligent genug dafür, das sei vermutlich zu schwierig für mich, die anderen seien besser. Meine guten Noten und Arbeitsergebnisse waren angeblich „nur“ das Ergebnis harter Arbeit. Den IQ habe ich inzwischen messen lassen. Ja, es gibt Menschen mit einem höheren IQ, aber das sind weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Da meine Kompetenz scheinbar immer zu gering war, habe ich mich stetig fortgebildet und das Mehrfache von anderen geleistet. Dadurch gehöre ich jetzt zu den Top-Experten in meinem Bereich und ich höre nicht auf zu lernen.

Herausforderungen: Vorurteile und gedrückte Honorare

Ich hatte in der Selbstständigkeit durchaus auch mit Herausforderungen zu kämpfen, zum Beispiel die eben beschriebene Vorurteilsgeschichte. Das passiert aber nur bei dummen Kunden und Kursteilnehmern. Kompetente Geschäftspartner erkennen meine Kompetenz und wissen sie zu würdigen. Dann diskutieren wir auf hohem Niveau und das macht Spaß.

Die Selbstständigen werden nicht immer fair behandelt. Besonders ärgere ich mich darüber, dass die Honorare durch Hausfrauen und Angestellte, die Schulungen nur zum Spaß steuer- und versicherungsfrei nebenbei halten, kaputt gemacht werden. Das drückt die Trainerhonorare auf ein Niveau, das es schwer macht, von dieser Arbeit zu leben, zumindest wenn man seine Kursunterlagen selbst erstellt. Und das will ich unbedingt!

Die Mischung macht's

Trotz alledem bin ich selbstständig geblieben, weil ich mich genau da am richtigen Platz fühle. Ich habe so viele Ideen! Manches war am Anfang nicht so toll, konnte ich aber durch „kontinuierliche Verbesserung“ perfektionieren. Es muss beim Selbstständigen nicht alles auf Anhieb klappen, anders als im Angestelltendasein. Aktuell bin ich in einer Teilzeit-Position als Professorin angestellt, was wirklich die einzige Stelle ist, die ich jemals wieder angenommen hätte. Meine Firma betreibe ich weiter und mache dort das, was mir in meinem Job fehlt: Die Vielfalt an Projekten will ich nicht mehr missen. Das ist eine schöne Kombination so!

Die Selbstständigkeit war für mich die richtige Entscheidung, weil ich mich damit endlich lebendig fühlte. Ich finde es leichter, Verantwortung selbst zu tragen, als von einem Chef abzuhängen. Die glauben nicht an mich und lassen mir keine Zeit zum Einarbeiten oder um zu lernen. Chefs sind nicht dazu da, um Mitarbeiter zu fördern, sondern um sie zu klein zu halten. Chefs freuen sich nicht über die Erfolge ihrer Mitarbeiter, sondern nur über deren Misserfolge. Ich verstehe Chefs nicht, sehr gut aber die Kunden, denn die Kunden wollen auf jeden Fall, dass ich erfolgreich bin und unterstützen mich dabei. Beim Kunden finde ich mehr Gemeinsamkeit und Teamgeist! Wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte, wäre ich heute … Das will ich mir gar nicht vorstellen! Depressiv? Sekretärin? Amok gelaufen? Auf keinen Fall schwindelfrei!

Anmerkung:

Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.

Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.

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