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Warum bist du selbstständig? - Tamara Dannenmann, Marketing & Service Guidance "Mein Bauch sagte dem ersten Kunden zu."

Tamara Dannenmann glaubte an Selbstverwirklichung im Beruf, bis ihr ihre eigene Tätigkeit in der Werbebranche die Augen öffnete.

Durch liebe und verständnisvolle Menschen in ihrem Umfeld und nette Kunden konnte Tamara Fuß fassen. Warum sie heute sehr zufrieden ist und nichts anders machen würde, obwohl sie nicht dort ist, wo sie gerne wäre, verrät Tamara im Beitrag.

Ich war fest überzeugt: Das ist mein Weg

Als junger Mensch glaubte ich an den Traum: Selbstverwirklichung im Beruf. Vor allem im Werbe- und Medienbereich sah ich meine Zukunft. Ich hatte geglaubt, dort für meine überschäumende Kreativität einen guten Platz gefunden zu haben. Meine Mutter erinnert mich noch heute gern an eine Diskussion, die wir führten: Du kannst nicht in die Werbung – so wahrheitsliebend wie du bist! Du kannst doch keine lila Kühe verkaufen oder Geschirrspülmittel, in dem man seine Hände drin badet.

Aber ich war fest davon überzeugt: Das ist mein Weg. Und es muss sie geben – Werbung, die Spaß macht, und Kunden, die sich auf witzige, ehrliche Art präsentieren wollen. Meine ersten beruflichen Schritte führten mich in eine Sales-Agentur. Das waren Zeiten – vollgespickt von real gewordenen Klischees. Aber weit entfernt von einer entspannten und erfüllten 40 Stunden Woche, freier kreativer Schöpfungsarbeit oder alternativ - gut bezahlt.

Also entschied ich mich für die „Industrieseite“ und wurde Teil einer Marketing-Abteilung eines deutschen Zertifizierungs-Unternehmens. Ich habe Messen mit organisiert, die Kundenzeitung mit entwickelt und dabei jede Menge gelernt. War ich glücklich? Leider nein! Ganz im Gegenteil. Ich passte überhaupt nicht in diese Branche. Ich war einerseits naiv, voller Ideen und Tatendrang, ich wollte etwas verändern. Andererseits fehlte mir der „richtige berufliche Platz“ und ich habe in der Zeit viel mitgemacht.

Mein Verstand sagte Nein und mein Bauch sagte dem ersten Kunden zu

Möchte ich so weitermachen? Wo soll das hinführen? Das war 1999 meine Frage an mich selbst. Ich gebe zu, mit 29 war ich nicht wirklich bereit für die Selbstständigkeit. Mir fehlten viele Basics – vor allem im strukturellen Bereich: Wie plane ich meinen Arbeitsalltag, wo bekomme ich Aufträge her, was will ich anbieten und was sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung. Während ein Teil von mir (Verstand) meinte: "Oh neiiinnn, wie soll das was werden, wir werden untergehen wie die Titanic, die den Eisberg der Selbstständigkeit rammte"… hatte mein Bauch schon dem ersten Kunden zugesagt.

Und ich hatte großes Glück – denn meine Aufgaben waren wirklich im doppelten Sinn hilfreich. Nicht nur mein erstes Geld im Rahmen der Selbstständigkeit, ich lernte den Umgang mit Kunden auf mehreren Kommunikationskanälen sowie administrative Abläufe und Unternehmensstruktur. Zugleich war ich von netten, verständnisvollen Menschen umgeben, die mir nicht nur halfen, Geld zu verdienen, sondern die auch bereitwillig ihr Wissen teilten. Ich muss zugeben, bis auf wenige Ausnahmen hatte ich nur nette Kunden - und manche von ihnen haben mich über Jahre begleitet, und ich sie.

Über die Jahre habe ich mir viel selbst beigebracht

Nebenher habe ich mir viel selbst beigebracht und darüber hinaus auch einige Schulungen mitgemacht. Ich habe mich öfter verändert und dabei immer wieder die Herausforderung gesucht. Mein Aufgabenfeld erweitert sich hier & da und schließt sich in den Bereichen, die ich nicht mehr machen möchte.

Ich bin heute zwar nicht da, wo ich gern gewesen wäre mit Ü50 (- unverschämt reich, unfassbar kreativ und sehr berühmt-), aber wenn ich die letzten zwei Jahrzehnte zurückblicke – ich hätte nicht tauschen wollen. Keine Festanstellung hätte mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Gerade weil ich in der Selbstständigkeit auch mit meinem schwankenden Gesundheitszustand die Möglichkeit habe, Termine und Aufgaben zu verschieben. Ich weiß nicht, wie es in einem Angestelltenverhältnis gewesen wäre – wäre ich eventuell in Frührente? Zum Nichtstun verdonnert? Hätte ich überhaupt verständnisvolle Vorgesetzte gehabt, die mir gestattet hätten, was ich unter der Woche nicht geschafft habe, am Wochenende nachzuholen? Ich arbeite sehr gern – ich mag es, heute selbst Wissen zu vermitteln. Ich bin gern für andere da, die Hilfe brauchen.

In der Pandemie zur Kreativität zurückgefunden

Auch oder gerade in der Pandemie habe ich ein Stück weit zu meiner Kreativität zurückgefunden. Als „Geld verdienen“ plötzlich nicht mehr den Stellenwert hatte wie die Jahre zuvor. Weil es eben wenig(er) Geld zu verdienen gibt. Da kommen mir Gedanken wie: Ich möchte schreiben – aber nicht irgendwas, sondern mein Wissen vermitteln oder meiner Kreativität Raum geben. Ich möchte fotografieren, was mir Freude bereitet und über das reden, was mich bewegt.

Meine Träume aus der Kindheit endlich leben – deswegen habe ich mich doch selbstständig gemacht, oder?

In der Selbstständigkeit sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht

Den „kleinen Selbstständigen“ fehlt meiner Ansicht nach auch heute noch eine Lobby. Sie gehen ihren Weg - und der ist „teuer“. Denn das Motto selbst und ständig stimmt an allen Ecken und Kanten. Es gibt sicherlich Beratungsstellen (IHK – IHK Beratertage) oder Verbände wie den VGSD und tolle Veranstaltungsreihen – um mal stellvertretend den Medienmittwoch in Frankfurt zu nennen.

Doch wer in die Selbstständigkeit geht, sieht oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es ist niemand da, der einem sagt, was zu tun ist. Es gibt keine Gespräche, wie ich beruflich abschneide, was ich verbessern müsste. Oder jemanden, der einem die Aufgaben zuteilt. Man ist auf sich allein gestellt, trifft unternehmerische (Fehl-)Entscheidungen und der beste Berater ist das „innere Team“ – das hoffentlich aus Mutmachern – Kreativen – Erbsenzählern und verständnisvollen Zuhörern besteht.

Ich habe lange gebraucht, um zahlendes Mitglied im VGSD zu werden. Was daran liegt, dass ich schon das eine oder andere Netzwerk „mitgemacht“ habe… Und auch wenn ich die vielen Webinare wirklich mag – letztes Jahr habt ihr mir besonders gut getan.

Nächstes Jahr soll „alles anders“ werden. Anders als? Keine Ahnung – aber auf jeden Fall anders als 2020 und vielleicht auch nochmal "mehr" als 2021. Mehr menschlicher Austausch, mehr Nähe, mehr Familie, Freunde und Miteinander, mehr Achtsamkeit, mehr Lachen und das Leben feiern, mehr Aufstehen und Einstehen für Gerechtigkeit und gegen Hetze jeder Art, mehr Sinnstiften, mehr schätzen, was für uns so lange selbstverständlich war!

Anmerkung:

Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.

Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.

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