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Update Update Ergebnisse der BMAS-Werkstatt zur Interessenvertretung von Solo-Selbstständigen

(Update vom 13.07.17) Am Montag letzter Woche (3. Juli 2017) hatte das BMAS wie bereits angekündigt (siehe unten) Vertreter von Verbänden und Initiativen zu einem Werkstattgespräch „Stärkung gemeinsamer Interessenvertretung  Selbstständiger - Hindernisse, Möglichkeiten, Herausforderungen“ eingeladen. Die Veranstaltung war gut besucht, 67 Teilnehmer hatten ihr Kommen zugesagt, darunter auch viele Vertreter von Gewerkschaften und Ministerium.

Die Einladung hatte uns während des letzten BAGSV-Treffens erreicht und wir waren uns einig, dass wir als Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände die Gelegenheit nutzen wollten, um unsere Vision von einer Interessenvertretung gegenüber dem Ministerium darzustellen. Das ist uns gut gelungen, auch wenn die Vertreter des Ministeriums zunächst vielleicht etwas überrascht waren, wie geschlossen wir bereits auftreten konnten. Das BMAS wünscht sich bekanntlich eine stärkere Rolle der Gewerkschaften als Interessenvertretung der Selbstständigen. Wir Selbstständige in Berufs- und Branchenverbänden wollen unsere Interessen aber gerne weiterhin selbst vertreten.

Vier Impuls-Vorträge sollten die Diskussion in die richtige Richtung lenken

Nach der Begrüßung durch Staatssekretär Thorben Albrecht standen vier Impuls-Vorträge auf dem Programm:

  • Der Soziologie-Professor Hans Pongratz hat zusammen mit Dr. Lisa Abbenhardt im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die bestehenden Interessenvertretungen von Solo-Selbstständigen untersucht. (In diesem Zusammenhang hat er auch ein Interview mit dem VGSD durchgeführt).  Im Rahmen des Impulsvortrages berichtete er über erste Ergebnisse. Als Beispiele für Interessenvertretungen nannte er ver.di und VGSD. Die BAGSV hatte es leider noch nicht auf seine Folie geschafft. Sein Vortrag stieß ebenso wie die folgenden auf großes Interesse bei den Zuhörern, zu allen Vorträgen gab es interessierte Nachfragen aus dem Publikum.

  • Michelle Miller von coworker.org war extra aus New York gekommen. Dort hat sie mit einigen wenigen Mitstreitern eine Internet-Plattform aufgebaut, über die  Mitarbeiter von Filialunternehmen wie z. B. Starbucks sich „finden“ und über Arbeitsbedingungen, Bezahlung etc. diskutieren können. Sie können Forderungen aufstellen, die andere dann unterstützen. Die Plattform wird hauptsächlich von Angestellten genutzt, Selbstständige machen nur rund 10 Prozent der Nutzer aus. Trotzdem ein sehr interessanter Ansatz: Wir sind mit Michelle in Kontakt, um mehr über die genaue Funktionsweise ihrer Plattform zu erfahren.
  • Die Jura-Professorin Eva Kocher von der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder, eine ehemalige Hans-Böckler-Stipendiatin, sprach über „Rechtliche Instrumente für die Interessenvertretung Solo-Selbstständiger“. Sie konzentrierte sich dabei auf die Durchsetzbarkeit von Honorarempfehlungen, Gebührenordnungen und Tarifverträgen, mit denen man allerdings schnell in Konflikt zu EU-Kartellrecht geraten kann.
  • Bernhard Brauner vom Genossenschaftsverband e.V. erklärte schließlich, welche Vorteile „Genossenschaften als Organisationsform für Solo-Selbstständige“ haben.

Diskussion in Kleingruppen

Es schlossen sich zwei Runden in Kleingruppen an, unterbrochen vom gemeinsamen Mittagessen und einer Tour durch das Arbeitsministerium, bei der man sich über die Ergebnisse der anderen Kleingruppen in der ersten Arbeitsrunde informieren konnte, was mit einer Tour durch (gefühlt) sämtliche Treppenhäuser und größeren Besprechungsräume des Ministeriums verbunden war.

In der ersten Runde sollte u. a. darüber diskutiert werden, warum der Organisationsgrad von Selbstständigen (im Vergleich z. B. mit Angestellten in Gewerkschaften) so niedrig ist und weshalb bestehende Instrumente der Selbstorganisation nicht funktionieren würden. Gefragt wurde auch, welche Organisationsmöglichkeiten für Instrumente uns bekannt seien.

Da die BAGSV-Mitglieder einen erheblichen Teil der Workshop-Teilnehmer ausmachten und damit in allen Kleingruppen vertreten waren, konnten wir deutlich machen, dass die Selbstorganisation unseres Erachtens durchaus funktioniert – wobei das Ministerium in den letzten Jahren ungewollt als Katalysator wirkte: Das ursprünglich geplante Werkvertragsgesetz und die Pläne für eine Rentenversicherungspflicht haben uns als Selbstständige erst richtig zusammengebracht. Natürlich gibt es auch viele Herausforderungen und Gründe für den hohen Grad an Fragmentierung bei den Berufsverbänden, aber durch unsere vorausgegangenen internen Diskussionen beim BAGSV konnten wir hier bereits viele pragmatische Lösungsansätze vorstellen.

Für die zweite Kleingruppen-Runde wurde die Frage vorgegeben, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden könnten, um die Selbstorganisation bzw. den Organisationsgrad bei Selbstständigen zu verbessern.

Hier machten wir gruppenübergreifend deutlich, dass wir – bei allem weiteren Entwicklungsbedarf – unsere grundsätzlichen Hausaufgaben bereits erledigt haben und in der Lage sind, dem Ministerium Gesprächspartner und auch Experten zu Detailthemen zu benennen. Statt dessen forderten wir, dass das BMAS seinerseits Ansprechpartner bereitstellt, die mit uns sprechen, uns zuhören und die Ergebnisse  umsetzen. Hierzu gab es eine Vielzahl konkreter Vorschläge mit großen Schnittmengen zwischen den verschiedenen Arbeitsgruppen, wie bei der Ergebnispräsentation deutlich wurde. Im folgenden Absatz gehe ich auf die Vorschläge meiner (Andreas Lutz) Arbeitsgruppe ein.

Viele konkrete Vorschläge und Forderungen an das Ministerium

Hier ausgewählte Beispiele für vorgeschlagene Maßnahmen, die die Mitglieder durch Aufkleben von Klebepunkten priorisiert hatten:

  • Einbindung/Anhörung der Selbstständigenverbände bei Gesetzgebungsverfahren
  • Sozialpartnerschaft (Arbeitgeber und Gewerkschaften) erweitern um Selbstständige, wo Vorhaben uns betreffen
  • Position eines Beauftragten für Selbstständige in Parlament und/oder relevanten Ministerien schaffen
  • Gesetzesfolgeabschätzung in Bezug auf Solo-Selbstständige institutionalisieren
  • Sichtbar höhere Wertschätzung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrags von Selbstständigen
  • Selbstständigenvertreter auf Podien einladen (nicht nur Politiker, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Wissenschaftler)
  • Regelmäßige Berichterstattung institutionalisieren über die Vergütung von Selbstständigen durch die öffentliche Hand bzw. Auftragnehmer der öffentlichen Hand (z. B. bei Ausschreibung von Trainingsleistungen)
  • Bewertungsplattform für Auftraggeber schaffen

Sehr viele Klebepunkte erhielten von den Teilnehmern die Idee der Bundesarbeitsgemeinschaft sowie der von Mitgliedsverbänden initiierten themenbezogenen Allianzen. Vorgeschlagen wurden auch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Verbandsarbeit und die Beseitigung von Hemmnissen für ehrenamtliche Verbandsarbeit.

Fazit

Um 9:30 Uhr begann das Werkstattgespräch, pünktlich um 16:30 Uhr zog Benjamin Mikfeld in seinem Schlusswort ein Fazit. Der für „Grundsatzfragen des Sozialstaats, der Arbeitswelt und der sozialen Marktwirtschaft“ zuständige Abteilungsleiter gebrauchte mehrfach den Begriff des „volonté générale“. Jean-Jacques Rousseau hat diesen geprägt und ihn gegenüber dem „volonté de tous“, der Summe der Einzelinteressen, abgegrenzt.

Der volonté générale ist laut Wikipedia das, was die Gemeinschaft der Bürger tun und entscheiden würde, wenn sie allgemeingültige Gesetze beschließen, wählen oder abstimmen könnte, und zwar bei vollständiger Informiertheit, höchster Vernunft und uneingeschränkter, also dogmatisch oder emotional ungetrübter, Urteilskraft.

Dieser allgemeine Wille sei ihm, Mikfeld, in Bezug auf die Selbstständigen auch nach diesem Treffen noch immer nicht ganz klar. Es klang ein wenig resigniert, so als würden die eigenen Überlegungen zu diesem Thema sich mit denen der Selbstständigen nicht in Übereinstimmung bringen zu lassen.

Vielleicht ist das ja aber eine gute Erkenntnis, denn sie macht die Notwendigkeit deutlich, dass wir alle uns offen und unvoreingenommen miteinander unterhalten – ohne Ergebnisse schon vorweg nehmen zu wollen.

Seitens VGSD und BAGSV sehen wir das Werkstattgespräch auf jeden Fall als Erfolg. Wir sind als BAGSV erstmals bei einer externen Veranstaltung abgestimmt aufgetreten. Die wenigen anwesenden Verbände, die uns noch nicht kannten, haben ihr Interesse an einer Mitarbeit angemeldet. Andere, bisher unschlüssige, haben klargestellt, dass sie auf jeden Fall mitmachen wollen. Wir haben uns als konstruktive Gesprächspartner präsentiert und fundierte Vorschläge und Forderungen formuliert. Wir freuen uns darauf, diese gemeinsam mit dem Ministerium (nach der Wahl?) schrittweise umzusetzen.

Arbeitsministerium diskutiert mit Selbstständigen-Vertretern über Vertretung von Selbstständigen

(Ursprünglicher Beitrag mit Terminankündigung) Unter dem Titel „Stärkung gemeinsamer Interessenvertretung Selbstständiger – Hindernisse, Möglichkeiten und Herausforderungen“ veranstaltet das Bundesarbeitsministerium (BMAS) am 3. Juli in Berlin ein Werkstattgespräch.

Die Veranstaltung gehört zum Themenkomplex „Arbeiten 4.0“ – für das BMAS ist die Debatte zur Zukunft der Arbeit noch nicht zu Ende.

Das Nahles-Ministerium hat den VGSD und andere Verbände eingeladen, "gemeinsam mit weiteren ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu diskutieren, wie Selbständige sich organisieren können, um ihre Interessen stärker vertreten zu können."

Das ist eine auf den ersten Blick originelle Frage, schließlich haben sich bereits zahlreiche Freelancer-Verbände in der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) zusammengeschlossen. Insgesamt haben diese Organisationen rund 100.000 Mitglieder. Zum Vergleich: Die Gewerkschaft ver.di hat nach eigenen Angaben etwa 30.000 Selbstständige in ihren Reihen.

Die BAGSV – Ansprechpartner auf Bundesebene

Offenbar wünscht sich das BMAS feste Ansprechpartner auf Seiten der Selbstständigen. Der VGSD und mehrere andere Mitgliedsverbände der BAGSV werden an dem Werkstattgespräch teilnehmen und die Bundesarbeitsgemeinschaft als Teil der Lösung präsentieren.

Laut BMAS sollen „Vereinbarungen für bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Vergütung“ im Zentrum der Diskussion stehen.

Das Ministerium möchte vor allem über Mindesthonorare und Arbeitsbedingungen sprechen

Hier werden die Freelancer-Verbände deutlich machen, dass Interessenvertreter von Selbstständigen auch über die Themen sprechen möchten, die diese zurzeit am meisten bewegen und nicht nur über die, die das Ministerium gerne hätte ...

Zum Thema Mindesthonorare haben wir schon vor einiger Zeit im Rahmen einer Fokusgruppe Mitglieder befragt und eine differenzierte Position entwickelt. Wir lehnen einen Missbrauch von Selbstständigkeit zur Unterwanderung von Mindestlöhnen ab, die ganz überwiegende Zahl von Selbstständigen möchte ihre Honorare allerdings selbst aushandeln. Zu bedenken ist auch, dass das Kartellamt Preisabsprachen von Unternehmen enge Grenzen setzt.

Schnellere Erfolge könnte man erzielen, wenn BMAS und Bundesagentur für Arbeit die von ihnen direkt und mittelbar beauftragten Selbstständigen besser bezahlen (und Aufträge nicht nur nach Preis vergeben) würden. Zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung könnten die Kriterien für (Schein-)Selbstständigkeit korrigiert werden, die momentan dazu führen, dass Selbstständige in vielerlei Hinsicht schlechter als Arbeitnehmer behandelt werden müssen, um nicht Kriterien zu verletzen.

Wir haben uns zusammen mit den anderen im BAGSV vertretenen Verbänden auf das Werkstattgespräch gut vorbereitet und sind gespannt, was das Ministerium mit der Veranstaltung erreichen möchte.

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