Ein Samstag in Berlin: Bei regelrechtem Bilderbuchwetter (sonnig, aber nicht zu heiß) folgten immerhin 16 Teilnehmende am frühen Nachmittag des 18. Mai dem Ruf der Regionalgruppe zu einer Auszeit vom Stadtalltag in die Berliner Königsheide im Stadtteil Treptow-Köpenick. Die Sehnsucht des gemeinen Städters bzw. der gemeinen Städterin nach ein bisschen Ruhe im Auge des täglichen Verkehrs-, Lärm- und Menschengruppenorkans ist demnach in der Tat so riesig wie sich vermuten lässt, quod erat demonstrandum.
Mir persönlich war die Königsheide noch kein Begriff, wenngleich ich mich mit dem Fahrrad seit Jahren sehr viel in und um Berlin herumbewege – meist in Gesellschaft des Fotografen Lorenz Kienzle, der zu diesem Beitrag auch einige Bilder beisteuerte. Insofern war ich gleich ganz begeistert von der Idee, einen geführten Streifzug durch diesen unterschätzten Stadtforst zu unternehmen. Der Vorschlag kam von Regionalsprecherin Annette Lang, das Telefonat mit der Wildnispädagogin Kristina Roth verlief derart positiv und vielversprechend, dass Großes für diesen nachmittäglichen Ausflug zu hoffen stand. Und so war es dann auch.
Kristina Roth hat sich erst 2018 mit ihrer Firma Wildpfoten selbstständig gemacht – und man muss sagen: das hätte sie ja nun wirklich auch schon mal viel, viel früher tun können. Denn Kristina Roth ist die perfekte Begleiterin für so einen Tag in der Natur. Da hätte ja nun wirklich alles kommen können: von der esoterischen Baumumarmpredigt bis zum 3-stündigen hochwissenschaftlichen Forstvortrag. Aber nein: warmherzig, offen, mit Begeisterung, ein bisschen schnodderigem Humor und viel Liebe zum Geschichtenerzählen ging Kristina Roth ans Werk.
Geschichten vom Wald und mehr
Und ich muss wirklich sagen: man hängt gebannt an ihren Lippen, wenn sie mit ihrer tiefen heiseren Stimme – die klingt, als hätte sie einmal zu oft im Winter in den Karpaten gezeltet – Geschichten zur Geschichte des Waldes erzählt. Oder von ihrem Hechtsprung in voller Montur in den Landwehrkanal am Vortag, um Spechtküken aus dem Wasser zu retten, die bei unfachkundigen Baumarbeiten aus dem Nest gefallen waren. (Anmerkung für NichtberlinerInnen: der Landwehrkanal ist das eine Gewässer in Berlin, in das man definitiv nicht springen möchte, ob voll bekleidet oder nicht, der sieht nicht lecker aus und riecht auch schon mal gar nicht lecker). Spitze! So viele unterhaltsame Infos und Fakten zur Flora und Fauna Berlins in so kurzer Zeit zu vermitteln, und die Zuhörenden dabei nicht nur nicht zu langweilen, sondern regelrecht zu begeistern, ist eine echte Leistung!
Ganz unspektakulär führte sie uns durch die Köngisheide, blieb mal an diesem Baum stehen, mal an jenem, erklärte, erzählte und zeigte. Plötzlich ertappt man sich, wie man minutenlang gebannt an einem Baum hochstarrt, weil da ein Spechtnest ist, aus dem es unermüdlich piept. Und beobachtet, wie die Spechteltern unermüdlich, wenngleich etwas misstrauisch ob der großen, nach oben starrenden Menschengruppe, Futter für die kleinen heranschleppen, um ihre kreischenden Mäulerchen zu stopfen.
Ein Zwischenstopp beinhaltete eine kurze Einlage mit einem Berg mitgebrachter Vogelfedern, die Kristina Roth alle in der Königsheide gesammelt hatte, und die wir anhand bestimmter Kriterien und diverser Vogelbestimmungsbücher Greifvögeln zuordnen sollten. Deren Schrei sodann über unseren Häuptern ertönte – während Kristina Roth berichtete, welche großen Greife tatsächlich mitten in Berlin die Wälder unsicher machen und wie wir ihre Rufe unterscheiden könnten. Ein weiterer Halt war der stillen Kontemplation an einem ruhigen Waldeckchen gewidmet – das die einen dankbar für ein kleines Nickerchen nutzten, denn wann kommt man im hektischen Selbstständigenalltag schon dazu, einfach mal nichts zu tun und dem Rauschen der Blätter über sich zu lauschen? – während andere Vogelrufen nachlauschten.
Ausklang bei leckerem Essen in urigem Biergarten
Der ursprünglich als dreistündige Führung angelegte Spaziergang wurde schnell länger als vier Stunden – und die meisten hatten dann zwar immer noch nicht genug, aber doch gegen 18.00 Uhr Hunger, so dass wir mit beseelten Gesichtern höchst entspannt noch in kleiner Runde in ein für Berliner Verhältnisse wenig hippes, aber doch echt uriges Lokal weiterwanderten.
Das ist wirklich ein absoluter Insider-Tipp für alle, die es mal in den Bezirk Treptow-Königsheide verschlägt oder die Lust auf einen entspannten, unhippen, unhektischen Nachmittag haben: Durch die Königsheide spazieren (es sind nur rund 4 km, wenn man einmal diagonal durchläuft) und im Anschluss in den Biergarten vom Südtiroler Stübl mit leckeren Südtiroler Spezialitäten, liebevoll im Familienbetrieb zubereitet.
Wir saßen dann tatsächlich noch bis zum Einbruch der Dunkelheit im Biergarten des Gasthauses und gingen dann in einer kleinen Gruppe durch die stockfinstere Königsheide zurück zu Autos und S-Bahnhaltestelle. Erstaunlich, wie still so ein dunkler, leerer Wald sein kann. Nicht unheimlich, nein, einfach nur friedlich. Was für ein Kontrast, dann im Anschluss mit dem Fahrrad auf dem Rückweg nach Hause durch die 1-A-Partyzonen der Stadt zu fahren, in denen gegen 23.00 Uhr gerade so das Leben brummte. Verrückte Stadt – so vielschichtig! Aba dit is Berlin, wa?
Bericht: Elke Koepping
Fotos in Farbe überwiegend: Stephan Schöpfer
Fotos in s/w überwiegend: Lorenz Kienzle
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