Mit unschöner Regelmäßigkeit geistern die Stichworte „Mindesthonorar“ und „Überwälzung von Sozialabgaben Auf Auftraggeber“ durch die öffentliche Diskussion. Beide sollen Freelancern höhere Einnahmen verschaffen. Und beide Vorschläge kommen meist von Sozialpolitikern, die ganz offensichtlich keine eigene Erfahrung mit der Selbstständigkeit haben.
Jeder halbwegs erfahrene Freelancer weiß: Bei frei geführten Honorarverhandlungen gibt es normalerweise einen Spielraum. Die Untergrenze wird im Regelfall durch den für den Selbstständigen gerade noch akzeptablen Preis bestimmt. Wer Miete, Essen, Versicherungen etc. für sich und seine Familie bezahlen muss, kann die individuelle Schmerzgrenze nicht dauerhaft unterschreiten. Der obere Rand richtet sich tendenziell nach dem Nutzen, den der Auftraggeber aus der Arbeit des Selbstständigen zieht. Kein vernünftiger Kunde wird mehr bezahlen. Die Verhandlung bestimmt, wie Auftraggeber und -nehmer sich den Spielraum teilen.
Häufig ist der Auftraggeber mächtiger und besser informiert. Aber keineswegs immer: Kleine Unternehmen oder Soloselbstständige müssen als Auftraggeber häufig auf die Fairness des Freelancers vertrauen. Und wo Honorarordnungen gelten, etwa bei Steuerberatern und Rechtsanwälten, ist der Spielraum – zumindest auf den ersten Blick – gering.
Mindesthonorar: Irgendwem schadet es immer
Wie ein Mindesthonorar wirkt, hängt von der Höhe ab. Ein hoher Satz könnte dazu führen, dass Selbstständige mit niedriger Qualifikation sowie Berufseinsteiger keine Aufträge mehr erhalten. Die Nachfrage nach einfachen Tätigkeiten würde zusammenbrechen, wenn das Mindesthonorar den Nutzen für den Kunden übersteigt. Profitieren würden tendenziell etablierte und qualifizierte Selbstständige, weil weniger erfahrene Wettbewerber ausscheiden würden bzw. dann vielleicht für sie arbeiten müssten.
Auf der anderen Seite könnte ein niedriges Mindesthonorar dazu führen, dass „mächtige“ Auftraggeber nur noch diesen Satz zahlen. Das würde bei etablierten Freelancern die Einnahmen drücken.
Fazit: Ein staatlich verordnetes Mindesthonorar schadet so gut wie immer einem Teil der Freelancer. Wer als Selbstständiger mehr verdienen möchte, sollte sich nach unserer Meinung eher mit seiner Positionierung im Wettbewerb und seiner Verhandlungstechnik beschäftigen, als sich eine staatliche Hilfe zu verlassen.
Nebenbei bemerkt könnten Bund, Länder und Gemeinden durch das Zahlen fairer Honorare von jetzt auf gleich bei Musikschul- und Sprachlehrern, Dolmetschern und anderen Berufsgruppen für auskömmliche Einnahmen sorgen – ganz ohne gesetzliche Reglementierung.
Eher ein Rechentrick: der „Arbeitgeberanteil"
Wenn ein Arbeitgeber wissen will, ob die Einstellung eines sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiters sich lohnt, steht eine Zahl im Zentrum: das „Arbeitgeberbrutto“. Es bezeichnet die Summe aller Personalkosten, enthält also auch die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers. Wie sich das Arbeitgeberbrutto zwischen Nettolohn, Lohnsteuer sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung verteilt, spielt kostenmäßig keine Rolle.
Analog ist die „Überwälzung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung“ für Selbstständige zu betrachten. In der Diskussion wird der Eindruck erweckt, dass ein Freelancer unter Hinweis auf den „Arbeitgeberanteil“ seinen Rechnungsbetrag ganz einfach erhöhen könnte. Aus der Sicht des Auftraggebers versucht der Selbstständige aber lediglich, dieselbe Leistung für einen höheren Preis zu verkaufen. Die Begeisterung dürfte sich in Grenzen halten. Solange Verhandlungsmacht und -geschick des Auftragnehmers nicht wachsen, sind die Erfolgsaussichten bescheiden.
Konstante Einnahmen, höhere Abgaben
Und dann geht der Schuss für Freelancer, die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssen, nach hinten los: Sie machen nicht mehr Umsatz, müssen aber noch mehr abgeben. Nach unseren Berechnungen kann die Grenzbelastung bei mittleren, aber auch bei ganz niedrigen Einkommen deutlich über 60 Prozent liegen. Von einem zusätzlichen Euro Gewinn bleiben dann nicht mal 40 Cent an verfügbarem Einkommen übrig. Das liegt wesentlich daran, dass die Bemessungsgrundlage bei Selbstständigen höher ist als bei Angestellten.
Außerdem würde das Ausweisen eines „Arbeitgeberbeitrags“ auf der Rechnung den bürokratischen Aufwand für Selbstständige deutlich erhöhen. Nicht zuletzt müssten sie ihren "Lohnkostenanteil" am Gewinn gegenüber Kunden transparent machen. Selbst wenn das betriebswirtschaftlich möglich wäre, würde es die Verhandlungsposition der Selbstständigen in jedem Fall schwächen. Außerdem brächte es eine zusätzliche Benachteiligung im Wettbewerb mit größeren Unternehmen und ausländischen Anbietern, für die diese Verpflichtung nicht gilt.
Fazit: Der VGSD lehnt eine „Überwälzung des Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung“ als unrealistisch und schädlich ab. Übrigens teilen viele andere Verbände, mit denen wir uns über diese Frage unterhalten haben, unsere Ablehnung.
Wir möchten deine Meinung hören: Wie stehst du zu staatlichen Vorgaben zur Honorarhöhe und zu einem Aufschlag für Sozialabgaben? Könntest du beides überhaupt durchsetzen? Bitte hinterlasse einen Kommentar!
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