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Mit Wumms in die Armut plusminus-Beitrag zeigt, warum staatliche Hilfen nicht funktionieren

Die Fitnesstrainerin Daniela Ullrich hat alles richtig gemacht, genauso wie es die Regierung sich wünscht und künftig für alle Selbstständigen verpflichtend machen will.

Und trotzdem bzw. gerade deswegen ist sie jetzt auf Lebensmittelspenden ihrer Freunde angewiesen.

"Kein Geld, kein Essen": Daniela Ullrich vor ihrem leeren Kühlschrank, Screenshot (auf Foto klicken, um Beitrag anzuschauen)

An ihrem und zwei weiteren Schicksalen von Selbstständigen zeigte plusminus gestern Abend in einem bewegenden Beitrag, dass die staatlichen Corona-Hilfen bei den betroffenen Solo-Selbstständigen nicht ankommen. Die Regierung hat ein Wirrwarr aus nicht aufeinander abgestimmten Regelungen und Zuständigkeiten geschaffen. Unter dem Strich steht für die Betroffenen: Keine wirksame Hilfe – obwohl bzw. weil sie vorgesorgt haben.

Kein Arbeitslosengeld, weil Soforthilfe

Von ihren Honoraren als Fitnesstrainerin hat die ehemalige Leistungssportlerin Ullrich freiwillig in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt. Als selbstständige Lehrerin ist sie zudem rentenversicherungspflichtig und natürlich auch wie alle Selbstständigen pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung. Sie hat Soforthilfe beantragt sowie Arbeitslosengeld.

Kurzarbeitergeld erhält sie als Solo-Selbstständige keines, obwohl sie über Jahre Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge eingezahlt hat. Aber selbst das Arbeitslosengeld  I erhält sie nicht, denn sie hat Soforthilfe beantragt. Diese ist zwar sehr niedrig und darf nur für betriebliche Fixkosten genutzt werden (Ullrich arbeitet außerhalb von Corona-Zeiten in Fitnessstudios und verfügt in ihrer kleinen Wohnung über kein getrenntes Arbeitszimmer).

Da das Arbeitslosengeld I für Miete, Krankenversicherung und Lebenshaltung gedacht ist, ist die Anrechnung unverständlich, aber da die Soforthilfe über der Zuverdienstgrenze von 135 Euro/Monat liegt, verweigert die Arbeitsagentur die Zahlung des Arbeitslosengeld I komplett.

Als Angestellte mit gleichem Arbeitslosenversicherungsbeitrag hätte sie dagegen nicht nur Kurzarbeitergeld erhalten, sondern auch noch deutlich mehr dazu verdienen können.

Kein Hartz IV, weil arbeitslosenversichert

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 ist nun aber vorrangig gegenüber dem Arbeitslosengeld II ("Hartz IV"), weshalb Ullrich auch darauf keinen Anspruch hat. Die Fitnesstrainerin fährt statt dessen mit dem Fahrrad zur Paprikaernte, um überhaupt etwas Geld zu verdienen. Das Beispiel (das wir auf Basis der vorliegenden Informationen etwas ausführlicher beschrieben haben als im Filmbeitrag) zeigt: Auch wer alles "richtig" macht, erhält vom Staat keine Hilfe.

Hätte Ullrich nicht auch Rücklagen bilden können, um ohne staatliche Hilfen durch eine solche Krise zu kommen? Das Problem bei Selbstständigen wie ihr: Gerade weil sie in alle Sozialversicherungszweige einzahlt, dabei aber durch hohe Mindestbeiträge und eine unfaire Beitragsbemessung diskriminiert wird, ist die prozentuale Gesamtbelastung so hoch, dass nicht viel übrig bleibt, um Rücklagen zu bilden. Das gilt nicht nur für niedrige, sondern auch für mittlere Einkommen.

Andere Betroffene werden gezwungen ihre Altersvorsorge aufzubrauchen

Touristenführerin Elvira Bittner und Gunther Gross, der mit seiner Frau eine Musikkneipe betreibt,  haben eigenverantwortlich für ihr Alter vorgesorgt. Sie sind schließlich nicht mehr ganz jung. Aber auch ihnen wird aus ihrer Vorsorge ein Strick gedreht:

Denn ihr Vermögen ist durch die eigenverantwortliche Altersvorsorge zu hoch für die Grundsicherung. Sie müssen ihre Altersvorsorge bis auf 60.000 bzw. als Paar bis 90.000 Euro aufbrauchen, bevor sie Hartz IV beantragen können. Gross' Frau berichtet, dass sie nachts nicht mehr schlafen kann, aus Angst vor der drohenden Altersarmut.

Bei der Familie von Gunther Gross kommt nämlich hinzu, dass der Mietvertrag für die Musikkneipe noch vier Jahre weiterläuft. Gross fürchtet, dass er womöglich schon bald Insolvenz anmelden muss und sich die Gläubiger dann aus seiner Altersvorsorge bedienen, sein Vermieter noch vier Jahre lang, wenn er angesichts der Corona-Krise keinen Nachmieter findet. Er bräuchte wirksame staatliche Unterstützung, um durch die Krise zu kommen, dann könnte er im Anschluss auch wieder Einnahmen generieren und daraus selbstständig Miete und Lebensunterhalt bezahlen.

Noch ist die Meldepflicht für Insolvenzen ausgesetzt: bis September. Dann rechnen Experten mit einer Pleitewelle. Viele Betroffene werden noch lange unter den Folgen der Corona-Krise leiden. Sie haben vorgesorgt und sind dafür bestraft worden. Die staatlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aller traf sie in ihrem jeweiligen Beruf besonders hart, der Staat hat sie mit den Folgen alleine gelassen. Das zeigt plusminus an diesen drei Beispielen auf bewegende Weise.

Mitzeichnen: Heute (Donnerstag, 25.06.20) kannst du noch bis 23:59 Uhr unsere Bundestagspetition mitzeichnen, in der wir wirksame Corona-Hilfen für Selbstständige fordern und dafür auch konkrete Vorschläge machen. Zur Petition

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