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Lesetipp Notfall-Hilfe aus der Pflegekasse Warum bekommen nur Angestellte Pflegeunterstützungsgeld?

Wird ein Mensch plötzlich pflegebedürftig, können sich Angehörige zehn Tage für die Pflege freinehmen und erhalten derweil Geld aus der Pflegekasse – wenn sie nicht selbstständig oder Beamte sind. Warum ist das so?

Eine Pflegebedürftigkeit kann plötzlich eintreten, und dann brauchen Angehörige Freiräume.

Ein Treppensturz, ein Unfall, eine akute Krankheit: Oft wird ein Mensch vom einen auf den anderen Tag pflegebedürftig. Nahe Angehörige müssen sich dann schnell kümmern und viel organisieren. Damit sie sich in dieser Notsituation Zeit nehmen können, wurde 2015 das Pflegeunterstützungsgeld eingeführt: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können für bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben und erhalten bis zu 90 Prozent ihres Netto-Monatslohns. Das bezahlt die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person, nicht der Arbeitgeber. Dennoch ist das Pflegeunterstützungsgeld auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt. Selbstständige und Beamte haben keinen Anspruch darauf.

Das Pflegeunterstützungsgeld ist sozusagen eine Brücke für den akuten Notfall: Zehn Tage für die unvorhersehbare Krise und Entscheidungen, wie es danach weitergehen kann. Vielleicht ist die pflegebedürftige Person dann wieder in der Lage, eigenständig zu leben, vielleicht wird sie in einem Heim gepflegt, vielleicht entscheiden sich die Angehörigen, sie längerfristig selbst zu Hause zu pflegen.

Die anderen Pflegeleistungen

An dieser Stelle kommen andere Pflegeleistungen ins Spiel. Beispielsweise die Pflegezeit: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben einen Anspruch darauf, bis zu sechs Monate von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn sie Angehörige zu Hause pflegen. Geld bekommen sie in dieser Zeit nicht. Die pflegebedürftige Person bekommt Pflegegeld und kann dies den pflegenden Angehörigen überlassen. Hier besteht also kein Unterschied zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten. Selbstständige benötigen keine Freistellung, das Geld der pflegebedürftigen Person können sie ebenso erhalten.

Parallel dazu gibt es die Familienpflegezeit. Auch sie richtet sich an abhängig Beschäftigte. Mit der Familienpflegezeit können sie für 24 Monate in Teilzeit (mindestens 15 Stunden) arbeiten, wenn sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Auch in der Familienpflegezeit gibt es für die pflegende Person keinen finanziellen Ausgleich mehr. Selbstständige haben keinen Arbeitgeber, gegenüber dem sie einen Anspruch auf Teilzeit geltend machen könnten – sie werden also nicht benachteiligt.

Nur vom Angestelltenverhältnis her gedacht

Allerdings: Sowohl in der Pflege- als auch in der Familienpflegezeit können die Pflegenden ein zinsloses Darlehen bekommen. Dies gilt nicht für Selbstständige. Hier besteht also wieder eine Ungleichheit.

Beim Pflegeunterstützungsgeld werden 90 Prozent des Nettogehalts gezahlt, gedeckelt ist es bei 70 Prozent der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze. Ob die pflegende Person privat oder gesetzlich versichert ist, spielt keine Rolle, die Zahlung stammt ja aus der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person. Dies würde dafür sprechen, die Leistung auch (Solo-)Selbstständigen zu gewähren. Doch das Gesetz ist nur vom Angestelltenverhältnis her gedacht.

Ampel plant Weiterentwicklung

Das Pflegeunterstützungsgeld ist eine wenig bekannte Leistung. 2019 wurde es 9.000-mal beantragt, 5,59 Millionen Euro aus der sozialen Pflegeversicherung flossen dafür. Gerechnet hatte die Bundesregierung mit 20.000 Anträgen pro Jahr – bei Erlass des Gesetzes war man sogar von bis zu 200.000 Fällen im Jahr und Mehrausgaben für die Pflegeversicherung von bis zu 100 Millionen Euro ausgegangen. (Seite 3 der Gesetzesbegründung)

An den Regelungen zur Pflege soll weiter gearbeitet werden. Im Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 63: "Wir entwickeln die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten." 

Beirat gibt Empfehlungen zur Verbesserung

Für die Begleitung und Beratung zum Thema Pflege hat das Familienministerium 2015 den "Unabhängigen Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf" eingesetzt. Dieser Beirat – 21 Mitglieder von Interessenverbänden, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Wissenschaftler/innen – hat im Sommer seinen zweiten Bericht vorgelegt und darin Vorschläge für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf gemacht.

Der Beirat schlägt in seinem Bericht auch für die längerfristige häusliche Pflege eine Lohnersatzleistung, nämlich ein zu schaffendes Familienpflegegeld vor. Erfreulich dabei: Selbstständige werden hier mitgedacht. Der Beirat schreibt: "Selbstständige werden bislang im PflegeZG und im FPfZG nicht berücksichtigt. Eine der steuerfinanzierten Entgeltersatzleistung vergleichbare Leistung sollte auch ihnen zustehen, um ihnen eine Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern."

Selbstständige werden gesehen, aber vertröstet

Bedauerlich dagegen: Im Abschnitt zum Pflegeunterstützungsgeld spielen Selbstständige keine Rolle. Auch bei den Empfehlungen, wie es verbessert werden könnte, tauchen Selbstständige nicht auf. Was Selbstständige und Pflege betrifft, vertröstet der Bericht auf die Zukunft: "In diesem Text sind die Soloselbstständigen nicht berücksichtigt. Der Beirat ist sich der besonderen Situation von Soloselbstständigen im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bewusst und wird diese daher in einer späteren Befassung aufnehmen", heißt es in einer Fußnote auf Seite 82.

Das Familienpflegezeitgesetz schreibt vor, wann der Beirat seine Berichte vorzulegen hat. Und das ist: alle vier Jahre. Der aktuelle Bericht stammt vom Juni 2023. Der nächste wird also im Sommer 2027 folgen.

Bis dahin wollen wir nicht warten. Diese Ungleichbehandlung ist deshalb regelmäßig Thema bei unseren Gesprächen mit Gesundheitspolitikern in Berlin.

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