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Sondierungsgespräche auch am Streit über Soloselbstständige gescheitert?

Nach dem Platzen der Sondierungsgespräche beginnt das „Blame game“: Wer trägt die Verantwortung für das Scheitern? Unter Verdacht steht zunächst einmal die FDP, die das Ende der Verhandlungen einseitig verkündet hat.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer bei ZDF mo:ma (Screenshot)

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hat den Abbruch in einem ZDF-Interview heute morgen unter anderem mit uns Solo-Selbstständigen begründet:

„Aber wenn es dann darum ging, Arbeit, Arbeitsplätze daran [an die Digitalisierung] anzupassen, also z.B. flexible Arbeitszeiten (...), Bürokratieabbau, stärkere Unterstützung von Gründern, gerade auch Einzelgründern ... da ist keinerlei Bewegung möglich gewesen.“

„Paket kleine Selbstständige“ im letzten Sondierungspaket machte Hoffnungen

Der gemeinsame Sondierungsstand zum Themenbereich Arbeit und Soziales vom 30.10.2017 (wir berichteten) hatte dagegen Hoffnungen gemacht, dass Kompromisse zu den wichtigsten uns betreffenden Themen gefunden worden waren.

Diese Hoffnungen hatte auch das Zwischenergebnis der Sondierungsgespräche von Mitte letzter Woche (15.11.2017) bestätigt. In dem 61 Seiten umfassenden Papier hieß es gleich zu Beginn unter „1. Wirtschaft, Wohlstand, Arbeit und Steuern“:

„Paket kleine Selbstständige: Wir wollen Selbstständigkeit fördern und Selbstständige entlasten, unter anderem durch Bürokratieabbau, insbesondere bei der Statusfeststellung, und eine Reduzierung der Mindest-Krankenkassenbeiträge. In Verbindung damit wollen wir auch eine gründerfreundliche Pflicht zur Altersvorsorge für nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige einführen, die Wahlfreiheit sicherstellt. Selbstständige sollen frei in der Wahl ihrer Absicherung sein, wenn diese insolvenzsicher ist und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führt. Die Riester-Förderung soll künftig auch Selbstständigen offenstehen.“ (Seite 7)

Aussagen zu Gründungsförderung und Bürokratieabbau

„Freiheitliches unternehmerisches Handeln und Verantwortung für das eigene Tun sind zwei Seiten einer Medaille. Es gilt die Einheit von Handeln, Verantwortung und Haftung. Wir wollen Bürokratie abbauen insbesondere für Gründer und Start-ups, um den Beginn der Selbstständigkeit zu vereinfachen.“ (Seite 3)

„Wir wollen Unternehmensgründungen erleichtern und weiter fördern, um insbesondere den Beginn von Selbstständigkeit zu vereinfachen. Wir wollen eine neue Gründungsmentalität. Dazu wollen wir eine „neue Gründerkultur“ etablieren, etwa mit einem Gründer- und Starter-Paket. Dazu gehören unter anderem: Gründerstipendium, Gründerkapital, Rahmenbedingungen Crowdfunding. (...) Wir wollen unnötige Bürokratie insbesondere für Gründer und Startups abbauen und dabei auch die Chancen der Digitalisierung nutzen. Wir wollen insbesondere Existenzgründerinnen den Weg in die Selbstständigkeit ebnen.“ (Seite 4)

„Wir wollen unnötige Bürokratie abbauen. Wir werden bestehende und künftige Regelungen einer Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen und den Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwandes überarbeiten. Wir prüfen weitere bürokratische Entlastungen bei der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Wir werden die Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der Digitalisierung prüfen.“ (Seite 5)

Jamaika-Parteien waren näher beieinander als Große Koalition

Keines der oben zitierten Sondierungs-Ergebnisse stand „in eckigen Klammern“, war also als „noch in Diskussion befindlich“ markiert. Allerdings hieß es aus Verhandlungskreisen, dass auch Ergebnisse, auf die man sich bereits geeinigt hatte, später wieder in Frage gestellt worden seien. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob es sich um Formelkompromisse handelte oder ob dahinter auch das nötige Commitment stand, die Ergebnisse dann tatsächlich gründer- und selbstständigenfreundlich umzusetzen.

Für uns als VGSD klangen die Kompromisse - insbesondere zu den wichtigsten uns betreffenden Themen (Scheinselbstständigkeit, Altersvorsorgepflicht und Krankenversicherung) - eigentlich schon recht konkret und es schien, als wären die an der Sondierung beteiligten Parteien hier einander weit näher gekommen, als das Union und SPD in der letzten Legislaturperiode je waren.

Fazit: Chance verpasst – Bürger frustriert

Dass die Chance auf selbstständigen-freundliche Regelungen sich jetzt zerschlagen haben, ist enorm frustrierend. Die Kompromisse mögen nicht perfekt gewesen sein, aber die Frage ist, ob die Chancen auf Fortschritte unter einer Minderheitsregierung, unter einer Großen Koalition oder bei Neuwahlen besser werden.

Bei einer laufenden Befragung von Spiegel Online mit über 7.000 Teilnehmern (Stand: heute, 12:30 Uhr) schätzen mehr als die Hälfte (52%), dass vom Scheitern der Jamaika-Gespräche am meisten die AfD profitieren wird. 15% sehen die FDP als Haupt-Profiteur, je 7% die CDU/CSU und die Grünen. Die SPD sehen 10% und die Linken 3% als Gewinner.

Sollte es zu einer Neuwahl kommen, nimmt die Zahl der Protest- und AfD-Wähler aller Voraussicht nach weiter zu. Es ist also wahrscheinlich, dass es nach einer Neuwahl noch schwieriger würde, eine Koalition zu bilden – weil die grundsätzlich „koalitionsfähigen“ Parteien dann noch weniger Stimmen erhalten und weil bei den Sondierungen so viel Porzellan zerschlagen wurde.

Die Politiker gehen damit ein hohes Risiko ein und stellen uns Bürger auf eine harte Geduldsprobe.

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