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Wie viel verdient eigentlich ein selbstständiger IT-Berater? Sebastian P., 55 „Typisch sind Auftragsgrößen um die 50.000 Euro – und Angst vor Scheinselbstständigkeit"

Sebastian P.* arbeitet an komplexen Projekten und erzielt damit im Schnitt einen Jahresgewinn von 100.000 Euro. Oft ist er mehr als ein halbes Jahr an einen einzigen Kunden gebunden – bis der Folgeauftrag ruft. Alles könnte perfekt sein, würde nicht das Damoklesschwert, der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit, drohen. Im Rahmen unserer Serie "Wie viel verdient eigentlich ein ...?" erzählt er uns von seinen Arbeitsbedingungen - und lässt uns einen Blick auf sein Konto werfen. (*Name von der Redaktion geändert.)

Sebastian P*: "Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Selbstständigkeit. Mein einziges, aber wirklich großes Problem ist die Sorge, als scheinselbstständig eingestuft werden zu können."

„Ich bin Sebastian P., 55 Jahre alt und wohne in München. Ich bin Diplom-Informatiker und Versicherungsbetriebswirt. Vor 20 Jahren habe ich mich als freiberuflicher IT-Berater selbstständig gemacht und finde für Versicherungen, Banken und Bausparkassen heraus, welche IT-Systeme am besten zu ihren jeweiligen Geschäftsbereichen passen, damit sie Unternehmensabläufe optimieren. Mit meinen Kunden komme ich in den meisten Fällen über große Vermittler für Freelancer zusammen, wie Hays, Etengo, SThree.

105 Euro Stundensatz

In einem durchschnittlichen Jahr erziele ich 120.000 Euro Umsatz. Davon bleibt mir ein Gewinn von 100.000 Euro. Insgesamt stammen 98 Prozent meines Gesamteinkommens aus meiner Selbstständigkeit – der Rest sind Kapitalerträge.  

Ich stelle meinen Kunden durchschnittlich 105 Euro Stundensatz in Rechnung, was ich für typisch für meine Beruf erachte. In die Selbstständigkeit gestartet bin ich mit 78 Euro pro Stunde. Im Monat kann ich 20 bis 25 Prozent meines Einkommens zur Seite legen. Generell gebe ich das meiste Geld für die Lebenshaltung und die Altersversorgung aus.

Ich arbeite für mehrere Kunden – aber nicht parallel, sondern seriell

In der Regel arbeite ich nur für einen Kunden, bis das Projekt abgeschlossen ist. Da ich mich mit komplexen IT-Systemen auseinandersetze, würde es nicht funktionieren, parallel für verschiedene Auftraggeber da zu sein. Einen Kunden betreue ich mehrere Monate und auch mal länger als ein halbes Jahr am Stück; anschließend widme ich mich dem nächsten Kunden und dem Folgeprojekt.  Meine typische Auftragsgröße beträgt 50.000 Euro. 

In einer klassischen Arbeitswoche arbeite ich 45 Stunden und stelle etwa 40 davon in Rechnung. In der unbezahlten Zeit kümmere ich mich um Administration, Akquise und Weiterbildung. Allerdings: Ich bin nicht nahtlos ausgelastet. Meine Auslastung liegt im Schnitt bei 70 Prozent, manchmal auch unter 50, manchmal auch bei 80. Wenn ich meine Arbeit optimieren könnte, hätte ich lieber noch mehr Aufträge bei weniger Arbeitszeit. Aber unterm Strich bin ich sowohl mit meinem Einkommen als auch mit der Arbeitszeit sehr zufrieden.

Urlaub? Nur, wenn ein Projekt vorbei ist!

Urlaub gönne ich mir tatsächlich in der Regel nur zwischen den Projekten, wie es sich ergibt – es sei denn, ich gebe mir mal für ein verlängertes Wochenende frei. Aber ein längerer Urlaub während der Projektarbeit ist eher nicht drin – da nehme ich lieber das Geld mit. Insgesamt komme ich aber auf 4 Wochen Urlaub pro Jahr. Dass ich mich nicht überarbeite, stelle ich durch die Freizeiten zwischen den Aufträgen sicher.

Vor der Pandemie waren die Reisekosten höher ...

Den Kontakt zu meinen Kunden pflege ich vor allem über E-Mail oder Telefon. Vor der Pandemie habe ich fast 100 Prozent beim Kunden vor Ort gearbeitet, jetzt arbeite ich zu 90 Prozent im Homeoffice. Grundsätzlich würde ich gerne mehr vor Ort arbeiten, vielleicht ein bis zwei Wochen pro Monat – aber was das betrifft, hat sich die Art des Arbeitens grundlegend verändert. Selbst die Festangestellten arbeiten inzwischen häufig komplett von zu Hause aus. Das ist auch von Arbeitgeberseite so gewollt: Mein aktueller Kunde, ein Versicherungsunternehmen, baut gerade neue Geschäftsgebäude, wo überhaupt nur noch für 60 Prozent der Mitarbeiter Sitzplätze vorgesehen sind - die anderen sollen rotierend im Homeoffice arbeiten und nur noch gelegentlich in die Firma kommen. Der Vorteil für mich ist: Früher schlugen Reisekosten mit 20 bis 35 Prozent meines Honorars zu Buche, inzwischen sind es weniger als 10 Prozent.

Einzige Sorge: Die bedrohende Scheinselbstständigkeit

Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Selbstständigkeit. Ich mag es, Auftraggeber und Projekte frei wählen zu können und  Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich meiner Arbeitsmittel, Reisen und Fortbildung zu haben. Mein einziges, aber wirklich großes Problem ist die Sorge, als scheinselbstständig eingestuft werden zu können. Das macht mir wirklich zu schaffen, weil es die Auftragsbasis schwinden lässt.“

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