Macht Bärbel Bas da weiter, wo Hubertus Heil aufgehört hat? In ihrem ersten ARD-Sommerinterview behauptet die neue Bundesarbeitsministerin, dass Selbstständige sehr oft in der Altersarmut landen, weil sie oft selbst nicht vorsorgen.
Matthias Deiß, stellvertretender Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, sagt zu ihrer Vorstellung, dass Bärbel Bas vor einer unlösbaren Aufgabe steht. Eigentlich sind es sogar zwei: "Als Arbeitsministerin soll sie unseren Sozialstaat reformieren. Und zeitgleich als neue SPD-Chefin die SPD vor dem Untergang retten."
Muss die SPD etwas Grundlegendes ändern, um sich zu retten?
Tatsächlich wird angesichts des schlechten Wahlergebnisses von Lars Klingbeil beim SPD-Parteitag und Wahlumfragen, in denen die SPD im Bund bei 13 bis 15 Prozent liegt, zurzeit viel über die Zukunft der Partei diskutiert. Reicht es, neues Personal zu präsentieren? Oder muss sich bei der SPD auch inhaltlich etwas Grundlegendes ändern?
Besonders schmerzhaft für die einstige "Arbeiterpartei" ist, dass ihr ihre Kernzielgruppe abhanden gekommen ist – vor allem an die AfD, die inzwischen dreimal so viele Arbeiter wählen wie die SPD. Stattdessen wird über die SPD zunehmend als Partei der Transfereinkommen-Empfänger gesprochen. Zugleich besteht bei vielen in der SPD die Sorge, die noch verbleibenden Wähler an Grüne und Linke zu verlieren. Wagt die SPD unter diesen Umständen einen mutigen Neuanfang? Oder bleibt es bei einem "Weiter so"?
Zwei "unlösbare" Aufgaben - noch dazu im Konflikt miteinander
Die Reform des Sozialstaats dürfte eine noch schwierigere Aufgabe sein und könnte vor allem auch zur "Rettung der SPD" im Widerspruch stehen. Den deutlichen Rückgang der Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrer Person (minus sechs auf 26 Prozent) führt Bas auf die gerade erst beschlossene Festschreibung des Rentenniveaus bis 2031 zurück, die in den nächsten Jahren zu einem starken Anstieg der Rentenversicherungsbeiträgen führen wird. Damit wurden deutlich höhere Ausgaben beschlossen, ohne zugleich Einsparungen vorzunehmen oder auch nur über die Finanzierung zu sprechen. 81 Prozent der Bevölkerung trauen der Bundesregierung keine wirksame Rentenreform zu.
Und nicht nur die Bevölkerung, auch die Experten haben Zweifel. Matthias Deiß spielt ein dramatisches Statement von Veronika Grimm ein, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung: "Der gesamten Regierung fehlt in Bezug auf die Sozialpolitik komplett der Realitätssinn. Man bewegt sich sehenden Auges in komplett die falsche Richtung."
Im Mai Rentenversicherungspflicht für Abgeordnete, Beamte und Selbstständige gefordert
Bas reagiert mit dem bemerkenswerten Satz: "Ich bin vielleicht versetzungsgefährdet, aber noch nicht durchgefallen, weil wir arbeiten ja an den Programmen."
Tatsächlich forderte Bas im Mai diesen Jahres kurz vor ihrer Wahl zur SPD-Parteivorsitzenden mit markigen Worten die Einbeziehung von Abgeordneten, (Bundes-) Beamten und Selbstständigen in die DRV und kündigte die Einsetzung einer Rentenkommission an. Wir reagierten darauf unter anderem mit der Forderung: "Wenn das Thema nun im Rahmen einer Rentenkommission nochmals neu angegangen werden soll, fordern wir, dass die Selbstständigenverbände in diese eingebunden werden. Es erfordert eine genaue Kenntnis der Altersvorsorge von Selbstständigen, um zu einer sachgerechten Lösung zu finden."
Wir schrieben zugleich einen Brief an Bärbel Bas, in dem wir die Einbeziehung in die Rentenkommission forderten und eine Entkopplung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Die SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen nämlich die Einführung einer Altersvorsorgepflicht für Selbstständige zu einer Voraussetzung für die Reform der Statusfeststellung gemacht.
Wieder mal Spiel auf Zeit?
Die Rentenkommission soll nun jedoch erst 2026 eingesetzt werden und ihre Ergebnisse 2027 vorlegen. "Das klingt nach Verzögern", sagt Matthias Deiß zu Bärbel Bas und weist auf ein Interview mit ihr in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hin, wonach die Ergebnisse der Kommission erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden sollen.
Bas widerspricht halbherzig: Das eine oder andere könne man vielleicht noch unter der jetzigen (gerade erst gewählten) Bundesregierung umsetzen. Anderes – wie eine Verlängerung des Renteneintrittsalters – habe man im Koalitionsvertrag ausgeschlossen, darauf werde man sich nicht einigen können.
Bas: Selbstständige sorgen oft nicht vor und landen in Altersarmut
Zu dem, auf was man sich einigen könnte, gehört wohl die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Bei Minute 11:50 des Interviews spricht sie über : "Selbstständige, die übrigens auch sehr oft in der Altersarmut landen, weil Selbstständige oft selbst nicht vorsorgen". Die Äußerung sorgt bei uns und vielen unserer Mitglieder für Verärgerung, zumal die ARD diese Behauptung nicht ihrem Faktencheck unterzieht und dort das Fazit zieht: "Aussagen zur Rente größtenteils korrekt". Wir senden dem ARD-Hauptstadtstudio postwendend die DIW-Studie von Karl Brenke mit dem Titel "Die allermeisten Selbständigen betreiben Altersvorsorge oder haben Vermögen" zu.
(Vollständiges Bas-Zitat: "Es gibt ja verschiedene Säulen: Ich kann über die Einnahmen, wer zahlt ein, welche Einkommensarten, ich kann über Menschen reden, die einzahlen – und deshalb habe ich die Berufsgruppen, Abgeordnete, Selbstständige, die übrigens auch sehr oft in der Altersarmut landen, weil Selbstständige oft selbst nicht vorsorgen, und die Beamten gehören auch für mich dazu, um das System insgesamt tragfähiger zu machen.")
"Sie müssen alle keine Angst um Ihre Pensionen haben"
Zum Ärger trägt bei, dass Bas schon in ihrem nächsten Satz zurückrudert, was die Beamten betrifft: "Jetzt die Botschaft an die Beamtinnen und Beamten: Sie müssen alle keine Angst um Ihre Pension haben! Denn das ist auch etwas, was längerfristig erst umgesetzt werden kann. Das wissen wir alle, das ist auch mir bekannt. Aber wir müssen an diese drei Säulen auch ran. Das ist mir wichtig, dass wir das nicht außer Acht lassen."
Belastungen für Beamte und eine längere Lebensarbeitszeit werden also laut Bas kein Thema in dieser Legislaturperiode sein. Auf Selbstständige dagegen dürfte in der aktuellen Legislaturperiode die Altersvorsorgepflicht zukommen – natürlich zu ihrem eigenen "Schutz". Bas implizierte, dass sie sich mit dem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren bis zum Bericht der Rentenkommission Zeit lassen will. Hierauf verlassen kann man sich allerdings nicht.
Macht Bärbel Bas da weiter, wo Hubertus Heil aufgehört hat?
Klar ist für uns, dass die Reform des Statusfeststellungsverfahrens vorher kommen muss, spätestens zum 1. Januar 2027, wenn die Übergangsregelung für Honorarlehrkräfte ausläuft. Dafür werden wir uns mit Nachdruck einsetzen, auch mittels weiterer Briefe an Bärbel Bas.
Macht die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas da weiter, wo Hubertus Heil aufgehört hat? Wir überlassen euch das Urteil und sind gespannt auf eure Kommentare!
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