Während die Bundesregierung das Rentenniveau für fünf Jahre festschreibt und dafür eine Erhöhung der Rentenbeiträge um 20 Prozent in Kauf nimmt, geht Polen einen anderen Weg. Deutschland setzt auf den Staat. Polen auf seine Bürger.
Osobiste Konto Inwestycyjne (OKI) ist polnisch für "persönliches Anlagekonto". Am Dienstag letzter Woche hat der polnische Finanzminister Andrzej Domanski das Konzept dafür vorgestellt. Auf einem Sperrdepot (ähnlich wie wir es von vermögenswirksamen Leistungen kennen) können Sparer in ETFs und andere Investmentfonds, aber auch in Bankeinlagen, Anleihen und Aktien investieren. Bis zu einem Betrag von 100.000 Zloty (23.000 Euro) sind die Erlöse daraus steuerfrei.
Normalerweise unterliegen Kapitalerträge in Polen einer Abgeltungssteuer von 19 Prozent (in Deutschland 25 Prozent + Soli = 26,375 Prozent). Beträge, die über 100.000 Zloty hinausgehen, sollen abhängig vom Depotwert mit einer Vermögenssteuer von 0,8 bis 0,9 Prozent belegt werden (anstelle der Abschlagsteuer).
"Uns ist Einfachheit wichtig"
"Schon Mitte 2026 könnte es losgehen, die IT-Arbeiten sollen nur rund sechs Monate in Anspruch nehmen – auch das schier unvorstellbar in Deutschland", schreibt Business Insider und zitiert den polnischen Finanzminister: "Uns ist Einfachheit und uneingeschränkter Zugang zu Kapital wichtig, um eine Aktienkultur aufzubauen." Man habe alle derzeit in der EU bestehenden Konzepte analysiert und sei zum Fazit gekommen, dass das schwedische Modell das beste sei.
Auch in Schweden basiert die Altersvorsorge auf einem umlagefinanzierten System, in das 16 Prozent der Bruttoeinkommen fließen (Deutschland: aktuell 18,9 Prozent). Zusätzlich fließen 2,5 Prozent in den staatlich verwalteten Investmentfonds "AP7 Safa", sofern die Arbeitnehmer keine andere Auswahl treffen. Dies führt laut Business Insider dazu, dass die Altersbezüge in Schweden deutlich höher liegen als in Deutschland, obwohl die Menschen dort früher in Rente gehen als hierzulande.
Breite Unterstützung für Altersvorsorge-Depots auch unter deutschen Expert/innen
Eigentlich war Deutschland früh dran, als es vor 20 Jahren beschloss, das Umlagesystem zu ergänzen und auf den Kapitalmarkt zu setzen. Von der Theorie her ein richtiger Gedanke, allerdings verhinderte die vom Staat vorgegebene Beitragsgarantie in Verbindung mit niedrigen Zinsen, dass tatsächlich nennenswerte Beträge in den Aktienmarkt investiert werden konnten. Das vorgeschriebene Versicherungsmodell führte zu hohen Kosten und geringer Flexibilität.
Und eigentlich wollte man aus diesem Scheitern der Riester-Rente lernen. Das Bundesfinanzministerium berief im Januar 2023 die "Fokusgruppe private Altersvorsorge" ein, die die Einführung von Altersvorsorgedepots nach US-Vorbild empfahl: Sperrdepots, in denen zunächst steuerlich begünstigt, im Rentenalter dann nachträglich versteuert, in ETFs und andere preisgünstige Anlageinstrumente eine private Altersvorsorge aufgebaut werden sollte. Als Starttermin war 2026 geplant. Nach einer Intervention des VGSD sollten die Altersvorsorgedepots auch für Selbstständige eingeführt werden, für die eine gute private Altersvorsorge von ganz besonderer Bedeutung sind.
"Die Pläne für die Aktienrente fanden daher breite Unterstützung, verschwanden mit Amtsantritt der neuen Regierung jedoch wieder in den Schublade", schreibt Business Insider.
"Der Rest Europas macht es besser"
Statt dessen soll die gesetzliche Rente 2025 mit 91,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt stabilisiert werden. Der Betrag wird durch Einführung der Haltelinien und der Mütterrente schon bald über 100 Milliarden liegen. Zudem müssen die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über die nächsten Jahre um 20 Prozent erhöht werden.
"Wir fahren unaufhaltsam auf den Eisberg zu", kommentiert Finanz-Influencer Mario Lochner die Entwicklung: "Der Rest Europas macht es besser, Polen macht es vor."
Die Deutschen arbeiten für ihr Geld und lassen ihr Geld nicht für sich arbeiten
Auch das Deutsche Aktieninstitut (DAI) begrüßt die Pläne aus Warschau ausdrücklich und fordert die Bundesregierung auf, dem Beispiel Polens und Ländern wie Schweden, Frankreich oder Italien, in denen Anlagesparkonten bereits erfolgreich etabliert wurden, zu folgen.
"Die Bürgerinnen und Bürger in Polen erhalten mit dem OKI ein wirkungsvolles Instrument des Vermögensaufbaus. (...) Allein in Deutschland wird nicht gehandelt. So arbeiten die Deutschen weiter für ihr Geld und lassen ihr Geld nicht für sich arbeiten. Wir empfehlen der Bundesregierung dringend, ein solches Anlagesparkonto auch in Deutschland einzuführen", sagt Henriette Peucker, geschäftsführender Vorstand des DAI.
Wann machen wir es wie Polen?
Selbst die EU-Kommission arbeitet laut Versicherungsbote bereits an Empfehlungen für die Einführung von Anlagesparkonten durch die Mitgliedsstaaten.
Liebe Bundesregierung, wann machen wir es wie Polen, Schweden, Frankreich, Italien? Oder wie die USA, die ihren Bürgern schon vor Jahrzehnten den Vermögensaufbau in Altersvorsorgedepots ermöglicht und damit sehr gute Erfahrungen gemacht hat?
Was meint ihr, wie lange wird es noch dauern, bis wir auch in Deutschland mithilfe von Altersvorsorgedepots für die Rente sparen können?
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