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Lesetipp Bei Vergaben mitmischen Auch Solo-Selbstständige können sich um öffentliche Aufträge bewerben

Nicht für alle passt es, der Prozess ist oft mühsam, doch es kann sich lohnen: Auch Solo-Selbstständige können von Aufträgen der öffentlichen Hand profitieren. Was du als Solo über öffentliche Vergaben wissen musst.

Auch für Selbstständige können Ausschreibungen interessant sein

Zugegeben, nicht für alle wird etwas dabei sein, und als Haupterwerb taugt es in der Regel nicht. Doch viele Selbstständige haben wahrscheinlich gar nicht auf dem Schirm, dass auch sie sich für Aufträge der öffentlichen Hand bewerben können. Das könnte ein Fehler sein.

Jahr für Jahr vergibt die öffentliche Hand in Deutschland Aufträge in dreistelliger Milliardenhöhe. Eine riesige Menge Geld – auf die nur große Unternehmen eine Chance haben? Nicht ganz.

Wer bekommt das Geld?

Ein großer Teil der Aufträge geht in die Baubranche. Die Vergabestatistik des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) weist für das zweite Halbjahr 2021 der Anzahl nach fast die Hälfte (47,1 Prozent) Bauaufträge aus. Im finanziellen Auftragsvolumen machen diese rund ein Drittel (33,5 Prozent) aus. Die andere Hälfte der Aufträge teilen sich auf in Lieferungen und Dienstleistungen (24,7 und 28,2 Prozent). Dabei hat die Dienstleistungsbranche den größten Anteil am Auftragsvolumen, nämlich 38,8 Prozent – ein zweistelliger Milliardenbetrag also. 

Gerade in der Dienstleistungsbranche sind viele Solo-Selbstständige tätig. Es lohnt sich also, für sich zu überprüfen, ob eine Bewerbung für öffentliche Aufträge in Betracht kommt. Coaches, Fotografinnen, IT-ler gehören beispielsweise zu den Branchen, die beauftragt werden.

Wertvolle Referenzen

Unser Beirat Lars Bösel hat sich als Coach schon mehrfach auf Ausschreibungen beworben und kennt sowohl die Vorteile als auch die Schwierigkeiten. "Es ist viel Aufwand und der Erfolg ist nicht garantiert. Aber ich habe durch Vergaben schon drei Aufträge bekommen, die für mich jetzt wichtige Referenzen darstellen", sagt er.

Als Coach hat Lars häufig mit einer speziellen Form von Ausschreibungen zu tun, die nicht in allen Branchen eine Rolle spielt: Pool-Vergaben. Eine erfolgreiche Bewerbung sichert einem da noch keinen Auftrag, sondern führt zur Aufnahme in eine Liste von Coaches, die bei Bedarf von den öffentlichen Stellen angefragt werden. "Schon allein damit kann ich werben: Ich kann sagen, ich bin bei diesem Ministerium oder dieser Hochschule gelistet", sagt Lars. Die Liste ist auffindbar im Internet, Lars kann den Link zur Seite, auf der er zu sehen ist, verschicken.

Viele Portale im Internet

Es gibt einige Punkte, die öffentliche Aufträge für Selbstständige attraktiv machen:

  • Die Aufträge bieten oft langfristige, stabile Einkommensquellen und damit Planungssicherheit
  • Die öffentliche Hand ist eine zuverlässige Zahlerin
  • Ein öffentlicher Auftraggeber ist eine wertvolle Referenz. Eine solche Zusammenarbeit kann das Ansehen und die Glaubwürdigkeit von Selbstständigen erhöhen.

Für öffentliche Aufträge gibt es eine Vielzahl von Portalen im Internet. Lars arbeitet beispielsweise oft mit der Plattform vergabe-online.de. Einige der wichtigsten Vergabeportale hat die IHK Rhein-Neckar in einer Übersicht zusammengestellt. Es gibt nationale Portale, aber auch regionale wie beispielsweise vergabe.bayern.de. "Manche Portale sind auch kostenpflichtig, da sollte man aufpassen ", sagt Lars.

Bewerbung bedeutet viel Aufwand

Entdeckt man auf einem der Portale eine interessante Ausschreibung, ist natürlich einiges zu tun. Das sind die Gründe, warum man sich eine Bewerbung gut überlegen sollte:

  • Eine Bewerbung auf eine Ausschreibung bedeutet viel Aufwand. Es sind viele Dokumente einzureichen und allein die Leistungsbeschreibung kann schnell mal 40 Seiten ausmachen.
  • Bei all dem Aufwand ist ein Auftrag nicht garantiert – manchmal wird sogar die ganze Ausschreibung zurückgezogen.
  • Es werden auch persönliche Erklärungen verlangt wie über die Nicht-Zugehörigkeit zu Scientology, das Vorhandensein einer Haftpflichtversicherung oder eine Bescheinigung über das Nichtvorliegen eines Insolvenzantrags
  • Die Anforderungen sind von Ausschreibung zu Ausschreibung unterschiedlich, so dass der Aufwand immer neu entsteht
  • Oft sind die Aufträge so groß, dass Solo-Selbstständige sie nicht alleine bewältigen können.

Bürokratie vs. Rechtssicherheit

Das mag einige abschrecken und für manche nach Monster-Bürokratie klingen. Andererseits muss man berücksichtigen, dass die Vorgaben auch die Verwaltung verpflichten. Die Vergabe soll transparent und nachvollziehbar sein und auch einer Überprüfung standhalten. Auch die Vergabestelle muss in der Vorbereitung viele Regeln beachten. Der Bürokratie auf der einen Seite steht Rechtssicherheit auf der anderen Seite gegenüber.

Wer eine Bewerbung in Betracht zieht, sollte in jedem Fall gründlich prüfen, ob er oder sie die notwendigen Anforderungen erfüllt. Eine von vorneherein aussichtslose Bewerbung wäre eine große Zeitverschwendung. Sind die vollständigen Unterlagen (immerhin: digital) eingereicht, werden sie von der Auftraggeberin geprüft. Oft enthalten die Bewerbungsunterlagen die Tabelle mit Angaben, wie die einzelnen Kriterien gewichtet werden – ein Punktesystem, das die Erfüllung von Aspekten wie Qualifikationen, Referenzen, Ausbildung und anderen bewertet.

Als Bietergemeinschaft im Team arbeiten

Der Preis spielt ebenfalls eine Rolle, denn die Verwaltung ist verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen. Dabei gibt es manchmal auch Vorgaben wie einen Höchstsatz. Es kann sein, dass die Vergabe allein auf Basis der Unterlagen stattfindet, es kann aber auch eine zweite Runde mit Gesprächen geben oder Nachfragen, wenn Dinge zu klären oder Unterlagen nachzureichen sind.

Für die Aufträge, die alleine nicht zu stemmen sind, können Solo-Selbstständige Bietergemeinschaften bilden. Lars hat dies schon bei mehreren Ausschreibungen getan. Er schätzt die Teamarbeit daran, sagt aber auch: "Für Solo-Selbstständige wäre es gut, wenn es mehr kleinere Aufträge gäbe." Solo-Selbstständige gehören zum Mittelstand, und das Vergaberecht soll erklärtermaßen "mittelstandsfreundlich" sein. BMWK-Staatssekretär Sven Giegold schreibt im Vorwort zur oben erwähnten Vergabestatistik: "Die Stärkung des Mittelstands ist und bleibt ein wichtiges Ziel – auch in der Vergabewelt."

Selbstständige bei Ausschreibungen im Blick behalten!

Aber gerade das scheint manchmal in Gefahr: Künftig sollen öffentliche Aufträge nur bei Tariftreue vergeben werden. Ein entsprechendes Gesetz ist zwar noch nicht beschlossen, aber sollte es kommen, könnten Solo-Selbstständige bei öffentlichen Aufträgen aus dem Markt gedrängt werden. Auch bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien ist unklar, wie sehr sie Bewerbungen von Selbstständigen erschweren könnten. Dabei arbeiten Solo-Selbstständige oft schon per se nachhaltig, da sie wenig Ressourcen verbrauchen, oft kein eigenes Büro haben und mit wenig Ausstattung auskommen. Im Dialogprozess "Mittelstand, Klimaschutz und Transformation" des BMWK, in dem er den VGSD vertritt, brachte Lars im November die Perspektive der Selbstständigen ein.

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