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Heils "Rat der Arbeitswelt" Kurz vor erstem Bericht stellen eigene Mitglieder das millionenteure Gremium in Frage

Drei Mal haben wir bereits über den von Hubertus Heil im Januar 2020 geschaffenen "Rat der Arbeitswelt" berichtet.

Wir haben den Bundesarbeitsminister bereits kurz nach der Gründung des Gremiums bei einer Pressekonferenz mit der unausgewogenen Zusammensetzung des Gremiums konfrontiert.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil

Zuletzt haben wir im Dezember bei seinem Staatssekretär Björn Böning kritisch nachgefragt.

Denkverbote: Der sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmervollzeitjob als Ideal

Nicht nur wir, sondern auch die Ratsmitglieder selbst haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Unabhängigkeit des Gremiums. Spreche man mit ihnen, so heißt es in einem Bericht des Handelsblatts, höre man,

"der sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmervollzeitjob sei das Ideal. Die Diskussion über die Belange von freiberuflichen Wissensarbeitern, über neue Arbeitsformen, über die Frage wie Deutschland auch in 50 Jahren noch wettbewerbsfähig bleiben könne, komme zu kurz."

Auf Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums hin hatte man es im Oktober um Jutta Steiner, eine Startup-Gründerin, ergänzt. Sie hat den Rat inzwischen bereits wieder verlassen, was Bände spricht.

Offener Brief an Hubertus Heil

Jetzt haben drei der zwölf Ratsmitglieder einen Brief an Hubertus Heil geschrieben – nachdem der zuständige Staatssekretär Böhning ein Gespräch mit ihnen über die Probleme abgelehnt hatte. In ihrem Brief schreiben sie:

"Nicht die großen und langfristigen Fragen des Wandels der Arbeitswelt, nicht der analytische Blick über Deutschlands Grenzen hinweg und nicht Ideen und Handlungsempfehlungen zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in Deutschland stehen im Fokus der Sitzungen und des Berichts. Die Arbeit dreht sich zunehmend um kurzfristige politische Forderungen und sehr konkrete Vorschläge für gesetzliche Regelungen."

Ihre Kritik: Die Zusammensetzung des Rats sei nicht ausgewogen. Statt unabhängige Expertise einzubringen würden einzelne Mitglieder – gemeint sind wohl die Gewerkschaftsvertreter rund um Ex-Verdi-Chef Frank Bsirske  - vor allem die Interessen ihrer Organisationen vertreten.

Auszug aus dem Brief von Mitgliedern des "Rat der Arbeitswelt" an Hubertus Heil

Statt um Zukunft der Arbeit gehe es um tagespolitische Projekte

Auch fehle es an einem Vorsitzenden mit fachlicher Autorität, der frei von Eigeninteressen agieren könne. Als Folge beschäftige man sich im Rat zu sehr mit tagespolitischen Themen, die nur einen kleinen Teil der Beschäftigten beträfen statt mit der Zukunft der Arbeit (vermutlich sind hier "Plattform-Arbeiter" gemeint.)

Genau das ist aber die Aufgabenstellung des Gremiums, für das Heil 1,5 Millionen Euro pro Jahr ausgibt. Es sollte eigentlich verlässliche Aussagen über die Entwicklung der Arbeitswelt treffen, auf deren Basis dann politische Entscheidungen getroffen werden könnten.

Es bestätigt sich leider, dass der Rat der Arbeitswelt "nur als Staffage für alte Projekte von SPD und Frank Bsirske dienen" solle, wie Johannes Vogel, rentenpolitischer Sprecher der FDP, die Entwicklung auf Twitter kommentiert hat.

Heil vergleicht seinen Rat gerne mit Wirtschaftsweisen

Hubertus Heil vergleicht den Rat der Arbeitswelt gerne und häufig mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten Wirtschaftsweisen. Der besteht allerdings nicht überwiegend aus Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern, sondern ausschließlich aus Wissenschaftlern, nämlich fünf VWL-Professoren unter Leitung von Lars Feld. Demnächst sind es übrigens nur noch vier, denn auf Druck von Finanzminister Olaf Scholz muss Feld das Gremium verlassen. "Wozu dann überhaupt noch Sachverständige?" fragt der Tagesspiegel in seiner gestrigen Ausgabe deshalb in Richtung Scholz: "Für Gefälligkeitsgutachten braucht man kein unabhängiges Expertengremium."

Im Rat der Arbeit sind aktuell nach unserer Zählweise schon jetzt nur vier Wissenschaftler, dafür vier Arbeitgeber- und drei Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftsvertreter sowie eine Behördenvertreterin. Kleine Selbstständige oder gar Solo-Selbstständige sucht man vergebens.

So begründen Heil und sein Staatssekretär, dass keine Soloselbstständige im Rat vertreten sind

Auf unsere Kritik, dass diese Zusammensetzung die Arbeitswelt von heute und insbesondere auch die für die Zukunft der Arbeit wichtigen Soloselbstständigen nicht berücksichtige, antwortete im Dezember BMAS-Staatssekretär Björn Böhning: Nicht vertreten seien einzelne Verbände oder Berufsgruppen, auch keine Gewerkschaften. Lediglich von DGB und BDA (!) gäbe es Vertreter, aber nicht aus deren Vorstand. Im Rat sei somit ausreichend Expertise vorhanden, um die Zukunft der Arbeit prognostizieren zu können."

Im Januar 2020 sagte Hubertus Heil auf unsere Forderung, auch eine/n Vertreter/in der Soloselbstständigen aufzunehmen in den Rat aufzunehmen: "Ich glaube, dass der (Rat der Arbeitswelt) sehr klug zusammengesetzt ist, aber dass man nicht alle Quoten erfüllen kann. (…) Es gibt auch nicht den idealen Gesamtselbstständigen, sondern sehr unterschiedliche, wie wir vorhin festgestellt haben. Da bitte ich um Verständnis, dass wir das jetzt erst mal so lassen."

VGSD fordert rein wissenschaftliches Gremium oder aber Einbeziehung von Soloselbstständigen

Nun, die Angehörigen seines Rates scheinen Zweifel an dieser "klugen Zusammensetzung" zu haben und auch daran, dass es wirklich um die Zukunft der Arbeit geht und nicht um tagespolitische Projekte von Gewerkschaften und SPD.

Wir als Verband der Gründer und Selbstständigen fordern, dass die Empfehlungen der Ratsmitglieder ernst genommen und das Gremium entweder ausschließlich mit renommierten Wissenschaftler/innen besetzt wird oder - wenn es ein politisches Gremium bleibt - auch Vertreter der Soloselbstständigen mit aufgenommen werden.

Die aktuellen Mitglieder des "Rats der Arbeit"

Die drei Autorinnen des Protestbriefs an Hubertus Heil sind mit * markiert. (Fotos und Lebensläufe der Ratsmitglieder)

Gewerkschafter / Betriebsräte

  • Frank Bsirske, ehemaliger Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
  • Sinischa Horvat, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der BASF SE
  • Matthias Möreke, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des Werks Braunschweig der Volkswagen AG (auf Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes)

Arbeitgeber-Vertreter/innen

  • Janina Kugler, Vorstandsmitglied der Siemens AG, zuständig für Personal (bis 2/2020)
  • Bettina Volkens, bis Ende 2019 Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektorin der Deutschen Lufthansa AG (auf Vorschlag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände)
  • Stephan Schwarz, Geschäftsführender Gesellschafter des Familienunternehmens Gebäudereinigung GRG Services Berlin und ehemaliger Präsident der Handwerkskammer Berlin
  • Iwer Jensen, bis Ende 2019 Vorstandsvorsitzender der team AG

Behördenvertreterin

  • Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Wissenschaftler/innen

  • * Dr. Uschi Backes-Gellner, Lehrstuhlinhaberin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich
  • Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunktes Arbeit und Wandel am Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen
  • Dr. Sabine Pfeiffer, Lehrstuhlinhaberin für Soziologie Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg;
  • Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

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