Zum Inhalt springen
Mitglied werden

Lesetipp Übergangsregelung für Honorar-Lehrkräfte Die DRV kämpft um jeden Zentimeter

Der Gesetzgeber wollte den Bildungsbereich bis Ende 2026 vor den Auswirkungen des Herrenberg-Urteils schützen, bis zur geplantenbranchenübergreifenden Reform des Statusfeststellungsverfahrens (SFV). Wie die Deutsche Rentenversicherung (DRV) die Übergangsregelung auslegt.

Damit die Übergangsregelung bis Ende 2026 ihren Schutz entfaltet, muss man vieles "auf den Zentimeter genau" beachten, das sorgt für noch mehr Bürokratie

In der letzten Sitzungswoche hatte der alte Bundestag einen neuen § 127 SGB IV ("Übergangsregelung für Lehrtätigkeiten") beschlossen. Für den Fall, dass bei einem SFV oder einer Betriebsprüfung die abhängige Beschäftigung einer Honorar-Lehrkraft festgestellt wird, regelt er im ersten Absatz, dass eine Versicherungspflicht durch den Auftraggeber für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erst ab dem 1.1.2027 greift, sofern beide von einer Selbstständigkeit ausgingen und der Auftragnehmer zustimmt. Unabhängig davon gelten in diesem Fall die Lehrkräfte vom 1.3.2025 bis 31.12.2026 als versicherungspflichtig nach § 2 SGB VI, so Absatz (2) der neuen Regelung.

Einholen von Zustimmung mit hohem Aufwand verbunden

Kritisch für die Auftraggeber, die sich vor einer späteren Feststellung einer Scheinselbstständigkeit mit entsprechend hohen Nachzahlungen schützen wollen, ist also das Einholen der Zustimmung der Honorar-Lehrkräfte, die dann allerdings spätestens ab 1.3.2025 Rentenversicherungsbeiträge abführen müssen (eine Pflicht, die eigentlich auch schon für die Zeit davor gilt).

In einem früheren Bericht hatten wir die Regelung mit einer "untergehenden Insel" verglichen. Der temporäre Schutz einer einzelnen Branche führt für diese nun zu hohem bürokratischem Aufwand – ähnlich wie zuvor schon die Ausnahmeregelung für Pool-Ärzte und streut zudem potenziell Zwietracht zwischen Auftraggeber und -nehmer. Mit dieser Flickschusterei muss Schluss sein, wir brauchen möglichst bald, spätestens aber zum 1.1.2027, die im Koalitionsvertrag vorgesehene wirksame, branchenübergreifende Reform des SFV.

Zustimmung für jeden Vertrag einzeln und getrennt von diesem

Im Fragenkatalog einer der sechs Arbeitsgruppen im Rahmen des "Herrenberg-Dialogprozesses" an die DRV heißt es gleich zu Beginn: "Grundsätzlich muss eine pauschale Zustimmung des Dozenten (...) zulässig sein. Das Einholen einer Zustimmung des Dozenten bezogen auf jeden Einzelauftrag ist für Bildungsdienstleister, die oftmals tausende Einzelaufträge pro Jahr an Dozenten vergeben, praktisch nicht umsetzbar." – Die DRV antwortet, das Gesetz sehe keine "pauschale" Zustimmung vor. Diese beziehe sich vielmehr auf ein konkretes, individuelles Vertragsverhältnis. Die nötige Zustimmung des Auftragnehmers könne daher nicht pauschal, sondern nur vertragsbezogen erfolgen. Lediglich bei Vorliegen eines Rahmenvertrags könne sie sich vorstellen, dass eine Zustimmung zu diesem genüge.

Aber nicht genug damit, dass die Zustimmung für jeden Auftrag bzw. Vertrag einzeln eingeholt werden muss: "Transparenz, Klarheit und Rechtssicherheit legen unserer Einschätzung nach nahe, (...) für die Zustimmung ein gesondertes, vom Vertragswerk getrenntes Dokument zu verwenden." Nicht nur für jeden bisherigen Vertrag im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist muss also einzeln eine zusätzliche Einverständniserklärung eingeholt werden, sondern auch für alle künftigen Aufträge müssen dieses und nächstes Jahr jeweils zwei Verträge unterzeichnet werden.

Rückwirkend und künftig möglichst parallel zum Vertragsschluss

Auch wenn ein Dozent nicht mehr für den Bildungsträger tätig ist, gilt der Schutz des § 127 SGB IV selbstverständlich nur, wenn eine Einverständniserklärung vorliegt. Die DRV empfiehlt nachvollziehbarerweise, das Einverständnis nicht erst einzuholen, nachdem sie eine abhängige Beschäftigung, also eine Scheinselbstständigkeit festgestellt hat: "Rein praktisch gesehen stellen wir es uns aufwändig, schwierig und oftmals nicht erfolgversprechend, vor (... zum Beispiel) weil gar keine aktuellen Anschriften mehr bekannt sind, der Lehrer, ggf. auch aufgrund seiner aktuellen Lebenssituation, Interesse an einer sozialen Absicherung auch im Nachhinein hat und deswegen ausdrücklich nicht zustimmt oder er gar nicht reagiert, weil er/sie keine Notwendigkeit und keine Vorteile für sich daraus erkennt."

Die DRV empfiehlt, die Zustimmung künftig bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einzuholen. Rechtlich zwingend sei das zwar nicht. Es "bietet aber von vornherein Gewissheit und lässt sich einfacher einholen".

Möglichst mit explizitem Verweis auf den § 127

Dass man in einem Vertrag explizit eine selbstständige Tätigkeit vereinbart hat, ist laut DRV auch für die Vergangenheit definitiv nicht ausreichend. Die Zustimmung des Auftragnehmers müsse zwar nicht zwingend auf § 127 SGB IV verweisen. Ein expliziter Verweis auf die gesetzliche Regelung schaffe aber zusätzliche Klarheit und ermögliche es der Lehrkraft, „nachzulesen“.

Die Frage nach einem unverbindlichen Mustertext der DRV für die Bildungsanbieter beantwortet diese mit "Ist nicht vorgesehen", obwohl eigentlich der ganze Dialogprozess darauf zielte, Musterverträge für den Bildungsbereich zu finden, die eine rechtssichere Beauftragung von Selbstständigen ermöglichen.

Einen eigenen Vorschlag der Arbeitsgruppe für einen Mustertext kritisiert sie als in Teilen schwer verständlich. Kritisch sieht sie auch die Verwendung des Begriffs "sozialversicherungsfrei", weil dieser sich nur auf den Auftraggeber bezieht. Vielmehr sei die "Lehrkraft verpflichtet, sich beim zuständigen RV-Träger zu melden (§ 190a Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und allein Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten. Die Pflicht zur Beitragszahlung besteht auch dann ab dem 1. März 2025, wenn die Lehrkraft die Zustimmung erst zu einem späteren Zeitpunkt erklärt."

Nachträglich der Zustimmung widersprechen?

Kann man als Honorar-Lehrkraft der erteilten Zustimmung nachträglich widersprechen, zum Beispiel weil einen erst dann bewusst wird, dass man als Selbstständige/r eigentlich schon seit vielen Jahren rentenversicherungspflichtig war und nun Nachzahlungen leisten muss? 

Die DRV nimmt hier erfreulich eindeutig Stellung: "Ein späterer Widerruf der Zustimmung durch die Lehrkraft ist u.E. nach nicht möglich. Denn gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB wird eine Willenserklärung nur dann nicht wirksam, wenn ihrem Empfänger vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht." Sie relativiert dies allerdings zugleich: "Ob die Gerichte im Streitfall einen späteren Widerruf für möglich erachten (...) lässt sich von uns nicht vorhersagen."

In unserem Beitrag "Übergangsregelung für Honorar-Lehrkräfte doch nicht rechtssicher?" hatten wir ausführlich über den Aufsatz der beiden Sozialrichter Christian Zieglmeier und Stephan Rittweger in der Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA 7/2025, Seite 462 ff.) berichtet, in der sie die Übergangsregelung unter die Lupe genommen haben. Die beiden Richter vertreten darin die Meinung, dass ein Widerruf auch nachträglich noch möglich sei. Leider besteht also insoweit auch keine Rechtssicherheit durch die Übergangsregelung.

Ist der § 127 schwammig formuliert oder zu bürokratisch ausgelegt?

Eine weitere Unsicherheit für Auftraggeber: § 127 SGB IV bezieht sich auf die Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und befreit den Auftraggeber von diesen. Was ist mit den Umlagen U1 und U2 für Lohnfortzahlung und Schwangerschaft, mit den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung und der Insolvenzgeldumlage? Dies, so die Antwort der DRV, müssten die Spizenorganisationen der Sozialversicherung erst noch klären, bzw. solle man sich unmittelbar an die gesetzliche Unfallversicherung wenden. 

Was ist dein Eindruck? Verteidigt die DRV bei der Übergangsregelung jeden Zentimeter und macht es den Bildungsanbietern möglichst schwer, Rechtssicherheit zu erlangen? Oder hätte der neue § 127 SGB IV eindeutiger formuliert werden müssen? Was hältst du generell von Übergangsregelungen wie dieser mit Ausnahmen zur Scheinselbstständigkeit? Wir sind gespannt auf deinen Kommentar!

Neuester Hilfreichster Kontroversester
Kommentar schreiben
Abbrechen

Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?

Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden

Zum Seitenanfang

#

#
# #