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Verdrängung aus Selbstständigkeit war 2018 zentraler Umsatztreiber für Zeitarbeitsfirmen

Heute hat das Mindelheimer Research-Unternehmen Lünendonk das Ranking der führenden Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland veröffentlicht. Bei rückgängiger Auftragslage wird an den Zeitarbeitern zuerst gespart, entsprechend sensibel reagiert die Branche auf die konjunkturelle Eintrübung.

Das AÜG führt zu mehr Zeitarbeit bei Hochqualifizierten. Der Trend wird sich 2019 noch deutlich verstärken.

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG, vielen bekannt als „Gesetz gegen den Missbrauch von Zeitarbeit und Werkverträge“), das im April 2017 in Kraft trat, erschwerte durch zusätzliche bürokratische Vorschriften in den letzten Jahren zusätzlich den Einsatz von Arbeitnehmerüberlassung.

Andererseits erwies es sich für einige Personalvermittler als Umsatztreiber: Sie profitierten von der Verdrängung von Selbstständigen in die meist schlechter bezahlte Zeitarbeit. Warum sich das Researchunternehmen da so sicher sind, hat uns der zuständige Lünendonk-Mitarbeiter in einem Interview verraten.

Schwächstes Jahr seit 2012 für Branche

Die 25 führenden Zeitarbeitsunternehmen erlebten 2018 mit nur 2,1 Prozent Umsatzwachstum die schwächste Entwicklung seit dem Jahr 2012. Die schwache Konjunktur in der Automobilindustrie ab dem zweiten Halbjahr 2018 führte dazu, dass Zeitarbeiter in großer Zahl abgebaut wurden. Entsprechend mussten vor allem Zeitarbeitsfirmen mit hohem Umsatzanteil in der Automobilindustrie sowie im Helferbereich mit rückläufigen Umsätzen zurechtkommen.

Vielfach konnte das gute erste Halbjahr die Entwicklung im zweiten Halbjahr nicht ausgleichen und es kam bei einigen in diesem Bereich aktiven Unternehmen sogar zu einem Umsatzrückgang. So erlebte der Branchenzweite Adecco einen Umsatzrückgang von 4,9 Prozent, Manpower auf Platz drei sogar einen Rückgang von 8 Prozent.

Hays mit größtem Umsatzwachstum aller Zeitarbeitsunternehmen

Regulierung durch AÜG ist größeres Hindernis für Beschäftigungswachstum als Fachkräftemangel

Marktführer Randstad (zu dem GULP gehört) wuchs mit einem Umsatzplus von 2,1 Prozent genau wie der Durchschnitt der 25 Top-Unternehmen.

Das größte Umsatzwachstum (25,2 Prozent) unter den betrachteten 25 Unternehmen wies die Zeitarbeitstochter  von Hays (Hays Professional Solutions GmbH mit Sitz in Düsseldorf) auf und machte dadurch einen Sprung vom 10. auf den 7. Platz des Rankings der Zeitarbeitsunternehmen.

Thomas Ball, Senior Consultant bei Lünendonk und dort zuständig für den Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsmarkt kommentiert die Entwicklung wie folgt: „Durch die Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes arbeiten nun viele hochqualifizierte Freelancer und Ingenieure unter der Zuständigkeit des AÜG. Das sorgt für mehr Wachstum im Zeitarbeitsmarkt.“

Gesetz gegen Zeitarbeit ist Umsatztreiber für Zeitarbeit

„Als Umsatztreiber ... wirkten sich die Reform des AÜG und der weiterhin große Bedarf nach qualifiziertem Personal aus. IT-Freelancer und Ingenieure arbeiten beim Kunden nicht mehr aus ihrer Selbstständigkeit heraus, sondern häufig über AÜG-Verträge“ heißt es in der Pressemitteilung von Lünendonk weiter.

Eigentlich war es Ziel des AÜG, die Zeitarbeit zu reduzieren. Statt dessen verbreitet sich diese durch das Gesetz nun auch im Bereich hochqualifizierter Experten. Die große Mehrzahl der bisher gut bezahlten Selbstständigen fühlt sich in die Zeitarbeit gedrängt und sieht dies nur als Übergangslösung, wie die Statements der Teilnehmer an einer von uns gemeinsam mit GULP durchgeführten Studie anschaulich zeigen.

Viele lassen sich nur zähneknirschend – für begrenzte Zeit – auf die Zeitarbeit ein

Versüßt wird der Übergang manchem, besonders gefragten Selbstständigen momentan noch dadurch, dass einige Endkunden die höheren Margen der Zeitarbeitsfirmen durch höhere Ausgaben ausgleichen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Bereitschaft dazu mit fortschreitender Abkühlung der Konjunktur abnimmt und die bisher gut bezahlten Selbstständigen in der Zeitarbeit durchgängig deutlich weniger verdienen. Mit dem Wechsel in die Zeitarbeit sind für Selbstständige vielfältige Änderungen verbunden, die ihre Einkommens- und Lebenssituation deutlich verschlechtern (Interview).

Die meisten Betroffenen lassen sich nur zähneknirschend auf Zeitarbeits-Verträge ein, weil sie aufgrund ihrer familiären Situation räumlich kurzfristig nicht mobil sind und viel weniger Aufträge auf selbstständiger Basis angeboten werden als vor Einführung des Gesetzes. Die Betroffenen hoffen umso mehr, dass das Arbeitsministerium endlich eine Reform des verfehlten AÜG in Angriff nimmt.

Wachstum in Zeitarbeit durch Rückgänge bei Vermittlung von Selbstständigen überkompensiert?

Gespannt sind wir auf die Lünendonk-Liste zum IT-Freelancer-Markt, die im Juli 2019 veröffentlicht werden soll. Es steht zu vermuten, dass dem Wachstum im Bereich Zeitarbeit bei den in diesem Bereich aktiven Agenturen ein rückläufiges Geschäft im Bereich der Vermittlung von Selbstständigen gegenübersteht, weil die Endkunden in Deutschland aus Sicht ihrer Compliance-Abteilungen nicht rechtssicher durchführbare Projekte mit Selbstständigen ins Ausland verlagern oder einstellen.

Die Unternehmen, die im Bereich Zeitarbeit von der Verdrängung von Selbstständigkeit profitieren, erleiden also möglicherweise an anderer Stelle um so höhrere Umsatzrückgänge. Denn unter dem Strich werden Projekte ins Ausland verlagert oder beendet.

Personalvermittler mit hohem Anteil an Selbstständigen setzen sich für AÜG-Reform ein

Diese Entwicklung dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass sich viele große Personalvermittler schon seit Jahren für eine sinnvollere Ausgestaltung bzw. eine Reform des AÜG im Sinne von mehr Rechtssicherheit einsetzen. Die Mehrzahl der Agenturen sind der Überzeugung, dass es nichts zu gewinnen gibt, wenn Menschen gegen ihren Willen in eine von ihnen nicht gewünschte Beschäftigungsform gezwungen wird und sehen die Gefahr eines Brain-drain, also einer Abwanderung der besten Köpfe ins Ausland.

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