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Lesetipp Informieren und wählen Was du als Selbstständige/r über die Europawahl 2024 wissen solltest

Lange wurde über sie diskutiert, nun steht sie vor der Tür: Am 9. Juni findet die Europawahl statt. Wir haben für euch die Wahlprogramme unter die Lupe genommen und Wissenswertes über die Parteien zusammengetragen.

Erstmals dürfen bei dieser Europawahl auch 16- und 17-Jährige wählen

Am Donnerstag, 6. Juni 2024, beginnt offiziell die Europawahl. Bis Sonntag, 9. Juni, müssen alle Mitgliedsstaaten abgestimmt haben. In Deutschland findet die Wahl am 9. Juni statt. Für viele kommt das überraschend: Während bei Bundes- und Landtagswahlen jede Straßenlaterne mit Plakaten versehen ist, muss man bei der Europawahl nach solchen fast schon suchen. 

Tipp für überraschte Erstwähler

Von den zurzeit versendeten Wahlbenachrichtigungen besonders überrascht sein dürften die 16- und 17-Jährigen, die erstmals bei der Europawahl und damit in der Regel zum ersten Mal überhaupt wählen dürfen. Das hat die Ampelkoalition im November 2022 beschlossen. Kleiner Tipp für Erstwähler, die die Möglichkeit der Briefwahl nutzen wollen: Mithilfe der Wahlbenachrichtigung kann man in den meisten Gemeinden online die eigentlichen Wahlunterlagen anfordern. Am besten keine Zeit verlieren, denn der ausgefüllte Wahlbrief muss rechtzeitig bei der Kommune eintreffen, damit deine Stimme zählt.

Nicht nur unter Erstwählern dürfte vielen die Wahlentscheidung schwer fallen. Bei Bundes- und Landtagswahlen ist sehr viel klarer, worüber die gewählten Parlamente zu entscheiden haben. Als Selbstständige/r hört man, dass ein Großteil der Gesetze – und auch Bürokratie – in Brüssel und Straßburg ihren Ursprung haben. Aber um welche, Selbstständige betreffende Themen geht es genau? Wir haben die Wahlprogramme unter die Lupe genommen und geschaut, was die einzelnen Parteien dazu schreiben.

Hast du schon gewählt? - Mach mit bei unserer Social-Media-Kampagne zur Europawahl!

Bitte teile diese Abbildung auf Social Media, wenn du schon per Briefwahl gewählt hast

Du hast schon per Briefwahl deine Stimme abgegeben? Dann teile gerne die Grafik links auf Social Media, um so auch deine Freunde und Bekannten an die Europawahl zu erinnern und zur Wahl aufzufordern. Es kommt auf jede Stimme an und aufgrund der vergleichsweise geringen Plakatwerbung könnte so mancher Wahlberechtigte den Termin versäumen. Danke für deine Unterstützung!

Bei der letzten EU-Wahl waren Union und vor allem SPD die Verlierer

Doch zunächst ein Blick zurück. Wann war eigentlich die letzte Europawahl und wer hat am meisten Stimmen erhalten? – Das EU-Parlament wird nicht alle vier, sondern alle fünf Jahre gewählt, zuletzt 2014 und 2019. Wahlberechtigt waren in Deutschland zuletzt 61,6 Millionen Bürger, mit den 16- und 17-Jährigen dürften es dieses Jahr einige mehr sein. Die Wahlbeteiligung lag 2019 bei 61,4 Prozent, ein deutlicher Anstieg gegenüber 2014 (48,1 Prozent).

Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren regierte noch die große Koalition und war der Verlierer des Abends: CDU und CSU erzielten 2019 gemeinsam 28,9 Prozent, wobei die CDU 7,5 Prozentpunkte verloren und die CSU 1,0 Prozentpunkt dazugewonnen hatte. Noch empfindlicher waren die Verluste der SPD, die von 27,3 auf 15,8 Prozent schrumpfte.

Der größte Gewinner waren die Grünen, die sich von 10,7 auf 20,5 Prozent fast verdoppelten und so zur zweitstärksten Landesgruppe wurden. Auch AfD (von 7,1 auf 11,0 Prozent) und FDP (von 3,4 auf 5,4 Prozent) gewannen hinzu.

Dieses Mal könnte es die Ampel-Parteien treffen

Die Wahlforscher sind sich sicher, dass bei der jetzigen Europawahl CDU und CSU mit ca. 30 Prozent erneut die größte Fraktion stellen werden, Grüne, SPD und AfD sehen sie um die 15 Prozent, FDP, Linke und das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) bei zumeist drei bis fünf Prozent.

Auch bei dieser Wahl würden also die Regierenden, in diesem Fall die Ampel-Koalition, tendenziell eher abgestraft, vor allem die Grünen. Von den Oppositionsparteien würden zumindest Union und AfD gewinnen. Vor dem Hintergrund der Nachrichten, die man täglich über die AfD hört, könnte sich deren Wahlergebnis gegenüber den Prognosen bis zum Wahltag verschlechtern.

Schon mit 0,7 Prozent im Europäischen Parlament

Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es bei der Europawahl nicht, vor ihr muss sich also keine der Parteien fürchten, im Gegenteil: 2019 zogen neben den aufgeführten Parteien auch noch Freie Wähler und Die Partei (je 2 Sitze) sowie Piraten, Tierschutzpartei, Familie, ÖDP, Piraten und Volt ins EU-Parlament ein (je 1 Sitz).

Insgesamt besetzen deutsche MdEP ("Mitglieder des Europäischen Parlaments") 96 der insgesamt 705 Sitze. Ein Prozent Wahlergebnis entspricht ungefähr einem Sitz. Die genannten deutschen Kleinparteien mit einem Sitz hatten 2019 zwischen 0,7 und 1,4 Prozent der Stimmen erhalten. Um bei 61,6 Millionen Wahlberechtigten und 61,4 Prozent Wahlbeteiligung 0,7 Prozent der Stimmen zu erhalten, mussten einer Partei vor fünf Jahren rund 265.000 Wähler ihre Stimmen geben.

Nicht nur weniger Plakate, sondern auch dünnere Wahlprogramme

Die Europawahl-Programme sind teils deutlich knapper gehalten als bei Bundestagswahlen, wobei die Parteien sich untereinander erheblich unterscheiden. Am umfangreichsten ist – wie schon bei der letzten Bundestagswahl (Seitenzahl in Klammern) – das Wahlprogramm der Grünen: 

"Selbstständige" in Wahlprogrammen vor allem als "Scheinselbstständige" präsent

Wir haben die (oben mit Sternchen markierten) Wahlprogramme zunächst einmal nach Begriffen wie "selbstständig" (auch in der Variante mit einfachem "st") und Synonymen wie Freelancer, Freiberufler usw. durchsucht. Das Ergebnis: Bei der CDU/CSU konnten wir das Wort "Selbstständige" im Europawahl-Programm nicht finden.

Bei der SPD finden wir es nur in Form der "Scheinselbstständigkeit": "Wir brauchen eine ehrgeizige Richtlinie zur Plattformarbeit, die einen Rahmen schafft, mit dem Scheinselbständigkeit bekämpft wird und kollektive Rechte gestärkt werden." (Seite 31)

Bei den Grünen geht es in diesem Zusammenhang ebenfalls fast nur um Scheinselbstständigkeit. Zur EU-Plattformarbeits-Richtlinie schreiben die Grünen:

"EU-weit arbeiten rund 28 Millionen Menschen für Unternehmen, die digitale Dienste anbieten und zusammenführen, sogenannte Plattformunternehmen. Diese Unternehmen profitieren vom Modell der Scheinselbstständigkeit, das in der EU weit verbreitet ist. Die EU-Kommission schätzt, dass 4 Millionen der Arbeitnehmer*innen in Plattformunternehmen Scheinselbstständige sind. In der laufenden europäischen Gesetzgebung zu Arbeitsbedingungen auf digitalen Plattformen setzen wir uns dafür ein, Scheinselbstständigkeiten, die zu schlechten Arbeitsbedingungen und zu unzureichender sozialer Absicherung führen, europaweit einen Riegel vorzuschieben." (Seite 44) Zusammenfassend schreiben die Grünen: "Wir wollen europäische Hebel gegen Scheinselbstständigkeit sowie Lohn- und Sozialdumping in diesen Bereichen nutzen." (Seite 46) Ansonsten erscheinen wir Selbstständige nur im Kontext der Inflations-Folgen: "Für viele Selbstständige und kleine Betriebe ist die Existenzgrundlage weggebrochen." (Seite 42)

Ebenso wie die Grünen zitiert auch die Linke die zweifelhaften Zahlen der EU zur Zahl der Plattformarbeitenden – und spricht über Scheinselbstständige bei Plattformen, die ihre selbstständig Mitarbeitenden längst angestellt haben:

"28 Millionen Menschen arbeiten in Europa für digitale Plattformen wie Uber, Lieferando oder Amazon unter oft prekären Bedingungen. 2025 werden es wahrscheinlich bereits 43 Millionen sein. Sie sind häufig Scheinselbstständige und erhalten ihre Aufträge über intransparente Algorithmen. Mit der Plattformarbeitsrichtlinie will die EU Beschäftigtenrechte und soziale Absicherung für diese Arbeiten sicherstellen. Die Unternehmensverbände versuchen, diese Rechte möglichst vielen Beschäftigten vorzuenthalten. Wir wollen, dass die Richtlinie für alle Beschäftigten umfassend umgesetzt wird." (Seite 16)

"Auftraggeber*innen müssen auch für Soloselbstständige Sozialversicherungsbeiträge zahlen." Und weiter: "Die Auslagerung von Aufträgen auf rechtlich selbstständige Subunternehmen nimmt zu. Damit wollen die Unternehmen – und auch die öffentlichen Arbeitgeber*innen! – Arbeits- und Tarifstandards im Hauptunternehmen umgehen. Insbesondere in der Bauwirtschaft, Logistik, im IT-Sektor, der Reisebranche, im öffentlichen Personenverkehr und in der Landwirtschaft kommt derartiges Sozialdumping häufig vor." (Seite 17)

Die AfD unterscheidet sich in der Schreibweise von Selbständigkeit (wie früher mit einem "st"), aber auch bei ihr erscheinen wir vor allem im Kontext von Scheinselbstständigkeit:

"Die Freiheit von Selbständigen und Unternehmern innerhalb der EU begrüßen wir grundsätzlich. Aber sie darf nicht dazu missbraucht werden, sich durch Scheinselbständigkeit Ansprüche auf Sozialleistungen zu erschleichen." (Seite 24)

FDP ist Ausnahme

Lediglich die FDP nimmt in ihrem Programm eine deutlich andere Position gegenüber Selbstständigen ein. Sie schreibt in ihrem deutlich kürzeren Programm: 

"Mittlerweile sind 57 Prozent der bürokratischen Belastungen in Deutschland auf EU-Gesetze zurückzuführen. Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Betriebe, sowie Selbstständige sehen sich angesichts dieser Regulierungswut gezwungen, wertvolle Energie und Zeit für die Bewältigung immenser bürokratischer Anforderungen aufzuwenden. Das können wir uns nicht länger leisten."

Außerdem fordert sie: "Dabei wollen wir durch eine EU-weite Plattform, die die verschiedenen Rentenansprüche berechnet, mehr Transparenz schaffen. So stärken wir die Flexibilität und Mobilität von Beschäftigten und Selbstständigen. Wir möchten faire Arbeitsbedingungen für Plattformarbeiter schaffen, statt Selbstständige zu gängeln, und setzen uns für eine umfassende Korrektur der EU-Plattformarbeiterrichtlinie ein." (Seite 4) 

Wieviel Prozent der Gesetze werden in Brüssel gemacht?

Oft wird behauptet, 80 Prozent der in Deutschland geltenden Gesetze würden in der EU gemacht. Nach Lektüre der obigen Passagen könnte man den Eindruck gewinnen, das Gegenteil sei der Fall. Im Kontext von Selbstständigen fällt den Parteien lediglich die Richtlinie zur Plattformarbeit ein – und tatsächlich war es das für Selbstständige wichtigste (und bedrohlichste) europäische Gesetzesvorhaben, mit dem wir als Verband in den letzten Jahren zu tun hatten. 

Viele EU-Verordnungen (gelten unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat) und EU-Richtlinien (müssen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden) sind stärker technischer Natur. Und tatsächlich erreichen schon allein die Richtlinien in Bereichen wie Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft einen Anteil von 80 Prozent. Im Bereich Arbeit und Soziales war der Anteil mangels durchgängiger EU-Zuständigkeit niedriger, aber nimmt in letzter Zeit deutlich zu. Außerdem entwickeln sich die Regelungen qualitativ weiter, sind nicht mehr nur technischer Natur und damit nur für einzelne Branchen relevant.

Zählt man Verordnungen und Richtlinien zusammen, lässt sich ein zahlenmäßiger Anteil von 80 Prozent der Gesetze durchaus belegen, wir sprechen bei unserer Kampagne (siehe oben) jedoch etwas zurückhaltender von der Hälfte der Selbstständige betreffenden Regelungen. Bei offiziellen Führungen durch den Bundestag war schon vor Jahren zu hören, dass 60 Prozent der Gesetze aus Brüssel kommen.

FDP und Grüne wollen einen KMU-Test für EU-Gesetze

Zurück zu den Wahlprogrammen: Auch wo der Begriff "Selbstständige" nicht benutzt wurde, geht es um Regelungen und Vorhaben, die auch für uns gelten. Die SPD möchte für Künstler Mindestvergütungen erreichen. Die Grünen fordern für Mittelstand und Handwerk einen KMU-Test und die regelmäßige Überprüfung von Regularien und Gesetzen. Auch die FDP fordert einen solchen KMU-Test und möchte die Bürokratielasten durch einen "Bureaucracy Reduction Act" um 50 Prozent reduzieren, durch "one in, two out" und Sunset-Klauseln (Regelungen werden zeitlich begrenzt und überprüft). Ein Mittelstandskommissar soll über fairen Wettbewerb und Bürokratieabbau wachen. Statt redundanter Berichtspflichten sollen alle relevanten Informationen einmalig in einem Meldeportal hinterlegt werden.

Rankings: Unternehmen, Mittelstand und KMU

Den Begriff "Unternehmen" verwenden interessanterweise Linke (98x) und Grüne (81x) am häufigsten, wobei allerdings auch ihre Wahlprogramme besonders umfangreich sind. Es folgen AfD (36x), SPD (31x) und FDP (24x). Es ist interessant, bei der Durchsicht auf den Kontext zu achten: Bei den Linken zum Beispiel erscheint der Begriff "Unternehmen" sehr häufig in Kombination mit dem Adjektiv "große" und mit Ideen zu deren Regulierung oder als Wortbestandteil in "Subunternehmen".

Die Begriffe "Mittelstand" und "KMU" (für "Kleine und mittlere Unternehmen") findet sich am häufigsten bei Grünen (insgesamt 21x), FDP (10x) und Union (6x), wobei der unterschiedliche Umfang der Programme zu bedenken ist. Bei der SPD haben wir die Begriffe insgesamt 2x, bei der AfD 1x und bei der Linken überhaupt nicht gefunden.

Wer hat es am meisten mit Handwerkern und wer mit Gewerkschaften?

Die Handwerker sind für manche Parteien eine besonders wichtige Zielgruppe und werden deutlich häufiger als die Selbstständigen genannt: Im Parteiprogramm der Grünen kommt der Begriff "Handwerk" 15x vor, bei der Union 5x, bei FDP und Linke je 1x, bei der AfD überraschenderweise gar nicht.

Den Begriff "Gewerkschaften" fanden wir nur bei Linken (17x) und SPD (4x), der Begriff Arbeitgeber kam bei ihnen 4x bzw. 2x vor.

Interessant ist auch wie häufig "Arbeitnehmer" als Suchbegriff vorkommen im Vergleich zu "Selbstständigen": 19x bei den Grünen, 7x bei der SPD, 5x bei der AfD, 6x bei der Union, überraschenderweise bei den Linken nur 1x, bei der FDP gar nicht.

Wer beschäftigt sich am meisten mit dem Thema Bürokratie?

Und das Wort "Bürokratie"?  Es erscheint am häufigsten bei der FDP (32x), gefolgt von AfD (22x) und Grünen (17x). Bei der AfD fällt auf, dass es oft in der Form "EU-Bürokratie" oder "Brüsseler Bürokratie" genutzt wird. Im SPD-Programm kommt "Bürokratie" 8x, bei der Union 5x und bei der Linken 4x vor. In keinem der vier Fälle geht es bei der Linken allerdings um Unternehmen oder Selbstständige als Opfer von Bürokratie.

Die Serie dieser Rankings ließe sich fortsetzen, zum Beispiel mit der Frage, wie häufig Künstler im Programm genannt werden oder andere Berufsgruppen: Du bist eingeladen, anhand obiger Links die Programm selbst zu durchstöbern und deine Ergebnisse per Kommentar mit uns zu teilen. (Tipp: Damit die Suchfunktion richtig funktioniert, die PDFs zunächst downloaden. Im Browser werden längere PDFs nicht vollständig durchsucht.)

Mithilfe unserer Suchbegriffe selbst in Wahlprogrammen schmökern

Letztlich kommt es natürlich nicht darauf an, wie häufig ein bestimmter Begriff vorkommt, sondern was dazu genau im Programm steht. Wir freuen uns, wenn wir dich mit unseren Rankings neugierig gemacht haben und du selbst in das eine oder andere Programm reinschaust. Du weißt jetzt, mit welchen Suchbegriffen du wo fündig wirst.

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