Solo-Selbstständige müssen 8,7 Prozent ihrer Arbeitszeit zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten aufwenden, drei Mal so viel wie Unternehmen mit > 50 Mitarbeitern. Mehr als die Hälfte des gesamten Bürokratieaufwands der KMU entfällt auf Unternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitern.
Erstmals ist der zeitliche Arbeitsaufwand mittelständischer Unternehmen für bürokratische Prozesse repräsentativ erhoben worden – und zwar im Rahmen des KfW-Mittelstandspanels. Seit 2002 wird dieses Panel jährlich befragt. "Was schätzen Sie, wie hoch ist der Aufwand für Ihr Unternehmen zur Erfüllung aller gesetzlicher Vorgaben? (in Arbeitsstunden pro Monat)" lautete die konkrete Frage an die rund 10.000 Teilnehmer/innen.
61 Milliarden Euro Erfüllungsaufwand im Mittelstand
Das Ergebnis: 1,3 Milliarden Arbeitsstunden benötigt der Mittelstand, also die Unternehmen bis 250 Mitarbeitende, für das Erledigen bürokratischer Pflichten. Bewertet mit einem mittleren Arbeitslohn von 41,30 Euro ergibt das Personalkosten von 61 Milliarden Euro. Wir haben nachgerechnet: Mehr als die Hälfte davon entfällt auf Solo- und Kleinstunternehmer/innen mit bis zu neun Mitarbeitenden.
Und das ist nicht alles. Denn Belastungen, die sich nicht oder kaum in Arbeitszeit erfassen lassen – etwa langwierige Verfahren und Aufbewahrungsfristen, schlechte Erreichbarkeit von Behörden, die strittige Auslegung von Vorschriften, fehlende Digitalisierung undder Ärger über die Höhe von Sozisalversicherungs-Beiträgen bezeichnet Autor Michael Schwartz als "psychologischen Faktoren". "Speziell diese psychologischen Faktoren im Umgang mit der Bürokratie nehmen bei vielen Unternehmen aber eine tragende Rolle ein" erklärt er.
Solo-Selbstständige am stärksten betroffen
Die Studie zeigt: Solo-Selbstständige müssen den größten bürokratischen Aufwand schultern. Sie müssen im Durchschnitt 8,7 % ihrer Arbeitszeit für die Erfüllung der rechtlichen Pflichten aufwenden. Bei Kleinstunternhemen bis vier Mitarbeiter/innen sind es 7,7 Prozent, bei solchen mit bis zu neun Mitarbeitenden nur noch 5,3 Prozent. Deutlich geringer ist der relative Zeitaufwand für Unternehmen mit 10 bis 50 Angestellten und darüber. Er liegt bei ihnen bei 3,7 bzw. 3,0 Prozent. Mit wachsender Unternehmensgröße nimmt die relative Bürokratiebelastung ab.
Hier noch mal im Überblick (einen Teil der Angaben haben wir anhand der Studie selbst berechnet, um die Verhältnisse anschaulicher zu machen):
- Solo-Selbstständige arbeiten laut Studie durchschnittlich 126 Stunden pro Monat (0,72 Vollzeitäquivalente/VZÄ), davon 11 Stunden an Erfüllungsaufwand. Bei den in der Studie angenommenen 41,30 Euro Stundensatz müsste jeder Solo-Selbstständige sich dafür 454 Euro/Monat auszahlen.
- Kleinstunternehmen mit bis zu vier Mitarbeitenden (MA) erbringen durchschnittlich 234 Stunden pro Monat (1,3 VZÄ), davon 18 Stunden Erfüllungsaufwand. Das entspricht 743 Euro/Monat.
- Kleinstunternehmen mit bis zu neun MA (die Studie spricht von "kleinen Unternehmen") erbringen im Mittel 1.037 Stunden (6,0 VZÄ), davon 55 Stunden Erfüllungswaufwand. Das entspricht 2.272 Euro/Monat.
- Mittlere Unternehmen mit zehn bis 50 MA leisten im Schnitt 2.432 Stunden (14 VZÄ), davon 90 Stunden Erfüllungsaufwand. Dies entspricht 3.717 Euro.
- Größere Unternehmen mit über 50 MA erbringen durchschnittlich 10.333 Stunden (59 VZÄ), davon 310 Stunden Erfüllungsaufwand. Das entspricht 12.803 Euro an Bruttogehältern.
Diese Zahlen haben wir nun mit der uns bekannten Anzahl der Unternehmen in den verschiedenen Größenklassen multipliziert. Ergebnis: 51,5 Prozent des von der KfW berechneten Erfüllungsaufwands der KMU entfällt auf Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen mit bis neun Marbeitern. Deshalb sollte bei der Entbürokratisierung auf die kleinen Unternehmen ein besonderer Fokus gelegt werden. Gelingt es, ihren bürokratischen Aufwand zu reduzieren, profitieren automatisch auch größere Unternehmen davon.
Top-10 bürokratische Pflichten bei Solo- und Kleinstunternehmen
Welche Arten bürokratischer Pflichten verbergen sich hinter den hunderten Millionen Stunden, die angegeben wurden? Hier die Top-10 Kategorien mit dem am häufigsten genannten Erfüllungsaufwand speziell für Solo- und Kleinstunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden:
- Steuerangelegenheiten 73%
- Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten 53%
- Rechnungswesen 42%
- Statistische Auskunfts- und Meldepflichten 30%
- Allgemein Formulare ausfüllen 26%
- Anforderungen der Sozialversicherungsträger 24%
- Datenschutz 21%
- Arbeitsschutz und -sicherheit 13%
- Baurecht und Bauvorschriften 11%
- Branchenspezifische Regelungen 3%
Übrigens ist der Erfüllungsaufwand besonders hoch im Bereich der "Sonstigen Dienstleistungen".
72 Prozent der Solo-Selbstständigen nutzen externe Hilfe
Während größere Unternehmen spezialisierte Mitarbeiter einstellen können, um zum Beispiel die Buchhaltung und Steuerangelegenheiten zu erledigen, und sich für schwierige Fragen zugleich externe Experten leisten können, fehlt es bei kleinen Unternehmen an dem Wissen und dem Geld für externe Berater. "Nur" 72 Prozent der Solo-Selbstständigen nehmen externe Hilfe in Anspruch, dagegen 92 Prozent der Unternehmen mit 10 bis 50 MA. Dabei übernehmen die "Externen" etwa ein Drittel des Zeitaufwands.
Bürokratie sei zwar "grundsätzlich eine wesentliche Grundlage unseres Wirtschaftssystems" verteidigt Studienautor Schwartz deren Notwendigkeit, um dann fortzufahren: "Mit zunehmender Bürokratie steigt jedoch das Risiko, dass die Kosten den Nutzen übersteigen. Der Abbau von Bürokratie ist daher aus Sicht des Mittelstands derzeit das drängendste wirtschaftspolitische Thema." Als Beleg hierfür zitiert er Befragungen von Creditreform, DIHK, DZ Bank und DSGV, die alle zum Ergebnis kommen Bürokratieabbau sei das drängendste Problem der KMU.
Auch Rechtsunsicherheit treibt Bürokratie und belastet zudem psychologisch
Auch bei Befragungen von Solo- und Kleinstunternehmen wird Bürokratie als eines der größten Probleme benannt – allerdings auf gleichem Niveau wie die Rechtsunsicherheit durch das dysfunktionale Statusfeststellungsverfahren, das durch die Verunsicherung, die es bei Auftraggebern erzeugt, allerdings auch selbst ein Bürokratietreiber ist, auch in psychologischer Hinsicht, weil es wie ein Damoklesschwert über Auftraggebern und -nehmern hängt.
Wie ist es bei dir? Wie viel Zeit kostet dich die Erfüllung rechtlicher Pflichten pro Monat? Wir freuen uns über deinen Kommentar!
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