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Statusfeststellungsverfahren Das ändert sich zum 1. April 2022

Wir haben die Reform des Statusfeststellungsverfahrens für dich unter die Lupe genommen

Scheinselbstständig oder nicht? Wollen Selbstständige Gewissheit über ihren sozialrechtlichen Status erlangen, gelten ab April neue Regeln für das Statusfeststellungsverfahren. Der VGSD stellt die wichtigsten Neuerungen vor.

Schneller, einfacher und rechtsverbindlicher soll das neue Verfahren sein. Dass das nur bedingt gelungen ist, führte VGSD-Experte Hartmut Paul beim Experten-Talk diese Woche eindrücklich vor Augen:

Gleichwohl gelten diese neuen Regeln für alle Selbstständigen, Agenturen und Endkunden ab 1. April:

Neuerung 1: Zweistufige Prüfung

Aus eins mach zwei: Das Verfahren zur Klärung des Versicherungsstatus ist ab April zweistufig. Zuerst erklärt die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) den Erwerbsstatus – also ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt oder Beschäftigung. Entscheidend ist wie bisher nicht die Person oder Art der Tätigkeit des Selbstständigen, sondern jeder einzelne Auftrag. Diese „Elementenfeststellung des Erwerbsstatus“ soll angeblich schneller und effizienter gehen und ist bindend für alle Träger der Sozialversicherung.

Entscheidet die DRV auf „Beschäftigung“, muss der Arbeitgeber die Versicherungspflicht oder -freiheit – neu – in einem zweiten Verfahren mit der Krankenversicherung des Mitarbeiters klären. Sie entscheidet dann, ob und welche Beiträge für den Mitarbeiter in der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und/oder Pflegeversicherung der Auftraggeber nachträglich (und künftig) zu entrichten hat.

Auf Probe und befristet bis 30. Juni 2027 gelten folgende weitere Neuerungen (§ 7a II bis VI SGB IV):

Neuerung 2: Prognoseentscheidung

Selbstständige können ab April bereits vor dem Tätigkeitsbeginn verbindlich von der DRV prüfen lassen, ob der Job als selbstständige Tätigkeit oder Beschäftigung gilt. Dazu müssen sie die schriftlichen Vereinbarungen und die "beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung" einreichen. Die Clearingstelle will binnen vier Wochen entscheiden, so dass theoretisch beanstandete Vertragsgestaltungen oder Ausführungskonzepte noch angepasst werden könnten – so sehen es zumindest einige Kommentatoren.

Wichtig: Ändern sich im ersten Monat des Auftrags „schriftliche Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsausführung“, so muss die DRV laut Gesetz informiert werden. Die Folge: Ergibt sich eine wesentliche Änderung, ergeht ein neuer Bescheid. Eine mögliche Beitragspflicht berechnet sich erst ab Mitteilung. Was als „wesentliche Änderungen“ sind, definiert das Gesetz nicht; hier wird die Rechtsprechung gefragt sein.

Achtung: Ändern sich die Umstände später, ohne dass die DRV davon informiert wird, steht ab diesem Zeitpunkt der festgestellte Status in Frage.

Neuerung 3: Klärung für Gruppen-Aufträge

Einer für alle: Wer gewohnt ist, bislang in einem Team aus Selbstständigen für einen Auftraggeber zu arbeiten, erfährt ab April mitunter schneller Klarheit über seinen Status. Der Auftraggeber kann anhand eines konkreten Falles für die ganze Gruppe im Rahmen eines Gutachtens klären, ob sein Team tatsächlich aus Freelancern oder Arbeitnehmern besteht. Dazu beantragt er ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle für einen Auftrag und lässt den Status für die restlichen Auftragsverhältnisse via Gutachten klären. Mit der neuen Gruppenentscheidung sollen Einzelfallentscheidungen in gleichgelagerten Fällen überflüssig und ein Vertrauensschutz bei künftigen Betriebsprüfungen aufgebaut werden.

Vorsicht: Dieses neue Verfahren bietet keinen Vertrauensschutz für bestehende oder abgeschlossene Aufträge. Es gilt für künftige Aufträge, die innerhalb von zwei Jahren geschlossen werden. Für frühere Aufträge bringt laut Expertenmeinung nur die klassische Statusfeststellung für jeden einzelnen Auftrag rückwirkend Klarheit. Wichtig zudem: Die Aufträge müssen identisch sein, um den Vertrauensschutz für die Zukunft, etwa bei einer Betriebsprüfung, zu gewährleisten. „Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen“, normiert das Gesetz.

Neuerung 4: Beteiligung von Dritten

Arbeiten Freelancer/innen über Agenturen in Unternehmen oder bei anderen Endkunden, können nun auch diese als „Dritte“ den Status prüfen lassen. Dann ermittelt die DRV für das gesamte Auftragsverhältnis, ob eine Beschäftigung vorliegt und wer in diesem Fall Arbeitgeber ist. Damit erhält die DRV umfassendere Prüfkompetenzen.

Neuerung 5: Anhörung der Beteiligten im Widerspruchsverfahren

Bislang kam es für die Meisten erst vor Gericht zur persönlichen Aussprache mit der DRV, das soll nun früher möglich sein: Verneint die Clearingstelle die Selbstständigkeit, soll im Widerspruchsverfahren eine mündliche Anhörung aller Beteiligten möglich sein. Der Selbstständige muss seinen Widerspruch dennoch vorab schriftlich begründen. Aber: „Eine Pflicht zur Teilnahme ergibt sich für die Beteiligten durch die Vorschrift nicht“, erklärt die DRV den Lesern in einer ihrer Fachpublikationen. Bleibt abzuwarten, wie erfolgreich Selbstständige ihre Sicht der Dinge der DRV darlegen können.

Unsere Einschätzung

„Die Reform setzt vor allem am Verfahrensrecht an, beschleunigt es möglicherweise zum Teil, macht es insgesamt aber umständlicher. Keine Fortschritte gibt es inhaltlich: Wann liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, wann eine abhängige Beschäftigung? Würden die Kriterien hierfür endlich verbindlich und lebensnah festgelegt, stünden nicht Solo-Selbstständige und ihre Auftraggeber unter dem Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit“, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz.

Der VGSD hatte sich für eine tiefgreifendere Reform des Statusfeststellungsverfahrens eingesetzt, war 2019 an drei Fachgesprächen dazu im Bundesarbeitsministerium beteiligt. Die Regierung setzte sich über konstruktive Verbesserungsvorschläge hinweg und peitschte im Frühsommer 2021, kurz vor Beginn des Bundestagswahlkampfs, das Gesetz in seiner jetzigen Form unverändert durch den Bundestag – unter Protest unseres Verbands.

Weiterführende Informationen und Quellen

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) hat diese Woche aus Anlass der Reform des Statusfeststellungsverfahrens in ihrer Reihe "info Recht" ein 47 Seiten umfassendes Dokument zu "Drittpersonaleinsatz und Statusfeststellungsverfahren" veröffentlicht, das wir allerdings ausschließlich an Vereinsmitglieder weitergeben dürfen (bitte ggf. einloggen, um es zu lesen).

Den Hauptteil bildet das dritte Kapitel, indem die Autoren ausführlich auf Scheinselbstständigkeit und Statusfeststellungsverfahren eingehen – inklusive Beispielen aus verschiedenen Berufsgruppen wie IT-Spezialisten, Freiberuflern usw.

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Das aktuelle Rundschreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund findet sich hier.

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