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Lesetipp Wer kontrolliert die DRV? Warum eine Rechtsaufsicht ein zahnloser Tiger ist

Schon mal vom Bundesamt für Soziale Sicherung gehört? Das wenig bekannte Amt hat unter anderem die Rechtsaufsicht über die Rentenversicherung. Und enttäuscht dabei so manche Erwartungen.

Ob dieser KI-Tiger Zähne im Maul hat? Er sieht jedenfalls eher harmlos aus

"Wer statusfeststellt die Statusfeststeller?", fragte ein Social-Media-Nutzer unter unserem Beitrag über agile Arbeitsmethoden bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Die treffende Formulierung dürfte wohl eher ein Selbstständigen-Insider bleiben. Sie bringt allerdings die Frage auf den Punkt, die unser Beitrag aufwarf. Schließlich zeigte der, dass die DRV womöglich mit zweierlei Maß misst: In IT-Projekten im eigenen Haus lässt sie Fremdpersonal mit agilen Arbeitsmethoden arbeiten, während sie diese in der Privatwirtschaft schnell in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit stellt. Laientauglich formuliert lautet die Frage also: Wer kontrolliert die DRV?

DRV steht unter Rechtsaufsicht, nicht unter Fachaufsicht

Die DRV ist ein Versicherungsträger im Sinne des Sozialgesetzbuchs. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung steht sie unter staatlicher Aufsicht. Staatsaufsicht umfasst in der Regel zwei Elemente: Rechtsaufsicht und Fachaufsicht. Jedoch heißt es in § 87 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV):

"Die Versicherungsträger unterliegen staatlicher Aufsicht. Sie erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist."

Im Klartext heißt das: Die DRV steht unter Rechtsaufsicht, nicht unter Fachaufsicht. Was ist die Folge? Rechtsaufsicht bedeutet Kontrolle auf rechtskonformes Handeln. Handelt die DRV im Einklang mit dem Gesetz? Das wird überprüft. Es findet eine reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns statt.

Keine inhaltliche Kontrolle

Was nicht überprüft wird: der richtige Ermessensgebrauch. Dieser steht bei der Fachaufsicht auf dem Prüfstand, und noch mehr: Die Fachaufsicht umfasst die Aufsicht über die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Ob die DRV ihre Aufgaben also auch inhaltlich korrekt wahrnimmt, wird nicht kontrolliert.

Die Rechtsaufsicht über die DRV übt das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn aus. Der Homepage des BAS zufolge arbeiten dort rund 750 Beschäftigte, die sich auf acht Abteilungen, 54 Referate und zwei Stabsstellen verteilen. Neben der Rechtsaufsicht über die DRV führt das BAS auch die Rechtsaufsicht über Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung sowie der Sozialen Pflegeversicherung. Daneben hat das BAS noch eine Reihe von Verwaltungsaufgaben, die hier nicht von Interesse sind.

Auch Privatpersonen können sich an das BAS wenden

In der Regel führt der Weg, sich gegen Entscheidungen der DRV zu wehren, vor die Sozialgerichte. Für Dinge, die nicht gerichtlich zu klären sind, gibt es das BAS. Auch Privatpersonen können hier über ein Beschwerdeformular eine Eingabe an das BAS richten, wenn sie mit einer Entscheidung eines Sozialversicherungsträgers nicht einverstanden sind.

Auch wenn das BAS kein sehr bekanntes Amt ist, hat es auf Google Rezensionen gesammelt. Sie sind überwiegend nicht schmeichelhaft. Es gibt 78 Rezensionen (Stand: 8. April 2025), die Durchschnittsnote liegt bei 2,1 von 5 Sternen. Null Sterne zu vergeben, ist nicht möglich. Die am häufigsten vergebene Bewertung ist ein Stern, einige Rezensenten haben fünf vergeben. Dazwischen gibt es fast keine Bewertungen. Viele beschweren sich über schlechte Erreichbarkeit oder Tatenlosigkeit des Amtes.

Dieselben Merkmale unterschiedlich bewertet

Mit einem der Verfasser einer negativen Bewertung haben wir gesprochen. Er berichtet davon, dass er viele Auftragsverhältnisse habe, denen identische Verträge zugrunde lägen. Diese reiche er immer wieder, oft mehrere auf einmal, bei der DRV zur Statusfeststellung ein. "Dieselben Merkmale wurden früher als für die Selbstständigkeit sprechend gewertet, später als dagegensprechend", sagt er. Zuletzt habe er eine ganze Reihe von Anträgen mit demselben Vertragstext für Selbstständige in unterschiedlichen Regionen eingereicht. Davon wurde die Hälfte als selbstständig bewertet, die andere Hälfte als als abhängig beschäftigt. Widerspruchsverfahren liefen, berichtet der Mann.

Da er nicht mehr auf die inkonsistenten und unvorhersehbaren Entscheidungen warten wollte, gegen die er gegebenenfalls auch noch den mühsamen Klageweg gehen musste, wandte er sich sowohl ans Arbeitsministerium (BMAS) als auch an das BAS. Er wurde enttäuscht. Das BMAS erklärte sich für nicht zuständig. Das BAS prüfte seinen Fall, sah aber kein Fehlverhalten bei der DRV. Daraufhin postete er seine kritische Google-Rezension.

"Sprachrohr der DRV"

Das BAS antwortete auf Google und verwies auf seine begrenzten Kompetenzen als Rechts-, nicht Fachaufsicht. Für den Kritiker macht das nichts besser. "Das ist für mich überhaupt kein Aufsichtsorgan, sondern ein Sprachrohr der DRV", sagt er.

Solange die DRV kein Gesetz und sonstiges Recht bricht, greift das BAS als reine Rechtsaufsicht nicht ein. Wenn sie Kriterien für Selbstständigkeit und abhängige Beschäftigung von Fall zu Fall unterschiedlich wertet, kann dies nur in jedem einzelnen Fall vor Gericht überprüft werden. Doch was ist mit der Gesamtschau der Fälle? Was ist damit, dass Menschen wie der Google-Rezensent erleben, wie über dieselben Auftragsverhältnisse mal so, mal so entschieden wird? Dass Vertragsverhältnisse, die jahrelang unbeanstandet blieben, plötzlich als abhängige Beschäftigung gewertet werden?

Auf politischem Weg Veränderung erreichen

Diese inhaltlich widersprüchlichen Entscheidungen sind Ermessensentscheidungen. Ihre in der Gesamtschau für Außenstehende fehlende Konsistenz unterliegt keiner Aufsicht – denn das wäre eine Fachaufsicht. So fehlt es an einer wirksamen Qualitätssicherung.

Beim BAS liegt derzeit nach Auskunft der Bundesregierung auch der Fall des Fremdpersonal-Einsatzes in IT-Projekten bei der DRV. Angesichts der Natur von Rechts- statt Fachaufsicht dürfte eine inhaltliche Prüfung auch hier nicht zu erwarten sein.

Um wirkliche Veränderung zu erreichen, wird weiterhin nur der politische Weg bleiben. Wir tun dies mit unserer Arbeit in Berlin. Dass der neue Koalitionsvertrag eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens vorsieht, macht hier Hoffnung. Es bleibt aber erheblicher politischer Druck nötig, damit daraus auch zeitnah eine wirksame Verbesserung wird.

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