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EU-Richtlinie zur Plattformarbeit Der Entwurf des Europäischen Parlaments unter der Lupe

Die EU plant eine Richtlinie zur Plattformarbeit, die auch die Arbeit von freiwillig und gern Selbstständigen beeinträchtigen könnte. Das Parlament hat dazu gerade einen Entwurf beschlossen. Wir haben ihn für euch unter die Lupe genommen.

In der EU wird hart um die Richtlinie zur Plattformarbeit gerungen

Die Kämpfe hinter den Kulissen waren hart, am Ende stand der Entwurf: Der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments hat am 12. Dezember eine Kompromiss-Vorlage für die EU-Richtlinie zur Plattformarbeit beschlossen. Am Ende der Sitzung erteilte der Ausschuss auch das sogenannte Trilog-Mandat. Das bedeutet, dass die Vorlage in die Verhandlungen mit dem Ministerrat und der Kommission gehen kann, in denen der finale Richtlinien-Text erarbeitet werden soll.

Definitionen sind ein Knackpunkt

Mit dem Kompromiss-Text hat sich das Parlament wieder stärker an den Richtlinien-Entwurf der Kommission vom Dezember 2021 angenähert. Unter Vorsitz der sozialdemokratischen Berichterstatterin Elisabetta Gualmini hatte der Ausschuss im Mai einen Entwurf debattiert, der weit über den Kommissions-Entwurf hinausgegangen war und noch weitreichendere Probleme für die Arbeit von Solo-Selbstständigen gebracht hätte.

Einer der Knackpunkte der Richtlinie ist Artikel 2, der die Definitionen der entscheidenden Begriffe enthält. Hier ist das Parlament, das zwischenzeitlich alles zur digitalen Arbeitsplattform erklären wollte, was "auf irgendeine Weise Computerprogramme und -verfahren für die Vermittlung, Überwachung oder Organisation von Arbeit, die von Einzelpersonen geleistet wird", verwendet, wieder zur Definition der Kommission zurückgekehrt, die wir allerdings immer noch für zu weit gehend halten.

Was ist eine digitale Arbeitsplattform?

Laut altem und neuem Entwurf liegt eine digitale Arbeitsplattform dann vor, wenn eine kommerzielle Dienstleistung erbracht wird, die alle drei Punkte erfüllt:

  • Sie wird (zumindest teilweise) auf elektronischem Wege bereitgestellt.
  • Sie wird auf Verlangen des Empfängers der Dienstleistung erbracht (oder durch eine offene Ausschreibung – das ist eine Erweiterung des neuen Parlaments-Entwurfs).
  • Sie umfasst die Organisation der von Einzelpersonen geleisteten Arbeit.

Der neue Entwurf nimmt einige zusätzliche Definitionen in den Artikel 2 auf, beispielsweise zu automatisierten Überwachungs- und Entscheidungssystemen, zu Vertretern von Plattformbeschäftigten und biometrischen Daten.

Kein Kriterienkatalog im Parlaments-Entwurf

Ein weiterer entscheidender Punkt des Gesetzesvorhabens ist die gesetzliche Vermutung eines Beschäftigungsverhältnisses in Artikel 4. Der Kommissionsentwurf sieht dafür einen Kriterienkatalog vor. Sind zwei von fünf Kriterien erfüllt, greift die gesetzliche Vermutung. Der Vorschlag des Parlaments arbeitet ohne Kriterienkatalog. Die zuständigen Behörden sollen ein Beschäftigungsverhältnis im Zweifel immer dann vermuten, wenn es um Plattformen und Plattformbeschäftigte geht – entsprechend der obigen, weiten Definition.

Gefahr der automatischen Reklassifizierung

Zugleich wird ausdrücklich betont, dass die Anwendung der gesetzlichen Vermutung nicht zu einer automatischen Reklassifizierung aller Plattformbeschäftigten führen soll. Doch im Zusammenhang mit einer quasi im gleichen Atemzug genannten allgemeinen Anwendung der gesetzlichen Vermutung scheint dies zumindest fraglich.

Plattformen sollen die gesetzliche Vermutung widerlegen können, bevor eine Entscheidung über die Reklassifizierung getroffen ist. Der Entwurf des Parlaments stellt eine ausführliche Liste an Maßnahmen auf, die die Mitgliedstaaten treffen müssen, um die gesetzliche Vermutung wirksam umzusetzen. Die Liste der Maßnahmen steht im (englischen) Parlaments-Entwurf auf den Seiten 64 bis 66.

Zwei Kriterien als Voraussetzung für Widerlegung

In Artikel 5 geht es um die Möglichkeit, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Auch hier bringt der Parlaments-Entwurf viel Neues, sowohl gegenüber dem Kommissions-Entwurf als auch gegenüber der Fassung vom Mai.

Die Widerlegung des Arbeitnehmerstatus soll möglich sein, wenn zwei Kriterien erfüllt sind: 

  • Die für die Plattform tätige Person ist frei von Kontrolle und Weisung durch die Plattform und es handelt sich nicht um ein Arbeitsverhältnis im nationalen Sinn.
  • Die für die Plattform tätige Person übt auch sonst eine selbstständige Tätigkeit aus, die der geleisteten Plattformarbeit entspricht.

Langwierige Verhandlungen erwartet

Um zu bestimmen, ob Kontrolle und Weisung durch die Plattform gegeben sind, sieht der Entwurf acht Kriterien vor. Dazu gehören die Bestimmung der Bezahlung, die Kontrolle von Arbeitsbedingungen, die Überwachung der beschäftigten Person während der Arbeit oder Anforderungen an das Auftreten oder die äußere Erscheinung. Der Kriterienkatalog steht im Entwurf auf den Seiten 69 f. Wenn die Plattform eine Statusentscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltung anficht, soll das keine aufschiebende Wirkung haben.

Mit diesem Entwurf geht das Parlament voraussichtlich in die Verhandlungen mit Kommission und Ministerrat, der um seine Position noch ringt. Diese beginnen im kommenden Jahr und könnten sich lange hinziehen.

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