24 Stunden hat das Bundesfinanzministerium (BMF) Verbänden für eine Stellungnahmen zum Aktivrentengesetz eingeräumt, vom 9. bis 10.10.25, 14 Uhr. Seit mehr als sechs Wochen warten wir nun auf ihre Veröffentlichung. Damit sie allen Interessierten – zum Beispiel den Abgeordneten, die nächste Woche über das Gesetz entscheiden sollen – zugänglich sind, veröffentlichen wir sie jetzt.
Bevor ich (Andreas Lutz) auf die Stellungnahmen der einzelnen Verbände (soweit über Google auffindbar) eingehe und ihre wichtigsten Argumente zusammenfasse, will ich ein wenig ausholen und die Bedingungen schildern, unter denen unsere eigene Stellungnahme zur Aktivrente Anfang Oktober entstanden ist.
Inhaltsübersicht
- Die Vorgeschichte unserer Stellungnahme
- Bis heute nur der Gesetzesentwurf veröffentlicht
- Finanzausschuss beschließt eigene Anhörung
- Die Stellungnahmen der Verbände unter der Lupe
- Stellungnahme der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK)
- Stellungnahme von BDI, BDA, GDV, BGA, ZDH, BdB, HDE
- Unsere eigene Stellungnahme – gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) und zahlreichen weiteren Verbänden
- Stellungnahme des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV)
- Stellungnahme des Sozialverbands VdK Deutschland (VdK)
- Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)
- Stellungnahme des Deutschen Caritasverbands (caritas)
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Mittelstandsverbund (ZGV)
- Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM)
- Bundesverband für Kindertagespflege (BVKTP)
- Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW)
Der 9.10.25 war mein letzter Urlaubstag, ich war gerade mitten bei einer Schluchtwanderung auf Kreta. Da erreichte mich per Signal die Nachricht, dass das Bundesfinanzministerium (BMF) an eine unbestimmte Zahl von Verbänden den Entwurf des Aktivrentengesetzes geschickt hatte – mit der Option, sich über eine Stellungnahme zu beteiligen. Die Abgabefrist: am Folgetag um 14 Uhr. Statt wie eigentlich geplant weiter zum Meer hinabzusteigen, dann ein Schiff und einen Bus zurück zum Auto zu nehmen, kehrten wir sofort um und kraxelten wieder hoch zum Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Zurück in unserer Ferienwohnung machte ich mich sogleich ans Schreiben der Stellungnahme, gefolgt von einem späten Abendessen. An dieser Stelle übernahmen Jörn Freynick (Leiter Politik, VGSD und Generalsekretär der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände BAGSV) zusammen mit Elvira Iannone (Referentin Politik, BDÜ). Während Elvira die Stellungnahme redaktionell bearbeitete, sprach Jörn möglichst viele potenzielle Mitzeichnende an. Am Ende waren es trotz der extrem kurzen Vorlaufzeit 28 Verbände, die unsere Stellungnahme mitzeichneten. Seitdem kamen in der hier veröffentlichten Stellungnahme noch einmal neun weitere hinzu.
Stolze Zahl von Mitzeichnern trotz kurzer Frist
Eine solche Zahl von Unterstützern ist schon bei einer normalen Frist von zum Beispiel zwei oder drei Wochen bemerkenswert, um so eindrucksvoller aber, wenn man zur Verständigung miteinander nur 24 Stunden Zeit hat. Denn Verbände sind keine Autokratien. Je nach interner Organisation müssen eine ganze Reihe gewählter Vertreter/innen eine solche Stellungnahme lesen und sich einverstanden mit der Teilnahme erklären. Die hohe Zahl der mitzeichnenden Verbände in so kurzer Zeit macht uns stolz und zeigt das hohe Maß an gegenseitigem Vertrauen, das wir innerhalb der BAGSV seit 2017 erarbeitet haben.
Geplante Veröffentlichung macht Großteil des Anschreibens aus
Ganz wichtig bei solchen Stellungnahmen: Zur Erhöhung der Transparenz werden sie auf der Website des Ministeriums veröffentlicht. Ohne entsprechende Einwilligung der Betroffenen dürfen sie keine persönlichen Daten enthalten.
Ein erheblicher Teil des Einladungsschreibens des Ministeriums zur Verbändebeteiligung war diesem Thema gewidmet: "Nach Beschluss der Bundesregierung werden zur Erhöhung der Transparenz Verbändestellungnahmen zu Gesetz- und Verordnungsgebungsverfahren im Internet veröffentlicht. (...)" – Es folgen zehn weitere Zeilen, die sich darum drehen, dass die Stellungnahme frei von personenbezogenen Daten sein sollte und was passieren muss, wenn dies nicht der Fall ist.
Der Gesetzesentwurf selbst wurde tatsächlich zeitnah auf der Seite des BMF zum Aktivrentengesetz veröffentlicht. Auf die Veröffentlichung der unter großem Zeitdruck entstandenen Stellungnahmen warten wir bis heute, trotz mehrfacher Nachfrage. Zwischenzeitlich war die entsprechende Seite mit dem Gesetzesentwurf gar nicht mehr abrufbar, inzwischen gibt es wieder eine neue Seite mit dem Gesetzentwurf – weiterhin ohne Stellungnahmen.
Wir waren natürlich gespannt, wie die anderen Verbände zur Aktivrente insgesamt und zum Ausschluss der Selbstständigen stehen und hatten uns vorgenommen, sofort nach der Veröffentlichung auf der BMF-Seite alle Stellungnahmen auszuwerten, für euch – und auch als Service für die Abgeordneten, die angesichts des beschleunigten Gesetzgebungsverfahrens nur wenig Zeit haben, sich ein Bild von den Pro- und Contra-Argumenten zu machen.
Chance, die Funktionsfähigkeit des Staates zu demonstrieren
Wir haben die zuständige Abteilungsleiterin deshalb mehrfach nach dem geplanten Veröffentlichungsdatum gefragt. Auf unsere zweite Erinnerungsmail hin erhielten wir die höfliche Antwort eines Mitarbeiters auf unsere Fragen. Zum Veröffentlichungszeitpunkt der Stellungnahmen könne er aber keine Aussage machen. Ich habe mich darüber gefreut, eine Antwort zu erhalten und war zugleich irritiert. Dem Bundestag ist es ein großes Anliegen, dass Verbände transparent arbeiten, alle möglichen Informationen mit erheblichem bürokratischem Aufwand zeitnah im Lobbyregister des Bundestags veröffentlichen. Sich selbst lässt ein Ministerium bei einem so wichtigen und eiligen Gesetzesvorhaben dann so viel Zeit.
Ohne Not entsteht so das Gefühl, hier fände ein Zurückhalten von Informationen und Taktieren statt. In einer Zeit, in der die politische Stimmung aufgeheizt ist und bei vielen Bürger/innen erhebliche Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Staates herrscht, besteht gerade in solchen kleinen Dingen die Chance, die Transparenz, Schnelligkeit und Funktionsfähigkeit des Staates zu zeigen und bestehendes Misstrauen zu entkräften.
Tatsächlich verhält es sich formal so, dass es sich um eine Verbändebeteiligung des BMF handelt, also eines Ministeriums. Die zuständigen Mitarbeiter/innen des Ministeriums sollten die Stellungnahmen lesen, gegebenenfalls Rückfragen stellen und prüfen, ob die Argumente der Verbände stichhaltig sind und ob sich daraus Änderungen am Gesetzentwurf oder seiner Begründung ergeben. In der Vergangenheit gab es zum Beispiel im Bundesgesundheitsministerium Verbändeanhörungen, bei denen Verbandsvertreter/innen vor Ort ihre Stellungnahmen zusammenfassen, gegenseitig aufeinander und auf die Fragen des Ministeriums reagieren konnten.
Das BMF ist offenbar an keine bestimmte Frist gebunden, innerhalb derer es die Stellungnahmen den Abgeordneten zur Verfügung stellen muss, die nächste Woche im zuständigen Finanzausschuss und dann im Bundestag über das Gesetz entscheiden. Die Mitglieder des Finanzausschusses können eine eigene Anhörung beschließen – und haben dies vor wenigen Tagen für den 1.12. getan. Für diesen Termin ist dann das Einsenden neuer, aktualisierter Stellungnahmen möglich, die dann auch tatsächlich den Ausschuss-Mitgliedern zur Kenntnis gegeben werden und ebenfalls veröffentlich werden sollen.
Trotz dieser separaten Anhörung vor dem Ausschuss wäre es meines Erachtens sinnvoll, die seit Wochen vorliegenden Stellungnahmen zu veröffentlichen, denn die Abgeordneten erhalten in einem Fall wie diesem eine Vielzahl von Briefen von Betroffenen und werden immer wieder bei Veranstaltungen nach ihrer Position zum Gesetzesvorhaben gefragt.
Vorbemerkung: Die folgenden Stellungnahmen haben wir mithilfe von Suchmaschinen gefunden. Es ist gut möglich, dass unsere Liste nicht vollständig ist. Wir freuen uns über Hinweise auf weitere Stellungnahmen und werden den Beitrag gerne ergänzen. Gleiches gilt für den Fall, dass das BMF und der zuständige Finanzausschuss die ihnen zugesendeten Stellungnahmen veröffentlichen.
Zusätzlich zum Link auf die Stellungnahme fassen wir die wichtigsten Argumente jeweils in Form einer Aufzählung zusammen, so dass du dir schnell einen Überblick über die Argumente der verschiedenen Verbände verschaffen kannst.
Die Stellungnahme der DIHK umfasst die folgenden Punkte:
- Die angestrebte Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeitvolumens ist für die DIHK vor dem Hintergrund des Arbeits- und Fachkräftemangels ein zentrales Anliegen. Der einfachste Weg dazu sei die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen.
- Zusätzliche Arbeitsanreize oberhalb des Renteneintrittsalters sieht der DIHK positiv. Es sollten dann aber nicht gleichzeitig gegensätzliche Anreize zum vorzeitigen Renteneintritt gesetzt werden. Diese sollten gestrichen werden, insbesondere die abschlagsfreie Frührente für besonders langjährig Versicherte ("Rente mit 63").
- Bei denen, die bereits eine Frühverrentung in Anspruch nehmen, sollten ebenfalls zusätzliche Anreize geprüft werden (nur wenn Entscheidung bereits in Vergangenheit gefallen / Stichtagsregelung).
- Die technische Umsetzung der Steuerbefreiung in der Lohnabrechnung benötige einen Vorlauf "von sicherlich mehr als zwei Monaten".
- Es sei positiv, dass es über das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und die Überschreitung der Regelaltersgrenzen hinaus keine weiteren Voraussetzungen für die Aktivrente gibt.
- "Die Aktivrente sollte nicht nur für Arbeitnehmereinkünfte eingeführt werden. Um mit der Aktivrente einen möglichst großen positiven Effekt hinsichtlich des zusätzlichen (gesamtwirtschaftlichen) Arbeitsangebotes zu erreichen, sollten auch Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erfasst werden."
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) gab eine gemeinsame Stellungnahme ab gemeinsam mit der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), dem Zentralverband des deutschen Handwerks, dem Bundesverband deutscher Banken sowie dem Handelsverband Deutschland (HDE). Inhaltlich gibt es viele Überschneidungen zwischen ihrer und der Stellungnahme der DIHK, die ihren Berliner Sitz im selben Gebäude wie BDI und BDA hat und mit der man sich offensichtlich eng abgestimmt hat.
- Die Spitzenverbände kritisieren die kurze Frist für die Stellungnahme, die keine abschließende Bewertung erlaube.
- Essenzielles Anliegen der Wirtschaft sei eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeitvolumens. "Am einfachsten ließen sich hier nachhaltige Wirkungen erzeugen, wenn die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen möglichst bald umgesetzt würde."
- Die Spitzenverbände weisen auf widersprüchliche Anreize durch die Möglichkeit einer abschlagsfreien Frührente hin.
- Positiv sei die Beschränkung auf die Regelaltersgrenze als Zugangsvoraussetzung.
- Sehr kritisch sieht man die Umsetzbarkeit bei einem Inkrafttreten bereits zum Jahreswechsel.
- "Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf sozialversicherungspflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit löst verfassungsrechtliche Fragen aus. Ebenso wie die Frage, ob es sich bei der Aktivrente um eine unzulässige Altersdiskriminierung handelt."
Unsere eigene Stellungnahme – gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) und zahlreichen weiteren Verbänden
Nach obenWie die meisten anderen Verbände kritisieren wir die sehr kurze Abgabefrist für die Stellungnahme. Zugleich sind wir stolz darauf, dass es uns in nur 24 Stunden gelungen ist, eine so große Zahl mitzeichnender Verbände zu mobilisieren. Neben uns stehen lediglich hinter der Stellungnahme des BDI noch zusätzliche Verbände (siehe oben).
- Auch wir begrüßen das Ziel, Anreize für eine Weiterarbeit im Alter zu setzen und sich bezüglich der Voraussetzungen auf die Regelaltersgrenze zu begrenzen. Wir bringen zum Ausdruck, dass wir gerade unter den Selbstständigen hohes zusätzliches Potenzial sehen.
- Wir stellen die "weitere Vertiefung der Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen" in den Mittelpunkt der Stellungnahme und geben Beispiele für bereits bestehende Diskriminierungen.
- Statt das Potenzial der Selbstständigen zur Mehrarbeit zu nutzen und die Aktivrente so zu einem durchschlagenden Erfolg zu machen, droht die Schlechterbehandlung viele Selbstständige zu demotivieren und den Effekt der Aktivrente zu konterkarieren – etwa durch vorgezogene Geschäftsaufgaben ebenso wie unterbliebene Gründungen von ins Rentenalter kommenden Arbeitnehmer/innen.
- Wir stellen in der Stellungnahme die Kosten (Steuerausfälle) der Zahl der durch die Aktivrente zusätzlichen Erwerbstätigen gegenüber und gehen auf verschiedene Szenarien ein.
- Wir erklären, dass das demografische Problem für Selbstständige in verschärfter Form gilt und weisen darauf hin, dass laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Zahl der von Selbstständigen geleisteten Arbeitsstunden in den letzten 15 Jahren um ein Drittel bzw. mehr als drei Milliarden Arbeitsstunden zurückgegangen ist. Diese Entwicklung beschleunigt sich, wenn nicht Gegenmaßnahmen wie die Aktivrente ergriffen werden.
- Wir gehen auf die besondere Rolle von Selbstständigen als Fachkräfte ein, die besonders flexibel einsetzbar sind.
- Im Anschluss an diese wirtschaftspolitische Argumentation wenden wir uns der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu. Schon die Privilegierung von Rentner/innen gegenüber jüngeren Erwerbstätigen bedarf der Begründung, in verstärktem Maße gilt das für gleichaltrige Selbstständige.
- Stattdessen ist die Gesetzesbegründung äußerst widersprüchlich: Argumentiert wird insbesondere mit der Rentenversicherungspflicht von Angestellten. Diese gilt jedoch nach § 2 SGB VI gleichermaßen für viele Selbstständige. Es ist unverständlich, dass diese nicht auch berücksichtigt werden.
- Wir weisen darauf hin, dass die Bundesregierung seit Jahren ein Narrativ von Solo-Selbstständigen als prekär und von Altersarmut gefährdet verbreitet. Dem widerspricht, dass diese im Alter besonders auf einen Hinzuverdienst angewiesene Gruppe von der steuerlichen Begünstigung durch die Aktivrente ausgeschlossen werden soll.
- Zugleich spricht der Gesetzesentwurf Selbstständigen ab, "aktive Einkünfte" zu erzielen, unterstellt ihnen also passive Einkünfte ohne eigenen Arbeitseinsatz.
- Wir weisen abschließend darauf hin, dass ohne Einbeziehung der Selbstständigen eine faire Evaluation der Aktivrente nicht möglich ist, weil der Effekt der Aktivrente bei Angestellten und Selbstständigen dann nicht vergleichbar ist. Auch lässt sich der allgemeine Trend zu einer höheren Erwerbstätigkeit im Alter und eine durch den Ausschluss von Selbstständigen herbeigeführte Umwandlung von Selbstständigkeit in Anstellung nicht vom tatsächlichen Effekt der Aktivrente isolieren.
Der Steuerberaterverband hat im Oktober unseres Wissens nach keine formale Stellungnahme abgegeben. Seine Position zur Aktivrente wird jedoch aus einer Veröffentlichung vom Mai 2025 deutlich.
- Der DStV erkennt das Ziel der Weiterbeschäftigung im Alter als positiv an.
- Es sollte jedoch nicht zwischen abhängig Beschäftigten und Selbstständigen unterschieden werden. "Der demographische Wandel belastet alle gleichermaßen. Auch Selbstständige und Unternehmer haben immer mehr Schwierigkeiten, eine geeignete Nachfolge zu organisieren."
- Die Politik solle an die vielen "Selbstständigen denken, die weit über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten. Auch sie werden dringend gebraucht und sollten daher die steuerlichen Anreize in Anspruch nehmen könne. Dadurch sichern sie das Unternehmen, Arbeitsplätze, Fachwissen und Steuereinnahmen."
Der VdK hat im Juli 2025 eine ausführliche Stellungnahme u.a. zum Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus verfasst, in dem er allerdings nur kurz auf die Aktivrente eingeht. Ausführlicher bezog VdK-Präsidentin Verena Bentele in einer Pressemitteilung im September 2025 Stellung:
- Die Aktivrente verbessere die Einkommenssituation für diejenigen, die im Alter noch gesund sind und gerne weiterarbeiten wollen. Menschen, die aufgrund von Krankheit, Burnout oder Pflege von Angehörigen nicht länger arbeiten könnten, würden benachteiligt, was zu einer Spaltung der älteren Generation führen könne. Der Verband fordert deshalb die schnelle Umsetzung der im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zur Verbesserung von Reha und Prävention sowie ein Aktionsprogramm für gute und gesunde Arbeit im Alter.
- Bentele sagt, die Aktivrente schaffe einen weiteren Flickenteppich und öffne "Tür und Tor für Klagen. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz und das daraus abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit werden mit der Aktivrente offensichtlich verletzt." Und weiter: "Die Mehrheit der älteren Menschen, die im Ruhestand weiterarbeiten, werden von der Aktivrente nicht profitieren. Sie sind entweder selbstständig tätig oder machen dies als Minijob."
Die BRAK-Stellungnahme besteht aus nur zwei Seiten.
- Gut eine Seite davon widmet die Kammer der aus ihrer Sicht "völlig unsachgemäßen" Stellungnahmefrist. "Deren Einschränkung gefährdet nicht nur die Legitimität, sondern auch die Effektivität und Rechtsbeständigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen."
- Den Rest der Stellungnahme widmet die BRAK der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbstständigen, gegen die sie "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 3 GG" habe. "Für die Bundesrechtsanwaltskammer erschließt sich nicht, wo der relevante Unterschied zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit liegen soll, der die vorgesehene Differenzierung rechtfertigt. Der Gesetzeszweck (Beschäftigung und Produktivitätswachstum schaff Fortschritt und erhält Wohlstand) gibt das nicht her." Die BRAK fordert daher eine Einbeziehung auch der Selbstständigen.
- Abschließend weist die BRAK auf zwei Lücken im Gesetzesentwurf hin: Es fehlten Angaben dazu, wie die Höhe der Steuerausfälle ermittelt wurden und von wie viele neue bzw. verlängerte Arbeitsverhältnisse der Gesetzgeber erwarte.
Der katholische Wohlfahrtsverband äußert sich in seiner Stellungnahme ganz besonders kritisch zur geplanten Aktivrente: "Wir empfehlen dringend, von diesem Gesetz Abstand zu nehmen." Hilfsweise sollte das Gesetz bis 2029, also auf vier Jahre, befristet werden.
- Der Caritasverband sieht einen eklatanten Verstoß gegen das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip und lehnt die Aktivrente deshalb ab.
- Er verweist auf die Studienlage, nach der die Aktivrente keinen entscheidenden Einfluss auf das Weiterarbeiten habe, dieses hänge von anderen Faktoren ab. Menschen mit niedrigem Einkommen und schlechter Gesundheit blieben besonders häufig ausgeschlossen. Es handle sich deshalb "um ein großzügiges Steuergeschenk für gesunde Senioren".
- Der Caritasverband sieht die Aktivrente in erster Linie als verdeckten "Steuerzuschuss für die Rentenversicherung, der von der jungen Generation mit ihren Steuern erarbeitet werden muss." Und weiter: "Dadurch, dass Beamte und Selbstständige jenseits des Renteneintrittsalters ihre Einkommen voll versteuern sollen, wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber mit der Aktivrente nicht um die Förderung von Erwerbsarbeit und die Nutzung des Erwerbspotenzials Älterer geht, sondern allein um zusätzliche Beitragszahlungen Älterer in die Rentenkasse, die mit dem Steuerzuschuss gefördert werden."
- Da Frauen jenseits der 60 typischerweise ein deutlich niedrigeres Erwerbseinkommen als gleichaltrige Männer hätten, würden sie vom Steuerbonus nicht voll profitieren können. Der Caritasverband wies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit besserer Kinderbetreuungsprogramme hin.
- Außerdem führe das Gesetz zu einer Polarisierung zwischen den Generationen, macht der Verband an einem Rechenbeispiel zur unterschiedlichen Steuerbelastung deutlich.
- Der Caritasverband spricht von einem "absehbaren Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht": "Mit dem Gesetz wird in Kauf genommen, dass es in Karlsruhe landet, da es einen Eingriff in den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) darstellt, wenn Menschen nach Alter unterschiedlich besteuert und Tätigkeiten von Arbeitnehmern, Selbstständigen und Beamten unterschiedlich bewertet werden. Das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit wird durch den Gesetzentwurf ordnungspolitisch untergraben." Am Ende der Stellungnahme wiederholt der Caritasverband diesen Punkt nochmals: "Abschließend ist nochmals darauf hinzuweisen, dass Selbstständige und Beamte von der 'Aktivrente' nicht profitieren. Es ist fraglich, ob eine derartige Regelung verfassungskonform ist mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz."
- In Hinblick auf die Evaluation müsse ausgewertet werden, welchen Effekt auf die Erwerbsquote die Aktivrente für verschiedene Einkommensgruppen habe und welche Rolle Care- und Pflege-Verpflichtungen hätten.
Der DGB unterscheidet sich in seiner Stellungnahme von den anderen Verbänden darin, dass die Zielsetzung höherer Beschäftigung im Rentenalter aus seiner Sicht eine Ungleichbehandlung grundsätzlich rechtfertigt. Dies schränkt er jedoch mit Hinweis auf die Höhe der Steuervergünstigung ein: "Zweifelhaft jedoch erscheint, ob die steuerliche Begünstigung angesichts ihres Umfangs von 24.000 Euro im Jahr gleichheitsrechtlich noch zu rechtfertigen ist."
- Er weist auch auf den Umstand hin, dass abhängig Beschäftigte, die Mitglied eines verkammerten Berufs sind, begünstigt werden, obwohl sie keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zahlen, während Selbstständige, die rentenversicherungspflichtig sind und damit Pflichtbeiträge zahlen, nicht profitieren werden.
- Ein weiteres Beispiel für Ungleichbehandlung sei, dass angestellte Geschäftsführer/innen gegenüber Unternehmer/innen bevorteilt wären. Hier bestehe außerdem Missbrauchspotenzial, da die Form der Beschäftigung gestaltbar sei.
- Neben unserer Stellungnahme ist die des DGB die einzige, die die Höhe des Steuervorteils berechnet. Er kommt dabei auf denselben maximalen Steuervorteil von 921 Euro pro Monat – allerdings "bei 25.000 Euro Monatslohn". Tatsächlich greift dieser Steuervorteil nach unserer Berechnung bei einem Bruchteil dieses Wertes [Hier Link auf deinen Berechnungsartikel?].
- Der Gewerkschaftsverband kritisiert basierend darauf die Verteilungswirkung und weist auf die Benachteiligung von Frauen hin – aufgrund des Gender-Pay-Gap und weil sie seltener im Alter erwerbstätig seien. Zudem arbeiteten viele Frauen unfreiwillig in Teilzeit.
- Er bezweifelt, dass die Aktivrente einen relevanten Effekt auf die Anzahl der Beschäftigten hat, kritisiert an dieser Stelle auch, dass der Gesetzesentwurf keine Aussage zur erwarteten Zahl zusätzlicher Arbeitsverhältnisse trifft. Selbst wenn sich ein positiver Effekt einstelle, könne dadurch der demografisch bedingte Rückgang es Erwerbspersonenpotenzials allenfalls hinausgeschoben, nicht aber revidiert werden.
- Ähnlich wie VdK und Caritasverband empfiehlt der DGB, zur langfristigen Stärkung des Fachkräfteangebots Maßnahmen zur Qualifizierung und Umschulung zu forcieren sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verbessern, Schulabbrüche zu bekämpfen und die Beschäftigung vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu erhöhen.
- Er weist weiterhin darauf hin, dass Rentner/innen häufig "schlicht nicht eingestellt oder weiterbeschäftigt werden". Das zeige die praktische Erfahrung der Gewerkschaften.
- Er bezweifle, dass die Aktivrente im Fall eines negativen Evaluationsergebnisses wieder abgeschafft würde, weil dies mit einer starken Demotivation der davon Begünstigten einhergehe.
- Mit dem Altersentlastungsbetrag (§24a EStG) bestehe für ältere Arbeitnehmer/innen – also die gleiche Zielgruppe – bereits ein Steuervorteil, der bis 2058 schrittweise abgebaut werden soll. "Wieso ein neuer Freibetrag geschaffen wird, bleibt unbegründet."
- Bemerkenswert ist, dass der DGB in Übereinstimmung mit DIHK, BDI und den anderen Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft eine Steuerreform, die untere und mittlere Einkommen systematisch entlastet, für zielführender hält – wenn auch mit dem Zusatz, dass sehr hohe Einkommen (gemeint sind solche über 100.000 Euro) höher belastet werden sollten.
- Abschließend weist der DGB auf die Gefahr hin, dass die Förderung älterer Arbeitnehmer zu einem Nachteil für nachrückende Generationen führen könnte, indem er ihre Beschäftigung erschwere.
Hier die wichtigsten Aussagen der ZGV-Stellungnahme:
- Der ZGV kritisiert die sehr kurze Frist zur Stellungnahme und begrüßt das Ziel der Aktivrente, die Zahl der Erwerbstätigen zu erhöhen. "Dies betrifft jedoch primär die Zielsetzung des Vorhabens. Die konkrete Ausgestaltung erscheint hingegen nicht hinreichend überzeugend. Zudem halten wir die Aktivrente insgesamt für nicht ausreichend."
- Wie DIHK, BDI und die anderen Spitzenverbände hat auch für den ZGV die "Senkung der Einkommensteuerlast für Beschäftigte und Selbstständige jeden Alters Priorität".
- Einen Schwerpunkt legt der ZGV darauf, dass es "keine Diskriminierung von Selbstständigen" geben dürfe. Dies sei eine steuerrechtliche Ungleichbehandlung, sie sei "ungerecht und rechtlich angreifbar".
- Der Anwendungsbereich müsse "auf Selbstständige ausgeweitet werden, die zugleich freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Würde man den Anwendungsbereich auf Selbstständige ausweiten, könnte die Erwerbsbeteiligung im Alter stark erhöht werden.
Hier eine kurze Zusammenfassung der BPM-Stellungnahme:
- Der BPM begrüßt grundsätzlich die politische Zielsetzung, Anreize für eine Weiterbeschäftigung zu schaffen.
- Vor allem aber fehle es an einer arbeitsrechtlichen Flankierung. Ansonsten würde die Regelung faktisch ins Leere laufen. "Arbeitgeber müssten sonst, um einen Beschäftigten drei Jahre nach 67 weiterarbeiten zu lassen, sämtliche Krankheitsrisiken und spätere Leistungseinbußen bis zum Lebensende tragen – ohne Möglichkeit einer sachgerechten Begründung. Auch bei Auftragsschwankungen droht eine Schieflage: Bei betriebsbedingten Kündigungen müssten im Rahmen der Sozialauswahl tendenziell jüngere Kolleginnen und Kollegen den Betrieb verlassen. Diese Risken werden Arbeitgeber*innen kaum eingehen." (Wir gehen davon aus, dass dieses Problem durch die zwischenzeitlich beschlossene Aufhebung des Vorbeschäftigungsverbots großenteils gelöst ist.)
- Der BPM weist weiterhin darauf hin, dass der administrative Aufwand im Gesetzentwurf deutlich unterschätzt werde.
Der BVKTP vertritt mehr als 37.000 Kindertagespflegepersonen in Deutschland, überwiegend Frauen, von denen ein Großteil selbstständig tätig ist. In seiner Stellungnahme hebt er folgende Punkte hervor:
- Der BVKTP begrüßt die Zielsetzung des Gesetzesentwurfs, findet es aber "nicht verständlich, warum gerade ältere Selbstständige von der Steuerersparnis ausgeschlossen werden".
- Kindertagespflegepersonen gehören zu denjenigen Selbstständigen, die der Rentenversicherungspflicht unterliegen. Ihr Einkommen reiche in der Regel nicht, um neben der gesetzlichen Rentenversicherung eine private Vorsorge aufzubauen.
- Zugleich zeigt sich das demografische Problem auch hier deutlich: In einigen Bundesländern sei die Kohorte der über 60-jährigen schon jetzt die größte Altersgruppe (in Bayern und Rheinland-Pfalz stellte diese Gruppe zum Beispiel 19 Prozent der Berufsträger/innen).
- Angesichts der von der Zahl der betreuten Kinder abhängigen Bezahlung und des Geburtenrückgangs werde es für die Kindertagespflegepersonen immer schwieriger, eine rentable Gruppengröße zu erreichen. Ohne Aktivrente führe dies zu noch mehr Betriebsaufgaben und sei mit der Gefahr verbunden, dass die Kindertagespflegepersonen aufgrund ihrer niedrigen Rente auf Grundsicherung angewiesen seien. Die Aktivrente könnte deshalb unter anderem Sozialleistungen sparen.
Der BVMW führt in seiner relativ kurzen Stellungnahme folgende Punkte an:
- Der BVMW begrüßt die Zielsetzung und die Beschränkung auf die Regelaltersgrenze als Zugangsvoraussetzung.
- Ähnlich wie der BPM weist er auf arbeitsrechtliche Probleme bei der Weiterbeschäftigung hin, das Wagnis eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses für langjährige Beschäftige würden KMU kaum eingehen.
- Der Verband fordert, die Aktivrente auf Selbstständige auszuweiten, diese seien ebenfalls wichtige Fachkräfte.
- "Gerade im Handwerk, bei Solo-Selbstständigen und Wissensarbeitenden würde die Aktivrente eine erhebliche Wirkung entfalten."
Unsere Petition "Aktivrente auch für Selbstständige: Wir sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse!" enthält die aus unserer Sicht wichtigsten Argumente für die Einbeziehung von Selbstständigen in die Aktivrente.
Bitte zeichne unsere Petition mit und teile sie, um ein kraftvolles Signal an die Politik zu senden!
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