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Klarstellung zum Werkvertragsgesetz Gesetzesänderung soll Beratungs- und Projektgeschäft nicht behindern!

[caption id="attachment_7044" align="alignright" width="300"] Kuppel des Reichtstags, Foto: Deutscher Bundestag[/caption]Das „Werkvertragsgesetz“ mit dem auch die Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) neu geregelt wird, ist am 21. Oktober 2016 in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet worden. Über die erste Lesung am 22. September und die dabei erfolgte Aussprache hatten wir bereits berichtet. Der Gesetzgebungsprozess ist auf der Website des Bundestags detailliert dokumentiert.

Ausschuss will Wissensarbeiter schützen

Der für uns wichtigste Termin fand vier Tage vor der Abstimmung im Parlament statt: Am 17. Oktober veranstaltete der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine Anhörung und nahm daraufhin wichtige Klarstellungen vor, die die Computerwoche zu folgender Aussage veranlasst haben:

„Neue Arbeitsmarkt-Gesetze betreffen IT-Freiberufler nicht (...) Hunderttausende Betroffene, darunter IT-Berater, Softwareentwickler und Unternehmensberater können zufrieden sein“.

Sind damit alle Probleme gelöst? Ist das ein Freifahrtschein für IT-Selbstständige? Wird die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ihre Praxis ändern? Was bedeuten diese Feststellungen für andere Branchen, die nicht im Projektgeschäft tätig sind?

Im Folgenden erklären und kommentieren wir, was zu dieser Frage im Bundestagsausschuss besprochen wurde (Protokoll, Seite 13 f.) und nehmen eine erste Einschätzung zu den Auswirkungen vor.

Neuregelung soll Werk- und Dienstverträgen in Projektgeschäft nicht entgegenstehen

„Ferner wurde festgestellt, dass mit der Definition der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG die derzeitige Rechtslage nicht geändert werden solle, etwa bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen. Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzu- schränken.“

Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien.“

Das sind sicherlich die entscheidenden Sätze. Wir verstehen sie so, dass durch die Neuregelung weder der Einsatz externer Mitarbeiter über Unternehmensberatungen gegenüber der bisherigen Rechtslage eingeschränkt werden soll, noch (im „Projektgeschäft“) über Werk- und Dienstverträge. Damit wurde - zumindest für eine Reihe besonders stark betroffener Branchen - eine zentrale Forderung von VGSD, ADESW und weiteren Verbänden umgesetzt, nämlich ein klares Bekenntnis zur Selbstständigkeit in der Gesetzesbegründung.

Unsere Petition sowie andere Aktionen, das gemeinsame Engagement in der Verbändeallianz FEFA und vor allem die von der ADESW finanzierte und von uns unterstützte Kampagne „Expertenarbeit retten“ haben sich gelohnt. Zu den Branchen, die von dieser Regelung profitieren dürften neben IT- und Unternehmensberatern auch Softwareentwickler und Interims-Manager gehören – das sind die Berufsgruppen, deren Mitglieder sich in besonders großer Zahl im Rahmen der Aktionen engagiert haben.

Der Erfolg sollte eine Ermutigung für Angehörige anderer Berufsgruppen sein, nun auch verstärkt zusammen mit dem VGSD für sich mehr Rechtssicherheit einzufordern. Die Zusammenabeit von Selbstständigen, Auftraggebern und Verbänden zahlt sich aus!

Bindung an den Arbeitsort allein begründet keine persönliche Abhängigkeit

„Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen.

Dabei solle zum Beispiel eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber letzterem begründen (vgl. Bundesarbeitsgericht, 11.08.2015 - 9 AZR 98/14).“

Diese Klarstellung stellt selbstständigen Wissensarbeitern keinen Freifahrtschein aus: Die bisherigen Regelungen und die Rechtsprechung gelten weiter. Es bleibt somit auch weiterhin wichtig, in Hinblick auf mögliche spätere (gerichtliche) Auseinandersetzungen Merkmale der Tätigkeit, die eine Selbstständigkeit belegen, sorgfältig zu dokumentieren. Außerdem sollte man, wie spezialisierte Rechtsanwälte in unseren Telkos immer wieder geraten haben, darauf achten, dass der geschlossene Vertrag nicht nur auf eine Selbstständigkeit zielt, sondern auch so gelebt wird.

Wichtig ist die Klarstellung, dass die persönliche Präsenz beim Auftraggeber typisch für Berater und ähnliche Berufe ist und für sich genommen keine persönliche Abhängigkeit und somit Scheinselbstständigkeit begründet. Diese (meist unverzichtbare) Anwesenheit vor Ort und intensive Kommunikation mit Mitarbeitern des Auftraggebers sind zentrale Gründe dafür, dass Berater, IT-Experten, Interims-Manager usw. in besonderem Maße der Gefahr ausgesetzt waren, als in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingebunden, weisungsabhängig und damit scheinselbstständig eingeordnet zu werden.

Der Ausschuss verweist an dieser Stelle auch auf ein selbstständigen-freundliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom August letzten Jahres, das auf den ersten Blick rein gar nichts mit Beratern zu tun hat. Artisten hatten mit einem Zirkus einen Vertrag über ihre Nummer„Carlos vom Todesrad“ geschlossen und klagten später auf Einstellung. Viele von der DRV benutzte und im Werkvertragsgesetz ursprünglich vorgesehenen Negativkriterien für Scheinselbstständigkeit wären bei dieser Zusammenarbeit verletzt gewesen, aber das BAG erkannte trotzdem auf Selbstständigkeit und hob darauf ab, dass der geschlossene Vertrag auf Selbstständigkeit zielte und auch von beiden Parteien so gelebt und umgesetzt wurde.

Wertende Gesamtbetrachtung wird gestärkt

„Vielmehr solle nach dem Verständnis der Ausschussmehrheit entsprechend der bisherigen Praxis eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, ob unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers erfolge. Dies habe man auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich aufgegriffen.“

Die Bedeutung und Notwendigkeit einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände und damit von branchenspezifischen Besonderheiten und Einzelfällen wird durch diese Formulierung noch einmal gestärkt. Es darf – so wird klargestellt - also nicht von der Erfüllung einzelner Negativkritieren direkt auf eine Scheinselbstständigkeit geschlossen werden.

Steht das später auch so im Gesetz?

Wir gehen davon aus, dass die Formulierungen so nicht im Gesetz erscheinen, dass sie aber trotzdem vergleichbares Gewicht haben wie ein Hinweis in der Gesetzesbegründung. Wir hoffen, dass die Klarstellungen bald in juristische Kommentare zu dem neuen Gesetz und damit in die Argumentation von Anwälten und Gerichten einfließen.

Eine Änderung der Gesetzesbegründung hätte umfangreichere Verhandlungen nach sich gezogen und den Gesetzgebungsprozess weiter verzögert. Neben der Gesetzesbegründung ist die Beschlussempfehlung eine wichtige Quelle für Juristen.

Ist das nun ein Grund zur Freude oder sollten wir vorsichtig bleiben?

Es handelt sich definitiv um einen sehr wichtigen Etappenerfolg, der hoffentlich zur Beruhigung der Auftraggeber im IT- und Beratungsbereich beitragen dürfte. Wir müssen aber unbedingt weiter den Druck aufrecht erhalten, um mehr Rechtssicherheit für diese und auch andere Branchen zu erreichen.

Gulp formuliert es so: „Auch wenn Grund zur Freude besteht, sehen weder die ADESW noch GULP Anlass, sich auszuruhen. Denn bei unveränderter Rechtslage ist noch immer keine Rechtssicherheit für selbstständige IT- und Engineering-Freiberufler gewährleistet. Der nächste Schritt muss daher sein, klare gesetzliche Anforderungen für den Projekteinsatz zu erhalte.“

Wem haben wir die Klarstellung zu verdanken? Wie wird sie von Politikern und Wissenschaftlern bewertet?

Die Klarstellungen gingen von der CDU/CSU-Fraktion aus (Ausschussmitglieder), die im Gegensatz zur SPD fast vollständig anwesend war. MdB Carsten Linnemann (CDU) und MdB Tobias Zech (CSU) hatten sich schon in der Vergangenheit mit viel Sachverstand für die Interessen der Selbstständigen eingesetzt. In der Ausschusssitzung spielte auch MdB Albert Stegemann (Berichterstatter der CDU für dieses Gesetz) eine sehr konstruktive Rolle. Nach der Sitzung erklärte er:

„Das neue Gesetz wird nicht zu einer Einschränkung der modernen Projektwirtschaft und der Expertenarbeit führen. Der nächste Schritt muss sein, Rechtssicherheit für den Einsatz von externen Spezialisten im Digitalzeitalter sowie im Projektgeschäft sicherzustellen.“

Der Kölner Juraprofessor Martin Henssler war vom Ausschuss als Sachverständiger berufen worden und hatte in seiner Stellungnahme verlangt,

„im Interesse der Rechtssicherheit für die für den Wirtschaftsstandort Deutschland wichtige mittelständische Beratungswirtschaft eine Klarstellung vorzunehmen“. Entsprechend zufrieden zeigte er sich von dem Ergebnis der Sitzung: „Eine gute Nachricht für die Betroffenen – auch für die deutsche Wirtschaft. Die Politik hat verstanden, dass ein Gesetz auch Marktrealitäten abbilden muss.“

Sehr zufrieden zeigte sich auch Carlos Frischmuth von unserem Verbandspartner ADESW:

„Jetzt haben wir es endlich schwarz auf weiß: Das Gesetz ... wird keinen Schaden im hochqualifizierten Expertensegment auslösen. Viele Unternehmen waren doch recht unsicher ob der gesetzlichen Vorgaben. Umso wichtiger ist jetzt diese Klarstellung der Politik. Darauf haben wir seit 2013 gewartet. Nun können wir mit Fug und Recht sagen: Man hat uns zugehört und verstanden. Die Politik bekennt sich zum Digitalzeitalter und dem Projektgeschäft. Das ist eine wichtige Botschaft an die deutsche Wirtschaft und alle Unternehmen, die auf freie Experten nicht verzichten können und wollen.“

Wird die DRV jetzt bei Statusfeststellungen großzügiger verfahren?

Die Gesetzesänderung bezieht sich auf das Arbeitsrecht, also zum Beispiel auf den Fall, dass sich ein freier Mitarbeiter einklagen möchte. Entsprechend wird im Gesetz bzw. vom Ausschuss auch Bezug auf Urteile des Bundesarbeitsgerichts genommen. Für Statusfeststellung und Scheinselbstständigkeit sind Sozialgerichte bzw. das Bundessozialgericht zuständig.

Ebenso wie eine Verschärfung des Arbeitsrechts nicht ohne Auswirkungen auch auf das Sozialrecht geblieben wäre, wird wohl auch die Klarstellung im Arbeitsrecht auf das Sozialrecht ausstrahlen.

Vermutlich wird die Wirkung auf die Sozialgerichte stärker sein als auf die Praxis der DRV. Es bleibt abzuwarten, ob das neue Gesetz bzw. die Klarstellung kurzfristig zu einer Änderung des Verhaltens der DRV führt. Auch deshalb müssen wir den Druck aufrecht erhalten.

Wird die Klarstellung zur Beruhigung unter den Auftraggebern führen?

Erfahrungsgemäß dauert es längere Zeit, bis Auftraggeber ihre Beauftragungspolitik ändern. Ob es zu einer Beruhigung kommt, wird sich also frühstens im Verlauf des nächsten Jahres herausstellen.

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, Artikel wie den in der Computerwoche bei passender Gelegenheit an Auftraggeber weiterzuleiten, etwa wenn sie eine Arbeitnehmerüberlassung anbieten statt eine eigentlich gewünschte Beauftragung als Selbstständiger.

Durch entsprechende ausgewogene Information der Auftraggeber können wir unseren Teil zu einer Beruhigung des Marktes beitragen.

Wie geht es weiter?

Voraussichtlich Ende November wird sich der Bundesrat mit dem Gesetz befassen, das dann zum 1. April 2017 in Kraft treten soll. Da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist, halten wir es für unwahrscheinlich, dass es in diesem Rahmen noch zu Änderungen kommt.

Im Gesetz ist vorgesehen, dass es bereits während der nächste Legislaturperiode, im Jahr 2020, evaluiert werden soll. Professor Franz Josef Düwell hatte dies in seiner Stellungnahme empfohlen, da das Gesetz als Folge langwieriger Aushandlungsprozesse „spürbar Kompromisscharakter“ habe.

Auch die SPD spricht von „Kompromisscharakter“ und kündigt für den Fall eines Wahlsiegs eine Verschärfung des Gesetzes an: „Die SPD trete auch weiterhin für weitergehende Verbesserungen und klare Strukturen ein (...) Man komme dem Ziel, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen, ein Stück näher.“

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