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Sozialer Aufstieg als Selbstständige/r Frank-Michael Rommert "Ich kann meine Kinder aufwachsen sehen - das ist Aufstieg"

Frank-Michael Rommert hat sich den sozialen Aufstieg hart erarbeitet. Besonders stolz ist er aber auf die kleinen Erfolge im Leben.

Unternehmer, Solo-Entrepreneur und eine echte Inspiration: Ja, Frank-Michael Rommert ist qua Definition sozial aufgestiegen. Doch es geht ihm um so viel mehr in seiner Selbstständigkeit: um Freiheit. Und diese würde er gegen nichts eintauschen. Was können wir alle von ihm lernen?

Frank-Michael hat uns auf unsere Frage, ob euer Berufsleben als Angestellte/r anders verlaufen wäre, in einem Kommentar geantwortet. Hintergrund unserer Frage war eine Studie, die zeigt, dass Selbstständigen der soziale Aufstieg ungleich schneller als Angestellten gelingen kann. Wir fanden Frank-Michaels Kommentar so spannend, dass wir nochmals nachgefragt haben:

Gespräch auf dem Weg nach Gummersbach

Das Telefon rauscht ein wenig, die Verbindung ist aber über das ganze Interview hinweg stabil. Frank-Michael befindet sich im Auto, er sei "schon wieder auf dem Weg nach Gummersbach". Ein Ort auf dem Land, von Frank-Michael ganz bewusst als Heimat ausgewählt. Das Eigenheim steht direkt an der Grenze zum Wald, vor hochrangigen Besuchen ist es aber dennoch nicht sicher, denn, wie er lachend sagt: "Einmal kam der Chef einer 8.000-Mann Firma zu mir nach Hause. Dann wird halt im Heimbüro gearbeitet, oder man trifft sich auf einen Waldspaziergang. Im Gehen kann man ohnehin besser nachdenken!"

Der Wille war schon immer da

Frank-Michael empfand bereits während seines Studiums den Drang, etwas Eigenes aufzuziehen. "Ich habe 1995 mein Gewerbe angemeldet. All das Geld, das ich mit meinen damaligen Aufträgen verdient habe, habe ich direkt in technisches Equipment reinvestiert. So stand ich am Ende meines Studiums vor meinem eigenen, voll ausgestatteten Büro und wusste: Die Selbstständigkeit ist das einzig Richtige für mich. All die Erfahrungen, die ich im Angestelltenverhältnis sammeln durfte, gaben mir die Gewissheit: Ich will, dass meine Arbeitszeiten nur von mir selbst bestimmt werden, meine Arbeit effizient und unmittelbar ist. Und das war in einem Angestelltenverhältnis einfach nicht möglich."

Die soziale Leiter hochgeklettert

Frank-Michael Rommert ist der erste Akademiker in seiner Familie. "Wir hatten es nicht immer leicht. Ich wuchs in der DDR auf und meine Eltern sahen sich im Sozialismus mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Meine Mutter war Krankenschwester, mein Vater lernte einen Handwerksberuf. Dass ich nach dem Fall der Mauer das Abitur nachholen und endlich studieren konnte, war für mich unglaublich wertvoll. Mittlerweile bin ich auch im klassischen Sinne 'sozial aufgestiegen': Ich verdiene mehr als meine Eltern und kann Geld für meine Altersvorsorge ansparen. Aber das ist für mich gar nicht der Inbegriff des 'sozialen Aufstiegs'. Es steckt viel mehr dahinter als nur die offensichtlichen Zahlen.

Ehrliche Euphorie

Ich habe durch die Selbstständigkeit so viel Freiheit gewonnen. Niemand kann mir vorschreiben, wann und wo ich arbeite. Dadurch gewinnt ein jeder an Lebensqualität. Schließlich ist es nicht relevant, ob man seine Arbeit am Montag um 9:00 Uhr morgens oder am Wochenende erledigt. Wichtig ist nur, dass man qualitativ hochwertig und effizient arbeitet.

Und: Ich weiß, dass das Feedback meiner Kundschaft stets ehrlich und wertvoll ist. Wenn ein Interessent deine Dienstleistung nicht gut findet, dann kauft er sie auch nicht. So einfach ist das. Im Angestelltenverhältnis hingegen dringt ehrliches Feedback nur selten zu einem durch. Die Wertschätzung von effizienter und wertvoller Arbeit fehlt oft. Mit meinen Kundinnen und Kunden hingegen bewege ich mich stets auf einer Wellenlänge und muss mich in keine Hierarchie einordnen. Genau so können großartige Projekte entstehen."

Ein Erfolgsmodell

Apropos großartige Projekte: Frank-Michael ist nicht nur der erste Akademiker in seiner Familie, sondern hatte auch eine ausgezeichnete Geschäftsidee, die ihm es seit 2001 ermöglicht, seine Familie zu versorgen: "Ich konzeptioniere und realisiere die Umsetzung von Sachbüchern. Seit meiner anfänglichen Arbeit als freier Lektor sowie Hersteller habe ich gemerkt, dass ich das System zu meinen Gunsten wenden kann. Anstatt mich jeweils nur für ein Lektorat bezahlen zu lassen, bestellen Verlage bei mir ganze Sachbuchproduktionen und bezahlen für diese Bücher dann einen Stückpreis. Das ist nicht nur ideal für mich, weil ich so auch bei Nachauflagen Gewinn aus meiner Arbeit ziehen kann, sondern auch interessant für die Verlage. Dank mir müssen sie keine Lektoren und andere Dienstleistungen bezahlen, denn ich übernehme sämtliche Schritte in dem Produktionsprozess: Manchmal bin ich sogar Ghostwriter für Autorinnen und Autoren, die wenig Schreiberfahrung, aber viel Expertenwissen haben. Da kommen mir dann meine Uni-Kurse mit dem ehemaligen Herausgeber der F.A.Z., Werner D'Inka, zugute."

Selbstständig in Deutschland: Es muss sich was tun

Es scheint sich alles gefügt zu haben, für Frank-Michael. Doch auf die Frage, was er jungen Gründerinnen und Gründern raten würde, ziehen dann doch dunklere Wolken über Gummersbach auf.

"Natürlich sollen sich weiterhin junge Menschen selbstständig machen, besonders diejenigen, die genug Selbstdisziplin haben und eigenverantwortlich arbeiten können. Doch wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich mich außerhalb von Deutschland selbstständig machen. Beispielsweise in Estland oder Rumänien. Denn dort wird die Selbstständigkeit von der Politik tatsächlich als eine alternative Beschäftigungsform angesehen und aktiv gefördert. In Estland beispielsweise werden nur ausgeschüttete Gewinne von Unternehmen besteuert. Reinvestierte bzw. im Unternehmen thesaurierte Gewinne sind nicht steuerpflichtig. So wir die Stabilität von Unternehmen unterstützt. Sie können schneller Eigenkapital aufbauen und sich für schwierige Phasen wappnen. In Rumänien wiederum gibt es für kleine Unternehmen wie das meine eine wohlwollende Steuerregelung, die wie in Estland dazu führt, dass ein Unternehmen schnell finanzielle Puffer und Schlagkraft aufbauen kann.

Wichtiger als steuerliche Details ist für mich aber die Atmosphäre der Wertschätzung, die in beiden Ländern den kleinen Selbstständigen entgegengebracht wird. Und zwar nicht durch warme Worte, sondern durch hilfreiche Strukturen. In Deutschland dagegen entsteht doch allzu oft der Eindruck für Selbstständige, nur noch als Zahler für Steuern und Sozialabgaben willkommen zu sein.

Auch wenn ich der Bundesrepublik vieles zu verdanken habe und vieles in diesem Land zu schätzen weiß: In Deutschland muss sich etwas ändern. Selbstständige erfahren keine substanzielle Wertschätzung. Entweder muss sich Deutschland bewegen, oder die jungen Gründer/-innen bewegen sich fort.

Ein Ansatz wäre die Herstellung von Versorgungsgerechtigkeit, besonders im Hinblick auf das Alter. Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen, die es auch Selbstständigen ermöglichen, ausreichend für das Alter vorzusorgen. Während Corona beispielsweise, mussten zahlreiche Selbstständige auch die angesparte Altersvorsorge angreifen, um auch ohne Einnahmen weiter ihren Lebensunterhalt zahlen zu können. Das Geld fehlt nun im Alter."

Es geht auch anders

"Die Lösung wäre: Ein politisch und juristisch anerkanntes Altersvorsorgedepot, das erst ab einem gewissen Alter zugänglich ist. Auch das in Amerika bereits umgesetzte Solo-401(k)-Modell könnte hier als Vorbild dienen: Arbeitnehmer in den USA können freiwillig einen Teil ihres monatlichen Einkommenskontos einzahlen. Dafür wird in der Regel ein Vertrag mit einem privaten Investmentunternehmen geschlossen. Das Geld wird vom Arbeitgeber direkt abgeführt. Der Arbeitnehmer kann sich für verschiedene Anlagestrategien entscheiden und trägt das Finanzmarktrisiko. Und: Während der Ansparzeit müssen beispielsweise Dividenden oder andere etwaige Erträge nicht versteuert werden und die Einzahlungen sind innerhalb sinnvoller Grenzen einkommensteuerfrei. Beim Solo-401(k)-Modell ist der Solopreneur sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

Fest steht: Der Staat muss Alternativen zum herkömmlichen Rentenmodell ernst nehmen. In Deutschland ist es nötig, bei den politischen Diskussionen um die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige auch vermietete Immobilien sowie eben Wertpapiere als Altersvorsorge ernst zu nehmen. Ansonsten steigen wir als Gesellschaft sozial ab, nicht auf."

Keine Reue, pures Glück

Doch trotz der Hürden ist für Frank-Michael die Selbstständigkeit das einzig richtige Beschäftigungsmodell. "Ich habe mich auch ganz bewusst für die Solo-Selbstständigkeit entschieden. Der bürokratische Aufwand, der sich hinter Angestellten verbirgt, ist unfassbar. Da bleibe ich lieber unkompliziert und allein."

Dass der Schritt in die Selbstständigkeit die richtige Entscheidung war, merkt Frank-Michael jedes Mal, wenn er Interessenten mit seiner Geschäftsidee vollends überzeugt. "Da kommt einfach jedes Mal ein Glücksgefühl in mir hoch. Doch das Allerwichtigste: Ich bin unter der Woche zu Hause bei meiner Familie. In meinen Freundeskreis habe ich einige Wochenendpendler. Unter der Woche müssen sie woanders sein, um den Anforderungen ihres Angestelltenverhältnisses gerecht zu werden. Doch ich kann meine Kinder aufwachsen sehen. Das ist für mich der Inbegriff von sozialem Aufstieg. Das ist Lebensqualität."

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